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Reporter über verdeckte RechercheGeschäftsmodell Klimaleugnung

Das Netzwerk Correctiv zeigt, wie die US-Organisation Heartland Klima-Propaganda verbreitet. Verbindungen reichen bis nach Deutschland.

Klimawandelbedingtes Hochwasser? Da hilft nur noch Anschieben Foto: Karsten Thielker

taz: Frau Huth, Herr Peters, Sie haben verdeckt recherchiert, wie Netzwerke von Klimawandelleugnern organisiert sind, speziell, wie sich die US-amerikanische Lobbyorganisation Heartland finanziert, strategisch Desinformationen verbreitet und auch in Deutschland ihre Finger im Spiel hat. Was genau haben Sie herausgefunden?

Jean Peters: Wir konnten zeigen, dass die internationalen Klimawandelleugner bereit wären, Spenden von deutschen Unternehmen aus der Automobilindustrie oder der Energiewirtschaft zu verschleiern, dafür auf die deutsche Politik Einfluss zu nehmen und gezielt mit manipulativen Methoden Falschinformationen zu verbreiten. Außerdem gibt es über Heartland eine Verbindung zum deutschen, ebenfalls als Klimaleugner-Verein bekannten Eike-Institut bis hin in den Deutschen Bundestag zur AfD.

Woran machen Sie das fest?

Die ganze Geschichte

wird am Dienstag, den 4. Februar 2020 um 21:00 Uhr in der Sendung Frontal 21 im ZDF ausgestrahlt. Außerdem ist sie auf der Website von Correctiv veröffentlicht.

Katarina Huth: Das Herzstück unserer Recherche ist ein schriftliches Angebot von Heartland, in dem sie uns gegen Bezahlung ganz konkrete Maßnahmen zur Verbreitung von Desinformationen zu Klimathemen anbieten. Da steht beispielsweise drin, dass sie von selbsternannten Experten und ehemaligen Beratern des Weißen Hauses wissenschaftlich wirkende Fake-News-Artikel, sogenannte In-depth Policy Papers, lancieren, in einer Livestream-Konferenz deutsche Umweltprobleme „diskutieren“ oder klimawandelleugnende Thesen über eine junge AfD-nahe YouTuberin verbreiten lassen können.

Wie sind Sie vorgegangen, um an diese Informationen heranzukommen?

Bild: privat
Jean Peters

ist Reporter des Recherchezentrums Correctiv und freier Mitarbeiter desselben.

Katarina Huth: Unsere Coverstory war, dass wir von einer strategischen PR-Firma mit Sitz in Berlin seien und für einen Kunden aus der deutschen Automobilindustrie 500.000 Euro in eine entsprechende Kampagne anonym investieren wollen. Wir haben eine Website gebaut, Visitenkarten gedruckt und uns Zweithandys angeschafft. Eigentlich wollten wir in unseren Rollen das Geld an das Eike-Institut spenden, von dem bekannt ist, dass einige Mitglieder für die AfD arbeiten. Aber James Taylor, Chefstratege bei Heartland, das sehr eng mit dem Eike-Institut verbandelt ist, wollte uns überreden, es lieber direkt an sie zu geben. Pikanterweise saß ein Kollege vom Eike-Institut an einem Tisch nebenan – es war für uns erstaunlich, dass selbst Kollegen einer so eingeschworenen Szene sich offenbar auch gegenseitig hintergehen.

Wo fand dieses Gespräch statt, und wie verlief es?

Bild: Ivo Mayr
Katarina Huth

ist Reporterin des Recherchezentrums Correctiv und Teil von dessen Klimaredaktion.

Jean Peters: Das war im Herbst bei der Heartland-Konferenz in Madrid, die sich als „Gegengipfel“ zur COP25 versteht. Wir waren schon zuvor bei einem Eike-Treffen in München, wo wir auch Mitglieder von Heartland kennengelernt haben. Ein gewisses Vertrauen war bei diesem Wiedersehen also schon da. Auf unsere Nachfrage, wie wir die Spende verschleiern könnten, nannte Taylor ohne Umschweife den Donors Trust in den USA. Unsere Recherchen zeigen, dass der immer mehr Gelder aus der Militär-, Kohle-, Gas-, und Ölindustrie an Heartland weiterzuleiten scheint.

Damit hat er bestätigt, was schon länger vermutet wird.

Katarina Huth: Dass klimawandelleugnende Institutionen in den USA sich von der fossilen Industrie finanzieren lassen, lässt sich teilweise recht einfach rekonstruieren, weil in den USA anders als in Deutschland Spender veröffentlicht werden müssen. Der Donors Trust ist eine Organisation, die Spendenquellen verschleiert. Das Geld kommt von Exxon Mobil, der Bradley Foundation, den Koch Brothers oder auch der Mercer Stiftung, die die Trump-Kampagne gemeinsam mit Cambridge Analytica finanziert hat. Also alles Leute aus dem libertären Spektrum, die Interesse an fossiler Energienutzung und libertären und rechten Strömungen haben. Die offiziellen Spendensummen nehmen in den letzten Jahren ab, während die über den Donors Trust kommenden Gelder zunehmen – 2018 zahlte der 2,8 Millionen US-Dollar an Heartland. Taylor hat uns übrigens auch bestätigt, dass Spenden fürs Klimawandelleugnen in den letzten Jahren stark zunehmen und inzwischen zwei Drittel bis drei Viertel des Budgets von etwa 6 Millionen Dollar jährlich ausmachen. Früher hat Heartland, übrigens bei weitem nicht die einzige oder größte Institution ihrer Art in den USA, aber die aggressivste, vor allem durch Desinformationskampagnen für Tabakkonzerne wie Philip Morris verdient. Heute lohnt sich offenbar das Business mit Klima-Fake-News.

Jean Peters: Außerdem hat Taylor genau erklärt, wie sie Fake News machen. Sie achten beispielsweise genau darauf, wen sie zitieren, und schreiben Artikel so, „als wäre es für die New York Times oder andere linke Zeitschriften“. Der Trick dabei ist, dass Meinungsbeiträge nicht als solche zu erkennen sind, sondern nachrichtlich verfasst sind. Selbst wenn kritische Leser sehen, dass ein Text vom Heartland Institute kommt, hört sich das faktisch an, erklärte er uns. Solche Veröffentlichungen von gekauften Wissenschaftlern, darunter auch selbst erstellte Wählerumfragen, die er uns auch für Deutschland anbot, werden dann an Politiker und andere Policy Makers verschickt. Konkret wurde uns beispielsweise ein Artikel von John Dunn und Steven Milloy angeboten, in dem Dieselabgase und Kohlekraftwerke als gesundheitlich und ökologisch unproblematisch präsentiert werden sollen. So einen tiefen Einblick in die Maschinerie der Klimaleugner haben wir noch nie bekommen können.

Und junge Leute sollen solche Thesen über YouTube erreichen?

Katarina Huth: Ja, das ist eine neue Zielgruppe. Diese AfD-nahe YouTube-Meinungsmacherin ist 19 Jahre alt, und in dem schriftlichen Angebot ist ein Budgetposten für sie aufgeführt. Das Angebot war, dass sie eine „Serie von lebendigen und überzeugenden Videos“ für uns macht. Wir haben Taylor gefragt, ob wir auch die Texte für sie schreiben können – er versprach, dass wir ohne Probleme Schlüsselwörter und eine Richtung vorgeben können.

Es wirkt fast naiv, wie sie alles einfach zugesagt haben.

Katarina Huth: Ja, das ist wirklich absurd. Auf unserer fingierten Website waren fünf verschiedene Schriftarten, die Coverstory ist unter großem Zeitdruck entstanden. Wir können uns das nur dadurch erklären, dass sie scharf auf das Geld waren.

Jean Peters: Es ist ja andererseits auch beruhigend, dass sie offenbar nicht so professionell aufgestellt sind. Auf jeden Fall zeigt diese Selbstverständlichkeit auch, dass es ein ganz normales Business ist – Taylor sagte wörtlich, dass sie für ganz viele Spender Themen setzen.

Glauben die wirklich, dass der Klimawandel nicht existiert, oder steckt eher wirtschaftliches Interesse dahinter?

Katarina Huth: Das lässt sich kaum beantworten, aber bei Taylor schien es eher ein Business zu sein. Aber gerade bei der Eike-Konferenz in München hatten wir den Eindruck, dass viele der fast ausnahmslos älteren Männer aus Ängsten heraus das wirklich glaubten. Und es ist auch nicht nur schwarz-weiß und aus bösen Motiven, einige kommen vielleicht aus der Industrie und sehen ihr ganzes Lebenswerk durch die Forderungen der Klimabewegung bedroht, da kann man als empathischer Mensch auch mitfühlen. Und unterschiedliche Meinungen gehören natürlich zur politischen Diversität und einer funktionierenden Demokratie dazu. Doch Fake News werden spätestens dann gefährlich, wenn sie auf Bundesebene politischen Einfluss gewinnen.

War die verdeckte Recherche schwierig, gar gefährlich?

Katarina Huth: Anfangs war es fast unterhaltsam, und es kamen kaum kritische Fragen, wobei ich als Frau es schwer hatte, überhaupt ernst genommen zu werden. In Madrid wurde es dann schon schwieriger, ein paar Mal wären wir fast aufgeflogen. Schlucken mussten wir auch, als beim Abendessen von allen am Tisch der Holocaust relativiert wurde oder Frauen generell als „zu emotional“ diffamiert wurden.

Haben Sie jetzt Angst vor persönlichen Anfeindungen?

Jean Peters: Das ist fast schon normal bei solchen Themen. In Deutschland muss man da inzwischen leider mit Vergewaltigungs- beziehungsweise Morddrohungen rechnen. Wir schützen uns davor so gut wie möglich und müssen es ansonsten in Kauf nehmen dafür, dass jetzt belegt ist, wie diese Institutionen Spenden verschleiern und die Maschinerie der Klimaleugnerindustrie bis nach Deutschland reicht.

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