piwik no script img

Restaurant KanaanEin kulinarisches Friedensprojekt steht vor dem Aus

Das israelisch-palästinensische Restaurant Kanaan in Prenzlauer Berg gilt als Symbol für Dialog und Zusammenhalt. Nun droht die Schließung.

Co-Eigentümer Oz Ben David mit Dragqueen The Darvish im Sommer 2024 Foto: IMAGO / Emmanuele Contini

Berlin taz | Das israelisch-palästinensische Restaurant Kanaan füllt sich am Montagmittag nach und nach mit Gästen. Das in Prenzlauer Berg ansässige Lokal gilt seit seiner Eröffnung 2015 als Symbol für Dialog und Zusammenhalt. Einige Gäste sind heute auch gekommen, weil sie von der Notlage des Restaurants mitbekommen haben. „So was gibt es sonst nicht in Berlin, stattdessen sind Boykott und Spaltung überall präsent“, sagt eine Gästin.

Ende voriger Woche veröffentlichte das Kanaan einen Hilferuf, es stehe kurz vor der Schließung: „Krieg, wirtschaftliche Unsicherheit und stark zurückgegangene Einnahmen haben uns an einen Punkt gebracht, an dem wir ohne eure Hilfe nicht weitermachen können. Wenn sich in den kommenden zwei Wochen nichts ändert, müssen wir Kanaan schließen“ schreiben die Besitzer auf Instagram. Der Aufruf scheint erste Wirkung zu zeigen: „In den vergangenen Wochen war es wirklich sehr leer. Aber in den letzten Tagen merkt man schon, dass sich etwas ändert“, sagt eine Mitarbeiterin zur taz.

Das israelisch-palästinensische Restaurant ist über Berlin hinaus bekannt, nicht nur für seinen Hummus, sondern vor allem für seinen Einsatz für Dialog zwischen Israelis und Palästinensern. Die beiden Gründer, der israelische Unternehmer Oz Ben David und der palästinensische Koch Jalil Debit, setzten mit der Eröffnung 2015 die mutige Idee eines gelebten Friedensprojektes mitten in Berlin um. Seither engagieren sich die beiden über den Restaurantbetrieb hinaus in sozialen Projekten, zum Beispiel durch Kochkurse für muslimische Frauen oder die Beschäftigung von Geflüchteten.

Ob Dragshows arabischer und jüdischer Künst­le­r*in­nen des Projekts „Yalla Hafla“, Ausstellungen von arabischen und israelischen Kunstwerken mit Dinnertalks oder zuletzt der Solidaritätsabend für den von Abschiebung bedrohten palästinensischen Aktivisten Hamza Howidy: Das Kanaan hat seine Räume immer wieder für Dialogprojekte und solidarische Aktionen geöffnet.

Hoffnung trotz Hass und Polarisierung

Durch das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 und den anschließenden Krieg in Gaza ließen sich die beiden Gründer nicht entmutigen, im Gegenteil. In Zeiten von Trauer, Wut und politischer Spaltung entschieden sie sich, „jetzt erst recht“ weiterzumachen und Menschen zusammenzubringen. Trotzdem wurde das Kanaan seitdem immer wieder zur Projektionsfläche in der Debatte um Israel und Palästina, Vandalismus und Anfeindungen nahmen zu.

So drangen im Juli 2024 Unbekannte in das Lokal ein, zerstörten Möbel und Weinflaschen und hinterließen Hassbotschaften. Vereinfachte Freund-Feind-Logiken, gipfelnd in blindem Hass und Zerstörungswut, sind im Diskurs um Israel und Palästina keine Seltenheit, sondern breiten sich zunehmend aus.

Besonders in den letzten Wochen sei die politische Situation schwierig geworden, extreme Stimmen auf beiden Seiten würden immer lauter, sagt der Besitzer Oz Ben David. „Viele Gäste sind auch erdrückt von den schlechten Nachrichten.“ Dennoch machten sie die Erfahrung, dass das Kanaan ein Ort der Hoffnung ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Gesellschaftliche Brückenbauer haben leider zur Zeit keinen guten Lauf. Wo man hinschaut, wird lieber abgegrenzt, als umworben. Gilt für (fast) alle politischen und gesellschaftlichen „Lager“ und ist ein echtes Armutszeugnis in einem Land mit so einer reichen demokratischen, rechtsstaatlichen Freiheit.

  • Vielleicht kann die so genannte "Palästinasolidarität", die sich permanent kriminalisiert fühlt und eher damit auffällt alles niederzubrüllen, was auch nur ansatzweise mit den israelischen Geiseln oder Juden in Deutschland zu tun hat, hier mal ein positives Zeichen setzen. Oder sind Palästinenser die sich für Frieden einsetzen eher Ziel für Angriffe als Alliierte?

  • Wer ist schuld, das ein kulinarisches Friedensprojekt israelisch-palästinensisches Restaurant (Kanaan) vor dem aus steht?



    Na wer ist Schuld?

    Alle Pro Palästinensischen Demonstranten- Hamas, PIJ Hisbollah Huthi-Miliz Iran_Mullah Regime & co Sympathisanten Islamofaschos und alle Linksorientierten Medien + die ganzen Künstler_innen die diesen Komischen Offen Brief an Merz geschrieben haben allgemein kannste die ganze Kulturszene in die Tonne hauen.

    Wem freut es AfD Rechtsextremisten/Faschisten die lachen sich kaputt weil die sich keine Mühe mehr geben müssen Wählerstimmen zu bekommen.

  • Das ist sehr, sehr bedauerlich.

    Die beste Art aufeinander zuzugehen.

    Samstag vormittags sitze ich im Außenbereich eines jüdischen Cafés, genieße einen hervorragenden Dopio Macciato.

    Behalte dabei die Leute, die vorbeigehen, im Blick. Und stelle mir vor wie es für Juden/Jüdinnen in Deutschland sein muss, ständig mit einer Attacke rechnen zu müssen.

    Alles Gute für Oz Ben David und Jalil Debit! Möge euer Mut, Einsatz und eure Freundlichkeit auf andere, bestmögliche Weise belohnt werden.

  • Leider wohne ich sehr weit von Berlin entfernt, bin auch nicht mobil, sonst würde ich gerne dem "Kanaan" einen Besuch abstatten und die Köstlichkeiten probieren.



    Es geht mir nicht in den Kopf, dass ausgerechnet ein Ort für Dialog und Zusammenhalt mit Anfeindungen und Vandalismus nieder gemacht wird. Es gibt zu viele Menschen, die an tolerantem, friedlichem Miteinander gar kein Interesse haben.

    Ich hoffe auf kluge, mutige Berliner (und Umgebung), die dem Extremismus etwas entgegensetzen wollen. Essen und Trinken ist ein sinnliches Erleben, das hoffentlich im "Kanaan" noch lange geteilt wird.



    Viel Erfolg 🍀