Resitution aus Wolfenbüttel: Überleben in Büchern
Die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel überprüfte ihre Bestände auf NS-Raubgut und gab nun einige Bände jüdischer Sammler zurück.

Daher war es dringend geboten, im Zuge des von Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekts „NS-Raubgut unter den Zugängen der Herzog August Bibliothek 1933–1969“ in den letzten Jahren auch die dortigen Bestände zu überprüfen.
Und man wurde fündig. So trat ein Band aus der einst 20.000 Bücher fassenden Privatbibliothek des in Bukarest geborenen, seit 1920 in Berlin lebenden jüdischen Schriftstellers und Historikers Valeriu Marcu (1899–1942) zutage. Marcu war 1933 erst nach Frankreich und 1941 weiter in die USA geflohen. Seine zunächst vom NS-Regime beschlagnahmten Bücher wurden zwar bald freigegeben, aber laut Marcu unvollständig.
Und auch diese Restbibliothek musste er bei der Flucht aus Frankreich zurücklassen. Das nun in der HAB aufgefundene Buch hatte man 1987 im britischen Antiquariatshandel erworben. Im Herbst 2024 wurde es an Marcus Tochter restituiert.
Verfolgt trotz Konversion
Ein intensiver Büchersammler war auch der jüdische Wiener Bibliothekar und Kunstsammler Moritz Grünebaum (1873–1941). Obwohl er zum Katholizismus übertrat, wurde er nach dem „Anschluss“ Österreichs ans Deutsche Reich von NS-Regime verfolgt und 1940 zur Zwangsumsiedlung in eine „Sammelwohnung“ gezwungen.
Seine Bestände an Exlibris, Grafiken und Büchern musste er bei der Spedition J. Z. Dworak junior einlagern, gegen den nach dem Krieg wegen Veruntreuung eingelagerter Gegenstände ermittelt wurde.
Auch persönlich ging Moritz Grünebaums Geschichte nicht gut aus: Seine Schwester und Nichte wurden 1942 im belarussischen Vernichtungslager Maly Trostinez ermordet, er selbst starb im Ghetto Theresienstadt. Von Grünebaums Sammlung weiß man nur, dass zwischen 1948 und 1957 einzelne Stücke im Wiener Kunsthandel kursierten.
Das jetzt in der HAB Wolfenbüttel gefundene und gleichfalls an die Erben restituierte Buch – die dreibändige Ausgabe von Friedrich Nicolais „Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker“ (1773–1776) stammte aus dem Nachlass des Komponisten und Hochschullehrers Ernst Pepping (1901–1981).
Schlüsselwerk der Aufklärung
Ihm wird ein ambivalentes Verhältnis zum NS-Regime zugeschrieben. Das Buch selbst ist Friedrich Nicolais (1733–1811) einziger Roman. In satirischem Duktus verwebt der Autor Fiktion und Philosophie; das Buch gilt als Schlüsselwerk der deutschen Aufklärung.
Und eine weitere Restitution ist zu vermelden: Im Dezember 2024 wurde den ErbInnen das Buch „Studien über Goethe“ zurückgegeben. Es gehörte zur Privatbibliothek Benny Mielziners (1853–1926), bis 1925 Vorsteher der Braunschweiger Jüdischen Gemeinde. Mielziners Frau Marie Therese Widmann (1853–1940), und die fünf Kinder waren während der NS-Zeit antisemitischen Repressionen ausgesetzt.
Die ErbInnen beließen das Buch nun als Schenkung in der HAB. Es war Teil der 1987 erworbenen, in Bezug auf NS-Raubgut als kritisch geltenden Sammlung des Literaturwissenschaftlers Hans Pyritz (1905–1958).
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