Durststreik in Ägypten: Welt zittert um Regimekritiker

Solidarität auf der Klimakonferenz in Ägypten: Ein inhaftierter Regimegegner ist in den Durststreik getreten – und droht zu sterben.

Eine Frau mit einem weißen Shirt und der Aufschrift #FreeAlaa geht durche ienn Raum mit vielen Menschen

Protest für den inhaftierten ägyptischen Aktivisten Alaa Abdel-Fattah in Scharm El-Scheich Foto: Nariman El-Moft/ap

BERLIN taz | Seit Beginn der Weltklimakonferenz hat er auch noch das Trinken eingestellt: Seit über 220 Tagen befindet sich der britisch-ägyptische Blogger und Software-Entwickler Alaa Abdel Fattah im Hungerstreik. Der 40-jährige Regierungskritiker und Vater eines Sohnes wurde im Dezember 2021 von einem Staatssicherheitsgericht zu fünf Haft verurteilt, zuvor verbrachte er schon zwei Jahre in Untersuchungshaft. Was ihn für den ägyptischen Staatsapparat zum Verbrecher macht: seine kontinuierliche Kritik an den Machthabenden.

Die Augen der Welt sind durch die Weltklimakonferenz COP27 auf Gastgeber Ägypten gerichtet – und damit auch auf Fälle wie den von Fattah. Insgesamt gibt es nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International bis zu 60.000 politische Gefangene in Ägypten.

Fattah selbst wurde laut der Nachrichtenagentur AFP bereits von jeder einzelnen ägyptischen Regierung der vergangenen zwei Jahrzehnte inhaftiert: erstmals 2006 unter der Herrschaft des Ex-Diktators Hosni Mubarak – den Aufstand gegen ihn im Jahr 2011 prägte er anschließend entscheidend mit.

Dann – nach dem Sturz Mubaraks – unter dem islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi und schließlich mehrfach unter der Militärdiktatur des amtierenden Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi: Ab 2013 saß Fattah bereits eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren ab. Seit dem vergangenen Jahr besitzt der Aktivist, dessen Mutter in London geboren wurde, auch die britische Staatsbürgerschaft.

„Letztes Glas Wasser im Gefängnis getrunken“

„Mein Bruder hat gerade sein letztes Glas Wasser im Gefängnis getrunken“, schrieb Fattahs Schwester Sanaa Seif am Sonntag auf Twitter. „Bitte haltet seine Geschichte am Leben, sie ist noch nicht vorbei. Er kann gerettet werden.“ Seif selbst ist aus London zur Weltklimakonferenz gereist, um dort für die Freilassung ihres Bruders zu kämpfen. Am Dienstag war es dabei schon zu einem Eklat gekommen. Ein regierungsnaher Abgeordneter störte die Veranstaltung. UN-Sicherheitsleute mussten ihn aus dem Saal eskortieren. Seif forderte die insgesamt bis zu 40.000 internationalen Teil­neh­me­r:in­nen der Klimakonferenz auf, einen Beweis zu verlangen, dass ihr Bruder noch lebe.

Wie es Fattah mittlerweile geht, sei unklar, schrieb Mona Seif, eine weitere Schwester Fattahs, am Mittwoch auf Twitter: Ein Brief seiner Mutter sei ihm nicht zugestellt worden. „Bedeutet das, dass er sich in einem Zustand befindet, in dem er keinen Brief erhalten kann? Oder ist er nicht mehr in diesem Gefängnis?“

Es gebe „Gerüchte, wonach er unter Betäubungsmittel stehend zwangsernährt wird“, schrieb Abdel Fattahs Tante, die Schriftstellerin Ahdaf ­Soueif, ebenfalls am Mittwoch auf Twitter.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), aber auch die Regierungen von Großbritannien und Frankreich sowie der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk forderten in den vergangenen Tagen zum Teil mehrfach Fattahs Freilassung.

Webseiten wieder zugänglich

Ein wenig Bewegung scheint es aufseiten des ägyptischen Regimes aber zu geben: Shantha Rau Barriga von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gab am Dienstag bekannt, dass die Webseite der Organisation – ebenso wie die vergleichbarer Gruppen – zum ersten Mal seit ­Jahren wieder der ägyptischen Öffentlichkeit zugänglich seien.

Viele der Klima­schüt­ze­r:in­nen, die auf dem Klimagipfel als zivilgesellschaftliche Be­ob­ach­te­r:in­nen registriert sind, solidarisieren sich mit Fattah. „Wir rufen die UN und die COP27-Präsidentschaft dazu auf, alles zu tun, um sicherzustellen, dass Alaa Abdel Fattah freikommt und nicht stirbt“, sagte etwa Christoph Bals von der Organisation Germanwatch.

Er kritisierte auch, dass die ägyptische Regierung die Zivilgesellschaft auf der Konferenz einschränke. Viele ägyptische Organisationen seien gar nicht erst zugelassen worden.

Es gebe zudem „konkrete Hinweise“, dass die offizielle COP27-App aufgrund weitreichender Zugriffsrechte auf Nut­ze­r:in­nen­da­ten zur Überwachung missbraucht werden könne. Bei der Anreise hätten etliche Teilnehmer:innen, auch von Germanwatch, zudem vor plötzlichen Stornierungen und massiven Aufpreisen der Hotels gestanden. Die Branche macht dafür Vorgaben staatlicher Stellen verantwortlich.

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