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Resolution des Europäischen ParlamentsGegen die Vertreibung der Maasai

Das Europäische Parlament hat in einer Resolution die Vertreibung von Maasai in Tansania verurteilt. Diese sollen einem Naturschutzgebiet weichen.

Europaparlament stimmt für Resolution gegen die Vertreibung von Maasai in Tansania Foto: Thomas Mukoya/reuters

BERLIN taz | Das Europäische Parlament (EP) hat am Mittwoch in Straßburg eine Resolution gegen die Vertreibung der Maasai aus den Gebieten Ngorongoro und Loliondo in Tansania verabschiedet.

Der Konflikt um die Gebiete begann bereits in den 1950ern, als mit Unterstützung der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt der Serengeti-Nationalpark gegründet und den Maasai der Zugang zu dem Gebiet verwehrt wurde, da sich ihre Rinderzucht nicht mit dem Naturschutz vertrage.

Im Juni 2022 flammte der Konflikt erneut auf, als die tansanische Regierung begann, „eine Fläche von 1.500 Quadratkilometern in Loliondo in ein Wildschutzgebiet zu verwandeln, was zu großflächigen Vertreibungen führte und mehr als 70.000 Menschen des Zugangs zu Weideland beraubte“, wie das EU-Parlament in der Resolution schreibt.

Den Regierungsstreitkräften wird von Maasai-Aktivist*innen brutale Gewalt vorgeworfen. Außerdem sollen die Vertriebenen weder Alternativland noch Entschädigungen erhalten haben. Die Regierung wiederum problematisierte die Landwirtschaft der Maasai, die laut einer Studie um das Zweihundertfache zugenommen haben soll und den Lebensraum der Wildtiere zu stark einschränke.

EU-Parlament fordert Beobachterbesuche in Tansania

In der Resolution fordert das Parlament die Regierung Tansanias „nachdrücklich“ auf, die „gewaltsame Vertreibung der Maasai-Gemeinschaften sofort einzustellen“. Zudem soll die Regierung „alle Schritte unterlassen, die sich negativ auf das Leben, den Lebensunterhalt und die Kultur dieser Gemeinschaften auswirken“ und ihnen eine „sichere Rückkehr garantieren“.

Des Weiteren fordert das Parlament die Regierung in Daressalam auf, „die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften anzuerkennen und zu schützen“ und mit ihnen zusammenzuarbeiten. „Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte“ müssten bei allen Maßnahmen im Zusammenhang mit den Maasai-Gemeinschaften respektiert werden, so das Parlament weiter.

Zudem sollten endlich „Beobachterbesuche der Vereinten Nationen und der Organe der EU“ in Tansania zugelassen werden.

Die Europaabgeordnete Pierrette Herzberger-Fofana (Grüne) sagte in ihrer Rede vor dem Parlament, dass die Maasai „durch willkürliche Umsiedlungen“ von „Sozial- und Gesundheitsdiensten, dem Zugang zu Wasser und Weideflächen abgeschnitten“ und „die Bildung der Kinder beeinträchtigt“ werden. Auch sprach sie von einer „schweren humanitären Krise“, die durch „diese Zwangsräumungen“ verursacht würden.

Außenpolitische Resolutionen des EP sind nicht bindend

Karsten Lucke (SPD) forderte in seiner Rede die tansanische Regierung auf, es sich zum „obersten Gebot“ zu machen, die Maasai „in ihrer Lebensart und Lebensform zu schützen“ und forderte die EU auf, ihren „Beitrag zu leisten“ und in einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ proaktiv mitzuhelfen, die Maasai zu unterstützen.

Resolutionen des Europäischen Parlaments in außenpolitischen Belangen sind in der Regel nicht rechtlich bindend, werden von ausländischen Staaten aber durchaus beachtet, sagte Karsten Lucke der taz. Die sogenannte Dringlichkeitsresolution des EP ging auf die Initiative der französischen Europaabgeordneten Michèle Rivasi (Die Grünen /EFA) zurück, die Ende November unerwartet verstorben war. Eingebracht wurde sie von der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament.

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4 Kommentare

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  • "Die Regierung wiederum problematisierte die Landwirtschaft der Maasai, die laut einer Studie um das Zweihundertfache zugenommen haben soll und den Lebensraum der Wildtiere zu stark einschränke."

    1981 gab es noch 8288 Elefanten im [Ngorongoro] Schutzgebiet, 1987 war ihre Zahl auf 250 gesunken ( de.wikipedia.org/w...zgebiet_Ngorongoro )

    Since 1986, the crater's wildebeest population has fallen from 14,677 to 7,250 (2003-2005). ( en.wikipedia.org/w..._Conservation_Area )

    Eine naturverträgliche Landwirtschaft findet dort schon seit langem nicht mehr statt.

    • @Rudolf Fissner:

      "Die armen Tiere!"

      British colonial policymakers in 1951 removed all Maasai from the Serengeti National Park and relegated them to areas in and around the Ngorongoro Conservation Area (NCA).

      Big-game hunting firms along with the government have long attacked the groups. The 2022 attacks are the latest escalation, which has left more than 150,000 Maasai displaced from the Loliondo and Ngorongoro areas as per the United Nations. A hunting concession already situated in Loliondo is owned by OBC, a company that has been allegedly linked to the significantly wealthy Emirati royal family as per Tanzanian lawyers, environmentalists as well as human rights activists. A 2019 United Nations report described OBC as a luxury-game hunting company "based in the United Arab Emirates" that was granted a hunting license by the Tanzanian government in 1992 permitting "the UAE royal family to organise private hunting trips" in addition to denying the Maasai people access to their ancestral land and water for herding cattle.



      en.wikipedia.org/wiki/Maasai_people

  • Das EU Parlament hat in diesem Bereich überhaupt keine Kompetenzen. Auf welcher Basis ermächtigt sich das Parlament hierzu selbst und wieso wird dies nicht unterbunden?

  • "Das Europäische Parlament hat in einer Resolution die Vertreibung von Maasai in Tansania verurteilt. Diese sollen einem Naturschutzgebiet weichen."

    Das alte Dilemma: Die Menschen werden nicht als Teil der Natur zu dieser gezählt, sondern stehen ihr - meist feindlich - als das andere gegenüber.



    Man muss sich schon auf alte Philosophen besinnen, um das wahrhaftige Verhältnis zu begreifen. So schreibt der junge Schelling:



    "Die Natur schlägt im Menschen ihre Augen auf und erkennt, dass sie da ist."



    Der Mensch steht also nicht abstrakt der Natur gegenüber, die vor ihm geschützt werden muss, sondern ist der bewusste Teil der Natur, der als solcher natürlich die Aufgabe hat, sie zu schützen und zu bewahren.

    Friedrich Engels geht noch einen Schritt weiter, indem er den Menschen nicht als von der Natur geschaffen begreift, sondern als Schöpfung seiner selbst



    ("Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen").



    Solcherart dreht sich die Philosophie im Zeitalter der Klassik vielfach um diese Thematik, z.B. mit dem "Homunkulus".