piwik no script img

Rituale für MädchenIm Kreis der Eingeweihten

Kind, Teenie, Frau: Gibt es noch Rituale auf dem Weg zum Erwachsensein? Über die Drachinzeit, die Jugendweihe und die Erstkommunion.

Jugendweihe im Freizeit- und Erholungszentrum FEZ in Berlin Foto: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

„Eine Erfahrung, die ich schütze“

Bei uns in der Gegend, ich komme aus Jena, da gibt es eigentlich immer nur Konfirmation oder Jugendweihe. Hinter der Jugendweihe standen meine Eltern nicht, und das hat ja wirklich etwas Absurdes. Diese große Feier, alle stehen auf der Bühne und bekommen eine Urkunde: So, willkommen, du bist jetzt erwachsen. Den Konfirmationsunterricht habe ich abgebrochen, das fühlte sich gar nicht richtig an. Und dann kam meine Mama mit der Drachinzeit.

Das Leben einer Frau 2025

„Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“ Zum feministischen Kampftag am 8. März wird die wochentaz zur Frauentaz. Auf 52 Seiten blicken wir auf das gesamte Leben einer Frau – von der Geburt bis zum Tod. Auf taz.de widmen wir uns dem Thema ganze drei Tage.

An der Stelle muss ich fast immer erklären, was das ist. Die Drachinzeit ist ein naturverbundenes Übergangsritual für Mädchen – für Jungs gibt es das Pendant der Phönixzeit. Begleitet von Frauen treffen sich Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren regelmäßig über ein halbes Jahr. Das ist eine Zeit, in der ja eigentlich die ganze Welt nur aus Fragezeichen besteht und man sich superunsicher fühlt. Am Ende steht ein Ritual, bei dem man eine Nacht und einen Tag alleine im Wald verbringt.

Das klingt krass, ist aber keine Mutprobe oder so. Eher eine Markierung, ein symbolischer Punkt im Übergang vom Kind zum Jugendlichen. Da bereitet man sich Stück für Stück darauf vor. Jedes Mädchen bringt auch eine Mentorin mit, eine Frau aus dem Umfeld, aber nicht die Mutter – bei mir war es die Tante, bei anderen die Oma oder die große Schwester.

Klar gibt es so Reaktionen: Was ist das für ein Hippiekram? Umarmt ihr da einen Baum und sagt Ommm? Selbst mein Papa konnte das nicht richtig ernst nehmen. Deshalb passe ich auf, wie viel ich davon teile, weil für mich ist das eine ganz wertvolle Erfahrung, die ich auch ein bisschen schütze. Meine intensivste Erinnerung ist die an ein Wochenende an der Ostsee, wir waren das erste Mal mehrere Nächte zusammen, haben wie immer draußen geschlafen.

Das waren für mich ganz wichtige Gespräche. Ich habe so vieles von mir geteilt, was ich vorher mit noch niemandem geteilt habe. Es hat sich einfach und sicher angefühlt, weil du keine blöden Blicke bekommen hast, überhaupt keine blöden Kommentare. Nur Verständnis und das Gefühl, dass du genau so sein darfst, wie du bist. Das war für mich ein Moment, wow! Das hatte ich so noch nie.

Challa zur Bat Mitzvah: Eine Feier des Erwachsenwerdens Foto: Foto: Izanbar/Dreamstime/imago

In den Gesprächen ging es viel um den weiblichen Körper, um Menstruation, um Sex. Ich war 15 und mir war gar nicht bewusst, wie viele Fragen und Unsicherheiten ich noch hatte. Jeder dieser Momente hat mich so bestärkt. Ich will mir überhaupt nicht vorstellen, wie ich mich weiterentwickelt hätte, wäre nicht die Drachinzeit gewesen. Das hat mich super geprägt, gerade auch im Kontakt mit anderen Frauen und Mädchen. In vielen sozialen Kontexten war ich dann später die, die ähnliche Gespräche angefangen und anderen ein bisschen Sicherheit gegeben hat.

Inzwischen war ich schon mehrfach Jungmentorin bei einem Projekt namens Wildkatzen, das ist auch ein Übergangsritual, aber da spielen die Natur und queere Themen noch eine größere Rolle als bei der Drachinzeit.

Das ist für mich auch sehr wichtig, denn dieser Kreis, diese Offenheit, das hat mir gefehlt nach der Drachinzeit. Wenn ich dann mit den Teens und den Frauen am Feuer sitze, das ist so ein Moment, in dem sich der Kreis wieder schließt: Ich habe inzwischen viel mehr erlebt, und jetzt sitzen die Teens vor mir und finden das alles superspannend.

Elena, 21, inzwischen in Würzburg, (Protokoll: Manuela Heim)

„Ein Akt des bewussten Handelns“

Die Erstkommunion ist mehr als ein feierliches Ritual. So war das auch für mich. Initiationsriten markieren Übergänge und spielen in religiösen Traditionen eine zentrale Rolle. Und in der katholischen Kirche ist die Kommunion der erste Schritt zur Mitgestaltung des kirchlichen Lebens.

Es ist ein bedeutender Moment. Kinder, üblicherweise zwischen acht und neun Jahren, empfangen erstmals die Eucharistie und werden in die Glaubensgemeinschaft aufgenommen. Auch hier zeigen sich geschlechtsspezifische Ungleichheiten: Jungen tragen meist dunkle Anzüge oder schlichte Festkleidung, von Mädchen wird in vielen Gemeinden erwartet, dass sie weiße Kleider anziehen. Diese ähneln Hochzeitskleidern. Die Tradition verstärkt stereotypische Rollenbilder und verknüpft Weiblichkeit mit Reinheit und Unschuld, wodurch bereits in jungen Jahren Erwartungen an die Geschlechter manifestiert werden.

Mädchen bei der Erstkommunion in der St. Bonifacius Kirche in Bottrop Foto: Heinrich Jung/Funke Foto Services/imago

Bei meiner Erstkommunion entschied ich mich gemeinsam mit Freun­d*in­nen gegen dieses traditionelle Bild: Ich trug ein buntes Sommerkleid und während der Messe eine Messdienerkutte. Diese kleine Geste war für mich ein Akt des bewussten Handelns. Zum ersten Mal wurde mir – mithilfe meiner Mutter – klar, wie wichtig es mir ist, Dinge nicht einfach hinzunehmen, sondern sie mitzugestalten.

Indem wir Mädchen ermutigen, an der Liturgie, also den religiösen Zeremonien und Riten im Gottesdienst, teilzunehmen, stärken wir ihr Selbstbewusstsein und fördern eine Kultur des Respekts. Gerade in einer Zeit, in der Geschlechtergerechtigkeit gefordert wird, ist es entscheidend, auch in der Kirche die Weichen für eine gleichberechtigte Zukunft zu stellen.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Direkt nach meiner Erstkommunion wollte ich Messdienerin werden. In einer Zeit, in der sich meine Identität formte und ich meine Stärken besser kennenlernte, war es für mich bedeutend, in meiner Gemeinde Verantwortung zu tragen. Doch hierbei blieb mir immer bewusst, dass ich es durfte – trotz meines Frauseins und nicht etwa deshalb. Leider ist es auch heute nicht selbstverständlich, dass sich alle Geschlechter in gleichem Maße beteiligen. Es braucht Menschen, die nicht nur von Glauben sprechen, sondern ihn aktiv leben. Daniela Ordowski

„Dann wird man irgendwie erwachsener“

Vor fünf Jahren, glaube ich, war ich das erste Mal bei einer Jugendweihe, bei meinem Cousin. Drei Jahre später dann bei meiner Cousine. Es war dann klar, dass ich auch bei der Jugendweihe mitmache, am 22. März ist der Termin.

Fast alle aus meiner Klasse gehen da hin, außer die paar, die Konfirmation machen. Ich habe erst vor kurzem die Schule gewechselt, in der alten gab es auch so Vorbereitungssachen für die Jugendweihe. Ich hab echt vergessen, was das war, irgendwas mit Benimmregeln oder so? An meiner jetzigen Schule gibt es so was nicht.

An dem Tag ist dann da erst die Feierstunde, da erzählt jemand was, über das Leben oder so. Das ist eher förmlicher. Ich werde ein schwarzes Kleid anziehen. Normalerweise trage ich keine Kleider, und die meisten Kleider finde ich auch nicht schön, die sind alle so gleich. Irgendwie aus dem gleichen Stoff und mit dem gleichen Schnitt. Aber mein Kleid ist so bodenlang und glitzert. Das ist schon was Besonderes. Das finde ich ganz cool, dass man sich da so anzieht. Meine Familie kommt, auch meine Oma und mein Opa.

Da bekommt man auch Geld geschenkt. Das spielt jetzt keine große Rolle für mich, aber ich freue mich schon drüber. Das meiste wird gespart, aber ich glaube, ich will mir auch Klamotten kaufen. Und nach der Feierstunde macht meine Klasse eine Feier.

Dafür sollte letztens jeder so ein paar Ideen aufschreiben, was wir da machen könnten. Ich hab Musik und Tischtennis aufgeschrieben. Dass die Jugendweihe für den Übergang vom Kind zur Jugend sein soll, ja okay. Aber das hat nicht so richtig eine Bedeutung für mich. Sich dafür feiern, dass man zur Frau wird, das finde ich auch irgendwie komisch. Eigentlich ist das ja was ganz Normales.

Klar, in meinem Leben spielt das Erwachsenwerden schon eine Rolle. So mit 13, 14, 15 wird man ja theoretisch vom Kind zur Jugendlichen. Dann wird man irgendwie erwachsener. Das merke ich auch an mir, früher hat man gespielt, und jetzt spielt man nicht mehr. Manchmal finde ich das gut und manchmal nicht. Als Erwachsener hat man ja auch so viele Dinge, die man machen muss. Aber als Jugendliche … Meine Cousine ist 17, die geht abends oft raus. Das ist noch eine große Lücke zu mir. Aber ich würde schon sagen, dass ich mich darauf freue.

Fritzi, 13, aus Leipzig, Protokoll: Manuela Heim

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!