Robin Meyer-Lucht gestorben: Früher Tod eines Bloggers
Der Medienökonom und Autor Robin Meyer-Lucht ist im Alter von 38 Jahren gestorben. Obwohl kein klassischer Blogger, nahm er eine wichtige Rolle in der Blogosphäre ein.
"Manchmal lohnt es sich auch innezuhalten", schrieb Robin Meyer-Lucht am 8. Juni dieses Jahres. Nach seinem frühen Tod klingen diese Worte auf eine tragische Weise treffender als zuvor. Denn jener Text, welchen Meyer-Lucht an eben jenem 8. Juni veröffentlichte, sollte sein letzter Text bleiben, den er auf dem von ihm gegründeten Blog Carta publizierte.
Stolz verkündete er darin, dass sein Blog einen Lead-Award erhalten habe und blickte auf einige der erfolgreichsten und meist diskutierten Texte seiner Publikation zurück. Mit viel Beachtung ging sie 2008 an den Start und sollte in der Folge einer der meistgelesenen deutschen Blogs werden. 2009 erhielt er dafür sogar einen Grimme-Preis.
Zuletzt suchte Carta eine neue Ausrichtung. Vor allem sollte das Blog finanziell rentabel werden. Daher verkündete Robin Meyer-Lucht eine Sommerpause.
Wirtschafts-, Medien- und Sozialwissenschaften
In St. Gallen promovierte Meyer-Lucht 2005 in Wirtschaftswissenschaften. Zuvor studierte er bereits in Hamburg, London und Berlin Wirtschafts-, Medien- und Sozialwissenschaften. Seine Dissertation trägt den Namen "Nachrichtensites im Wettbewerb. Analyse der Wettbewerbsstrategien von vier deutschen Online-Nachrichtenagenturen." Er gründete das Berlin Institute, ein Strategieberatungs- und Forschungsinstitut für Medienökonomie.
In seinen Veröffentlichungen bewegte sich Robin Meyer-Lucht meist in der Schnittstelle zwischen Medien, Wirtschaft und Politik. Als im vergangenen Jahr Horst Köhler als Bundespräsident zurücktrat, verfolgte sein Blog die Debatte sehr genau und kam zu dem Schluss, dass nicht zuletzt die Berichterstattung in Blogs wesentlich zum Rücktritt beigetragen habe.
Anfang dieses Jahres veröffentlicht Carta einen Mitschnitt der Bundespressekonferenz, in dem sich mehrere Journalisten kritisch bis unverständlich über die Aktivitäten des Regierungssprechers Steffen Seibert auf Twitter äußern. Binnen kürzester Zeit verbreitet sich die Geschichte im Internet und lässt einige der alteingesessenen Hauptstadtjournalisten schlecht aussehen.
Auch der Netzneutralität hatte sich Robin Meyer-Lucht verschrieben. Hierzu reichte er 2010 beim Deutschen Bundestag sogar eine Online-Petition ein. Kritisch und mit großer Ausdauer verfolgte er zudem die Debatten um die Reform der Rundfunk-Gebühren sowie die Forderungen nach einem Leistungsschutzrecht der Verleger.
Sprachwitz und klare Meinung
Häufig stieß er dabei in eine Lücke, die traditionelle Medien, zum Teil aufgrund ihrer Befangenheit, nicht leisten konnten. Erinnert sei etwa an seine Live-Berichterstattung von einer Anhörung im Kulturausschuss des Bundestags mit dem Thema "Zukunft des Qualitätsjournalismus".
Robin Meyer-Lucht vertrat meist Positionen, mit denen sich ein Großteil der deutschen Internet-Aktivisten identifizieren konnte. Er war jedoch nie ein typischer Blogger, auch wenn er in der Szene große Beachtung fand. Seine Texte waren häufig eher fundierte Aufsätze. Mit Sprachwitz und klarer Meinung gelang es Robin Meyer-Lucht trotzdem, oder vielleicht sogar gerade deswegen, eine wichtige Rolle in der deutschsprachigen Blogosphäre einzunehmen.
Eine Rolle, die ihm manchmal sogar unangenehm zu sein schien. Als er Ende 2010 die Autoren und Unterstützer von Carta zu einem geselligen Abend einlud, bat er in seiner kurzen und betont bescheidenen Ansprache nach und nach verschiedene Unterstützer und Autoren an seine Seite. Das ging solange, bis letztlich alle Versammelten gemeinsam dastanden. Die Botschaft: Nicht ich allein, sondern nur wir zusammen konnten das erreichen.
Robin Meyer-Lucht stand damals in der Mitte derer, die den Weg gemeinsam mit ihm bestritten. Genau dort wird man ihn nun schmerzlich vermissen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch