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Repression in TansaniaVerhaftungswelle statt Staatstrauer

Infolge der blutigen tansanischen Wahlproteste häufen sich Verhaftungen im Land. Nun traf es auch den Vize-Generalsekretär der letzten Oppositionspartei.

In Daressalam werden Gefangene am 7. November von Uniformierten zum Gericht geleitet Foto: Emmanuel Herman/reuters
Simone Schlindwein

Aus Kampala

Simone Schlindwein

Die Verhaftungswelle in Tansania geht weiter; auch rund zehn Tage nach der brutalen Niederschlagung der Proteste rund um die Wahl am 29. Oktober. Am Samstag wurde nun der Vize-Generalsekretär der tansanischen Oppositionspartei Chadema, Amani Golugwa, von Sicherheitskräften abgeführt. Er ist der dritte hochrangige Parteifunktionär der einzigen noch übrigen Oppositionspartei, der mittlerweile in Haft ist. Parteichef Tundu Lissu und dessen Vize John Heche wurden bereits weit vor dem Wahlgang verhaftet und unter anderem wegen Landesverrats angeklagt.

Inzwischen hat auch die Polizei die Verhaftung Golugwas bestätigt. „Die Polizei führt in Zusammenarbeit mit anderen Verteidigungs- und Sicherheitsbehörden eine intensive Fahndung durch, um all diejenigen dingfest zu machen, die diese teuflische Tat geplant, koordiniert und ausgeführt haben“, heißt es in ihrer Erklärung. Erwähnt wird ausdrücklich, dass auch der Generalsekretär, John Mnyika, sowie Parteisprecherin, Brenda Rupia, auf der Fahndungsliste stünden. Die Chadema-Partei hatte zuvor mehrfach in ihren Erklärungen die Wahl als „Schande“ bezeichnet.

Tansanias Präsidentin Samia Suhulu Hassan, die das ostafrikanische Land seit dem Tod ihres Vorgängers durch eine Covid-19-Infektion 2021 regiert, hat laut offizieller Auszählung der Wahlkommission die Wahl mit 98 Prozent der Stimmen gewonnen. Die Chadema-Partei zweifelt das Wahlergebnis an. Auch Wahlbeobachter der Afrikanischen Union (AU) und der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC), der Tansania angehört, haben bemängelt, dass die Stimmabgabe nicht den demokratischen Standards entsprach.

Präsidentin Samia Suhulu Hassan galt einst als erste Frau an der Macht als Hoffnungsträgerin der Region. Von jungen Tansaniern wurde sie oft mit Kanzlerin Angela Merkel verglichen. Doch in den vergangenen Jahren wird ihr Regierungsstil immer autoritärer. Sie reiht sich damit ein in die Gruppe ostafrikanischer Staatschefs wie Yoweri Museveni in Uganda oder Paul Kagame in Ruanda, die seit Jahrzehnten unangefochten an der Macht sind und mit harter Hand regieren.

Proteste getragen von Generation Z

Doch die Bevölkerungen in diesen Ländern werden immer jünger und größer – sie sind mit einer enormen Jugendarbeitslosigkeit und den Folgen des Klimawandels konfrontiert, auf welche die Regierungen keine Antwort haben. Die Jugend verlangt Veränderung und formiert sich unter dem Label Generation Z, unter dem auch in Kenia im Juni und Juli bereits tagelange Proteste organisiert worden waren.

Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan Foto: Patrick Semansky/ap

Tagelang hatten nun auch die Tansanier nach dem Wahlgang am 29. Oktober protestiert. Dabei kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen: Gebäude und Busse wurden in Brand gesetzt, Läden und Supermärkte geplündert. Die Regierung verhängte tagelang eine landesweite Ausgangssperre, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Die Polizei und andere Sicherheitsorgane gingen gewaltsam gegen die Demonstrierenden vor. Laut Angaben von Chadema sowie des tansanischen Anwaltsverbandes wurden bis zu 1.000 Menschen getötet und viele weitere verletzt.

Am Freitag vergangene Woche wurden mehrere Hundert verhaftete Protestler erstmals den Richtern vorgeführt. Allein 240 wurden von einem Gericht in der Wirtschaftsmetropole Daressalam wegen Landesverrat angeklagt – durch Unruhen hätten sie die Wahlen stören wollen, so die Anklageschrift. Auf Landesverrat steht in Tansania die Todesstrafe, auch wenn diese nicht mehr angewandt wird.

In Mwanza, einer Stadt im Norden am Ufer des Victoriasees, wurden am Freitag ebenso 172 Personen wegen bewaffneten Raubüberfalls, Sachbeschädigung, gesetzeswidriger Versammlung und illegaler Proteste angeklagt. Die Staatsanwaltschaft berichtete den Richtern in ihrer Anklage, dass die Personen am 30. Oktober während der Proteste das Gebäude des Stadtrates in Mwanza angegriffen und 13 Plastikstühle gestohlen hätten. Dabei wurde ein Sicherheitsbeamter mit einer Machete bedroht.

Benson Bagonza, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania, kritisiert die harten Maßnahmen der Justiz und Regierung: „Die einzige Möglichkeit für die Regierung, zumindest den relativen Frieden zu wahren, besteht darin, mit dem Volk zu trauern, anstatt Menschen zu verhaften und vor Gericht zu stellen“, sagte er laut tansanischen Medien während einer Messe am Wochenende.

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