Ringen um den CDU-Vorsitz: Ab durch die Mitte
Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen werben bei der Jungen Union um Unterstützung. Vor allem jedoch sind sie sehr nett zueinander.
![Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet posieren nebeneinander für ein Foto bei derJungen Union Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet posieren nebeneinander für ein Foto bei derJungen Union](https://taz.de/picture/4443794/14/26111677-1.jpeg)
Die Debatte ist extrem formatiert. Am Anfang ein fünf Minuten Statement, am Ende sollen die drei noch mal in 30 Sekunden ihre, so der aufgeräumte Moderator, „unique selling points“ zusammenfassen. Pitch und Verkaufe – Politik in Werbesprache zu formulieren hält man bei der JU offenbar für modern.
Armin Laschet, der liberale Katholik, Friedrich Merz, der schneidige Wirtschaftskonservative, Norbert Röttgen, der ehrgeizige Intellektuelle – sie streiten sich nicht. Es herrscht ein Nichtangriffspakt, der nur zarte Andeutungen eigener Überlegenheit zulässt.
Laschet, als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident im Vorteil, betont immer wieder, dass er nicht „nicht bloß Reden hält, sondern konkret anpackt“ – etwa bei Corona. „Wir machen das“, verkündet er mehrmals. Das geht gegen Merz, der als Politrentner außer markigen Meinungen nichts im Angebot hat, mal entsprechend verdrießlich drein schaut, aber sich ansonsten nichts anmerken lässt.
Merz verkündet, dass Deutschland „zu träge“ geworden sei, will wolkig an die Agenda 2010 von Schröder anknüpfen und verspricht der Parteijugend „einen neuen Generationsvertrag“. Alle Gesetze sollten auf Generationsgerechtigkeit geprüft werden. Was damit konkret gemeint ist, bleibt offen. Nachfragen sind in diesem Pitch nicht vorgesehen. So bleibt es bei der Selbstinszenierung der Kandidaten.
Außenseiter Röttgen gibt den Unbequemen
Röttgen, mit offenem Hemdkragen, gibt den Unbequemen, der dramatische Herausforderungen kommen sieht. Deutschland sei bei der Digitalisierung 20 Jahre hinter Estland zurück. Er wünscht sich, leicht spontihaft für die CDU, Debatten, bei denen nicht klar sein soll, wo sie enden. Das kann man sich bei einem CDU-Chef Merz nicht so gut vorstellen.
Die CDU müsse „weiblich, jünger, digitaler“ werden, so Röttgen schwungvoll. Die naheliegende Frage, ob drei männliche Kandidaten um die 60 ein überzeugendes Mittel auf diesem Weg sind, bleibt ungestellt. Auch die Junge Union ist an diesem Abend Teil des diskursiven Waffenstillstandsabkommens.
Eine Art zaghaften Schlagabtausch gibt es, als Laschet fragt, wie die sehr lange Mängelliste, die Röttgen aufzählt, zu dem Umstand passt, dass die Union ja seit 2005 regiert. Point taken. Röttgen klingt mitunter wie Kassandra, nicht wie jemand, der seit 30 Jahren zur politischen Klasse gehört. Er erwähnt des öfteren, dass er sich schon vor zehn Jahren für dieses oder jenes ausgesprochen habe, was besserwisserisch klingt.
Wobei: Norbert Röttgen läuft sowieso halb außer Konkurrenz. Von Anfang an war er in einer krassen Außenseiterrolle. Seine Ankündigung, als CDU-Chef dem in den Umfragen derzeit weit populäreren CSU-Mann Markus Söder den Vortritt als Kanzlerkandidat zu lassen, ist zwar einerseits ein nicht ganz unpfiffiger taktischer Zug, dürfte jedoch andererseits von eingefleischten ChristdemokratInnen als Kapitulationserklärung aufgefasst werden.
Desinteresse an sozialen Fragen
Ansonsten sind alle für ein Digitalministerium, für mehr junge UnternehmerInnen, die etwas riskieren, und für weniger Bürokratie. Sie wollen die AfD bekämpfen und das Klima schützen. Das Rentenalter werde, so die einhellige Ansicht, in den den nächsten Jahrzehnten nicht bei 67 Jahren, sondern später liegen. Genaues wisse man aber nicht.
Röttgen überrascht mit ein paar markigen Law-and-Order-Sprüchen, Merz mit der Erkenntnis, dass die soziale Marktwirtschaft bei der Reduzierung der CO2-Emissionen in Deutschland bisher „sensationell erfolgreich“ war. Zu Mindestlöhnen, Hartz IV oder Tariflöhnen in der Pflege wollen die Jung-Unionisten, die per Zoom zugeschaltet Fragen stellen dürfen stellen, nichts wissen.
Die meisten Punkte macht Laschet, weil er Thesen mit politischer Praxis verbinden kann. Er reklamiert für sich die Mitte. In seinem Kabinett habe er sowohl den ArbeitnehmerInnen- als auch den Wirtschaftsflügel eingebunden, eine Migrantin und die Frauenunionseien auch mit dabei, verkündet er stolz. Also alle mitnehmen – das Modell Merkel.
Als Annegret Kramp-Karrenbauer Ende 2018 knapp gegen Friedrich Merz gewann, war das die erste Kampfkandidatur um den CDU-Parteivorsitz seit 47 Jahren. Dass es mehrere Kandidaten gibt, ist für die Machtmaschine CDU ungewöhnlich. Daher rührt die Nervosität, dass der Dreikampf zwischen Merz, Laschet und Röttgen womöglich aus dem Ruder laufen und den Wahlkampf 2021 verhageln kann.
Die Harmlosigkeit der Debatte am Samstag ist die Selbstversicherung, dass der Machtkampf ohne Kollateralschaden über die Bühne geht. Die nächste Diskussion findet am 3. November statt.
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