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Repression in PakistanPaschtunenbewegung verboten

Die friedliche Paschtunenbewegung PTM fordert seit Jahren vom mächtigen Militär mutig Gerechtigkeit ein. Das greift stattdessen zum Antiterrorgesetz.

Demonstration der Paschtunenbewegung PTM im Juli in Quettta, Belutschistan. Das Transparent zeigt den PTM-Führer Manzoor Pashteen Foto: Newscom/imago

Islamabad taz | Die zivile Schutzbewegung der Paschtunen (PTM – Pashtun Tahafuz Movement) wollte sich an diesem Freitag eigentlich mit Tausenden Anhängern im nordwestpakistanischen Distrikt Khyber zu einer dreitägigen Jirga treffen, einer politischen Stammesversammlung. Doch in den letzten Tagen haben die Behörden nicht nur die Jirga verboten, sondern auch die 2014 gegründete Massenbewegung PTM.

Die Polizei ging inzwischen sogar mit Tränengas und scharfer Munition gegen PTM-Aktivisten am Versammlungsort im Stammesgürtel vor. Vier wurden getötet, Dutzende verletzt.

PTM setzt sich für die Rechte der Paschtunen ein. Die sind mit einem Bevölkerungsanteil von knapp 20 Prozent und damit rund 45 Millionen Menschen die zweitgrößten Ethnie des Landes.

Als soziale Basisbewegung kritisiert PTM mutig die Unterdrückung ethnischer Minderheiten durch das mächtige Militär, das in Pakistan ein Staat im Staate ist. Immer wieder werden paschtunische Aktivisten wie auch die anderer Minderheiten wie etwa Belutschen von Militär und Polizei verschleppt, gefoltert und getötet. Dies wird nie juristisch aufgearbeitet.

Die Medien werden unter Druck gesetzt, nicht über PTM zu berichten. Die Bewegung fordert mit friedlichen Demonstrationen und Großkundgebungen eine Wahrheitskommission und ein Ende des Verschwindenlassens und von extralegalen Hinrichtungen.

Friedlich im Rahmen der Verfassung

Im Kontrast zu den terroristischen Taliban in Pakistan und Afghanistan, die sich auch aus beiden Seiten der Grenze lebenden Paschtunen rekrutieren, agiert PTM friedlich im Rahmen der Verfassung und mobilisiert stark über die sozialen Medien.

PTM sieht dabei die Paschtunen und sich selbst als Terroropfer wie auch als Opfer der Antiterrorgesetze. Die geben dem Militär weitreichende Befugnisse, wobei ihre Anwendung juristisch kaum überprüft werden kann.

Laut dem Anti-Terrorism-Act von 1997 bedarf es für Verbote von Organisationen wie jetzt von PTM keinerlei Beweise. Es reicht, wenn sie von den Sicherheitsorganen als terroristisch deklariert weren.

So begründete Informationsminister Attaullah Tarar das Verbot auch nur damit, dass PTM Beziehungen zu den pakistanischen Taliban wie zu ausländischen Geheimdiensten hätte, zu Gewalt und Hass aufstachele und „eine antipakistanische Rhetorik“ anwende und den Separatismus fördere. Beweise lieferte er nicht.

PTM weist die Vorwürfe zurück und betont seine Friedfertigkeit. Die unabhängige pakistanische Menschenrechtskommission nennt das PTM-Verbot eine „extreme Entscheidung“ und fordert wie auch Amnesty International deren Rücknahme. Die Menschenrechtsorganisation spricht von einem „Affront gegen das Recht auf Versammlungsfreiheit“.

Die zivilgesellschaftliche wie politische Bedeutung von PTM liegt in ihrer Herausforderung des Sicherheitsapparats und ihres Einsatz für marginalisierte Gemeinschaften, die sich für Demokratie, Gerechtigkeit und Menschenrechte einsetzen.

Einsatz einer Wahrheitskommission verlangt

Der erst 29-jährige PTM-Führer Manzoor Pashteen erklärte in Interviews, Militär und Regierung fühlten sich von PTM bedroht, „weil wir unsere Grundrechte auf Frieden in unseren Gebieten einfordern und vom Staat die Bildung einer Wahrheitskommission verlangen, um das Militär für sein brutales Vorgehen in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan zur Rechenschaft zu ziehen.“

„Illegal und verfassungswidrig“ nennt die Menschenrechtsanwältin Iman Mazari das PTM-Verbot: „Eine Bewegung, die seit 2018 immer wieder ihre legitimen Rechte einfordert und nie in irgendeine Art von Gewalt verwickelt war, wird in dieselbe Kategorie wie viele terroristische Organisationen gestellt.“ So werde PTM zu gewaltsamen Aktionen gedrängt, um sich Gehör zu verschaffen.

Auch Samar Bilour von der oppositionellen liberalen Awami Nationalpartei kritisiert gegenüber der taz das Verbot der PTM. Sie lehnt aber auch PTMs Drohung mit einer Abspaltung paschtunischer Gebiete ab, sollten Paschtunenrechte weiter verletzt werden.

Während der britischen Kolonialzeit waren die paschtunischen Siedlungsgebiete 1893 durch die nach einem britischen Diplomaten benannte Durand-Linie getrennt worden. Seitdem leben Paschtunen beidseitig der kaum zu kontrollierenden 2.460 Kilometer langen pakistanisch-afghanischen Grenze.

Trotz Verbots und des Beschusses von Aktivisten will PTM die Jirga weiter abhalten.

Aus dem Englischen von Sven Hansen

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