Repression gegen Presse in Belarus: Letzter Ausweg Hungerstreik
Seit Beginn der Proteste in Belarus wurden Journalist*innen verhaftet, zahlreiche sitzen im Gefängnis. Einer von ihnen ist Igor Losik.
Vielleicht hat diese Entscheidung Igor Losik das Leben gerettet: Anfang der Woche kündigte der inhaftierte belarussische Blogger an, seinen Hungerstreik zu beenden. „Ich tue dies auf eigenen Wunsch. Mich hat diese unglaubliche Welle von Solidarität übermannt. Und die Bitten hunderter und tausender Belarussen, aufzuhören und gesund auf unser aller Sieg zu warten“, heißt es in einer Erklärung des 28-jährigen, die das Nachrichteportal reform.by veröffentlichte.
Wenige Tage zuvor hatten zwei Medizinistudentinnen aus Solidarität mit Losik beschlossen, ebenfalls die Nahrungsaufnahme einzustellen. Auch zwei orthodoxe Priester setzten sich für den Gefangenen ein und boten an, für ihn zu bürgen.
Losik, der den Telegram-Kanal „Belarus mit Hirn“ betrieben und als Medienberater für den belarussischen Dienst von Radio Free Europe gearbeitet hatte, war bereits am 25. Juni 2020 festgenommen worden. Organisation von Gruppenaktivitäten, Verstoß gegen die öffentliche Ordnung sowie Ungehorsam gegen Anordnungen von Vertretern der Staatsmacht lauteten die Vorwürfe.
Darauf stehen bis zu drei Jahre Haft. Jedoch konnte zum damaligen Zeitpunkt von sogenannten Gruppenaktivitäten noch keine Rede sein. Diese begannen bekanntermaßen erst nach der Präsidentenwahl am 9. August 2020, die Staatschef Alexander Lukaschenko mit über 80 Prozent der Stimmen gewonnen haben will.
Gegen die eigenen Kollegen
Am 25. Dezember und damit kurz vor Ablauf der Frist für seine Untersuchungshaft wurden neue Anschuldigungen gegen Losik erhoben: Vorbereitung zur Teilnahme an Massenunruhen, hieß es diesmal, was eine Verlängerung der U-Haft bis zum 25. März sowie im Falle einer Verurteilung acht Jahre Freiheitsentzug bedeutet. Daraufhin trat Losik in einen Hungerstreik. Erst in der vergangenen Woche hatten mehrere unabhängige belarussische Nachrichtenportale berichtet, dass Losik, der im Minsker Gefängnis „Okrestina“ einsitzt, einmal rund um die Uhr von Videokameras überwacht werde.
Der junge Mann aus Baranawitschi ist nicht der einzige Medienmacher, der derzeit in Haft ist. Laut Angaben der unabhängigen belarussischen Journalistengewerkschaft (BAJ) erfolgten 2020 mehr als 470 Festnahmen unabhängiger Journalist*innen, gegen 97 von ihnen wurden Arreststrafen verhängt. 50 Webseiten wurden blockiert. Aktuell sitzen zehn Journalist*innen sowie acht Blogger im Gefängnis. Die Gesamtzahl politischer Gefangener beziffert die belarussische Menschenrechtsorganisation Vjasna (Frühling) derzeit mit 189.
Doch so unerbittlich der Staat gegen kritische Medienmacher*innen vorgeht, so sehr hofiert er die ihm treu Ergebenen. Am 11. Januar 2021 unterzeichnete Präsident Alexander Lukaschenko eine Verordnung über Auszeichnungen für Journalist*innen staatlicher Medien für „ihre Professionalität und ihren persönlichen Beitrag zur Entwicklung der staatlichen Informationspolitik sowie des nationalen Journalismus“, wie es offiziell hieß.
Einer der Geehrten ist der 25-jährige Fernsehjournalist Grigori Asarenko. Er steht beim Staatssender STW auf der Gehaltsrolle und verunglimpft seine unabhängigen Kollegen gerne als „ausländische Agenten“. Er darf sich fortan mit dem „Orden für Tapferkeit“ schmücken – eine Auszeichnung, die in der Regel Angehörigen der Armee oder Mitarbeitern von Organen für innere Sicherheit vorbehalten ist.
Die Journalistin Ekaterina Andreewa, die seit dem 15. November 2020 hinter Gittern sitzt und ebenfalls zur Zielscheibe von Asarenkos Verunglimpfungen wurde, ließ diesem über ihren Anwalt ausrichten, dass sie ihm ihr Beileid ausspreche. „Ich werde früher oder später aus dem Gefängnis kommen. Aber er wird sein ganzes Leben an dieser Last zu tragen haben.“
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