Rettungsschiff mit 65 Migranten an Bord: Salvini versus „Alan Kurdi“

Erneut verbietet Italiens Innenminister einem Rettungsschiff, in die Hoheitsgewässer seines Landes einzufahren. Pro Asyl kritisiert Horst Seehofer.

Das Rettungsschiff „Alan Kurrdi“ auf hoher See

Das nächste Schiff, das Matteo Salvini im Visier hat: die „Alan Kurdi“ Foto: dpa/Sea-Eye

ROM/BERLIN/FRANKFURT AM MAIN dpa/epd | Die Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye wird mit ihrem Rettungsschiff „Alan Kurdi“ mit 65 Migranten an Bord vorerst nicht in italienische Hoheitsgewässer einfahren. Das sagte Sea-Eye-Einsatzleiter Gorden Isler der Deutschen Presse-Agentur am Samstag am Telefon. Der italienische Zoll habe der Besatzung am Morgen ein Dekret des italienischen Innenministers Matteo Salvini ausgehändigt, mit dem die Einfahrt in die Hoheitsgewässer des Landes untersagt wurde. „Wir beachten erstmal dieses Verbot“, versicherte Isler. Ohne triftigen Grund werde Sea-Eye nicht gegen das Dekret verstoßen.

Die „Alan Kurdi“ hatte nach Sea-Eye-Angaben 65 Migranten in internationalen Gewässern vor Libyen von einem Schlauchboot gerettet. Im Bundesinnenministerium war am Freitagabend ein Brief Salvinis eingegangen. Darin drängt er Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Verantwortung für die „Alan Kurdi“ zu übernehmen. Deutschland hat der EU-Kommission nach Angaben Seehofers angeboten, Migranten von der Sea-Eye und vom Rettungsschiff „Alex“ der italienischen Hilfsorganisation Mediterranea Saving Humans im Mittelmeer aufzunehmen. Die „Alex“ hat aktuell 54 Menschen an Bord.

„Auch im Fall der „Alan Kurdi“ und der „Alex“ sind wir im Rahmen einer europäisch-solidarischen Lösung bereit, einen Teil der aus Seenot Geretteten aufzunehmen“, sagte Seehofer am Samstag.

Deutschland lehnt das von Salvini verfochtene Prinzip ab, wonach der Flaggenstaat prinzipiell zuständig sein soll. Seehofer macht sich weiter für einen europäischen Verteilmechanismus für die Migranten stark. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte auf Anfrage: „Wer Menschen vor dem sicheren Ertrinken rettet, erfüllt seine humanitäre Pflicht.“ Deshalb habe die Bundesregierung in diesem Jahr bereits 228 Menschen – und damit mehr als jeder andere EU-Mitgliedstaat – aufgenommen.

Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl wirft allerdings Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nach den Vorgängen rund um die „Sea-Watch 3“ vor, um jeden Preis ein geordnetes Aufnahmeverfahren aus den Erstanlandestaaten heraus verhindern zu wollen. Deutschland müsse die Initiative ergreifen, sodass in einem geordneten Verfahren Gerettete aufgenommen werden, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Samstag in Frankfurt am Main. Bisher verharre die deutsche Regierung in einer „unerträglichen Prinzipienreiterei“ und wolle möglichst alle Bootsflüchtlinge in den Erstanlandestaaten des Mittelmeers belassen.

Günter Burkhardt, Pro Asyl

„Das Abdrücken der Verantwortung für Schutzsuchende auf die Grenzstaaten ist die Ursache des Boot-für-Boot-Geschacheres“

„Das Abdrücken der Verantwortung für Schutzsuchende auf die Grenzstaaten ist die Ursache des Boot-für-Boot-Geschacheres“, fügte Burckhardt hinzu. Er warnte zugleich vor der Verschiebung des Diskurses nach rechts: „Die dramatischen Bootsbilder heizen die Stimmung an und bieten Rechtsextremen und Rechtspopulisten die Bilder für menschenverachtende Kampagnen. Dieses Handeln Deutschlands spielt den Rechtsextremen in den südlichen Staaten in die Hände. Dabei ist das reale Problem sofort lösbar.“ In Deutschland und anderen EU-Staaten gebe es eine aufnahmebereite Zivilgesellschaft.

13 Seemeilen vor Lampedusa

Pro Asyl erinnerte an die Forderungen von Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, Seenotrettungsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Gewerkschaften und Jugendverbänden für eine Neuausrichtung der deutschen und europäischen Politik vom April. Unter anderem müssten danach aufnahmebereite Mitgliedsstaaten in einem geordneten Verfahren aus Seenot gerettete und in EU-Mittelmeeranrainerstaaten gestrandete Schutzsuchende solidarisch aufnehmen.

Viele deutsche Städte und Kommunen hätten sich bereiterklärt, Geflüchtete aufzunehmen, hieß es. Für sie müsse eine Möglichkeit geschaffen werden, freiwillig zusätzliche Schutzsuchende aufzunehmen. Zudem dürfe es keine Rückführungen nach Libyen geben, wo zurückgebrachte Flüchtlinge systematischer Folter, Versklavung und Gewalt ausgesetzt seien.

Die „Alan Kurdi“ befand sich am Samstagvormittag nach Angaben Islers etwa eine Seemeile vor den italienischen Hoheitsgewässern und rund 13 Seemeilen vor der italienischen Insel Lampedusa. Eine per Mail an die Behörden in Rom und Valletta, der Hauptstadt Maltas, geschickte Bitte um Zuweisung eines sicheren Hafens für die „Alan Kurdi“ sei bis zum Vormittag ohne Antwort geblieben, sagte der Einsatzleiter weiter.

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