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Reportage über coole RechteEingeweihte unter sich

Die Reportage im „Zeit-Magazin“ liest sich, als habe Gramsci das Drehbuch geschrieben. Die Rechte strebt nach Hegemonie durch ehemals linke Praktiken.

Dunkle Aussichten: In Manhattan hat sich eine Trump-affine Kulturszene gebildet Foto: Anthony Devlin/getty images

D ieser Tage erschien im Zeit-Magazin eine verstörende Reportage über eine neue Kulturszene. Ausgerechnet in Manhattan habe sich eine junge, Trump-affine „Boheme“ gebildet – konnte man da erfahren. Wie konnte das geschehen?

„Wie wurde rechts cool?“, fragt die Autorin. Es mag ein erstaunliches Genre sein, eine Reportage zu kommentieren. Aber was hier über viele Seiten beschrieben wird, liest sich. als ob Antonio Gramsci das Drehbuch dazu geschrieben hätte.

Für den kommunistischen Theoretiker bedeutet Hegemonie – also ideologische Vorherrschaft – nicht einfach Dominanz durch Inhalte, Überzeugungen, Weltanschauungen. Hegemonie muss vielmehr ganz materiell errungen werden: in Institutionen. Durch ein bestimmtes Personal. Mit spezifischen kulturellen Praktiken.

Die neuen Kultur-Trumpisten folgen dem in allen Punkten. Als sei es ihre Anleitung. Sie haben ihre eigenen Institutionen und Medien entwickelt. Diese reichen von klassischen Formen wie Texten, Literatur, Theaterstücken und den entsprechenden Institutionen wie Verlage, Zeitungen bis hin zu neuen Formen wie Podcasts und Filmfestivals. All das bildet das Grundgerüst einer hippen rechten Gegenkultur von jungen Trump-Aficionados.

Schicke Leute

Hier, beim Personal dieser Kulturszene, liegt die vielleicht größte Merkwürdigkeit. Dieses rekrutiert sich nicht aus den Abgehängten, den Arbeitslosen, der verlassenen weißen Arbeiterklasse, nicht aus jenen, die Hillary Clinton einst so denunzierend als deplorables bezeichnet hatte. Es ist also nicht die erwartete MAGA-Basis, die sich hier versammelt.

In Manhattan formieren sich vielmehr schicke Leute – junge Schriftsteller, Künstler – zu dem, was eine doch unerwartete intellektuelle Gegenkultur ist. Das Erstaunliche daran ist, dass sie sich auch als solche verstehen wollen. Rechts ist für sie nicht gleichbedeutend mit Antiintellektualismus.

Und wie immer in solchen Szenen gibt es auch hier zentrale Figuren, die ebendarum im Zentrum stehen, weil sie die dazugehörenden Mythen verkörpern. In dem Fall etwa der Blogger Curtis Yarvin, Proponent einer „dunklen Aufklärung“.

Die Praktiken dieser Szene lassen sich an vier Verben festmachen: schreiben, lesen, reden, tanzen. Etwa bei DOGE-Partys. Bei alledem geht es darum, sich gemeinsam als rebellisch zu erleben. Dazu dienen alle möglichen Strategien. Etwa die Orte für Veranstaltungen geheim zu halten – so dass sich dort nur Eingeweihte treffen. Vor allem aber das alterprobte Mittel des Tabubruchs.

Dieser reicht von der verpönten Zigarette – hier raucht man wieder – bis zur inhaltlichen Provokation. In diesem Fall bedeutet das: Man verständigt sich aufs Anti-Woke, aufs inkorrekte Sprechen, auf die Ablehnung von MeToo oder auf einen „ehrlichen“ Rassismus.

Konzepte der Subkultur

All das befestigt eine Szene, ein Milieu, bildet eine Gegen-Gemeinschaft gegen die vorherrschende Kultur. (Auch wenn das rebellische Moment angesichts von Trumps Wahlsieg nunmehr fraglich wird und etwas ins Stocken gerät.) All das ist aber ein Déjà-vu. Von den großen Strategien bis hin zu den kleinen Verhaltensweisen – von der Schaffung einer Gegenöffentlichkeit bis zur lässigen Zigarette im Mundwinkel. All das wurde schon gesehen. Zu einem anderen Zeitpunkt – in ganz anderen Kontexten. Nämlich 1968.

Was man hier wieder sieht, sind ehemals linke Strategien, linke Rebellionsformen, die genau zu dem geworden sind – zu reinen Formen. Nunmehr dienen diese Formen einem Aufbegehren gegen links. Nunmehr werden sie mit rechten Inhalten aufgefüllt. Das Konzept der Subkultur ebenso wie das der Coolness wird beibehalten. Sie lassen sich nahtlos übernehmen. Grenzüberschreitungen und Regelbrüche funktionieren auch von rechts.

All das, was einmal linke Politik­kultur war, wird beliebig anwendbar. Man könnte auch sagen: Es wird zur Pose. Nichts zeigt den rechten Hegemonievorsprung deutlicher als diese kulturell-politische Aneignung: Trumpismus als Weltgefühl. Als hipper Lifestyle.

Und so war es gewissermaßen folgerichtig, wo diese Reprotage erschienen ist: im Zeit-Magazin für Lebensart.

Die Autorin ist Publizistin in Wien.

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9 Kommentare

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  • Das Interessante ist für mich, dass das Konzept der "Kulturellen Hegemonie" aus Gramscis Gefängnisheften für die Linke in der Folge von 68 KULTURELL unglaublich erfolgreich war.

    Wäre ich rechts, dann würden mich Diversität, Inklusion und Frauenrechte wohl auch nerven. Dann liegt es ja nahe, das Erfolgsrezept im Kampf dagegen zu kopieren.

    Die 68er-Bewegung hat sicher auch materielle Verbesserungen gebracht, aber bei weitem nicht die wirtschaftlichen Machtverhältnisse westlicher Gesellschaften erschüttert.

    Im Gegenteil: Der Neoliberalismus verstand es wunderbar, die gesellschaftliche Liberalisierung zu integrieren und zu nutzen. Manche 68er, wie Joschka Fischer, wurden vorbildliche Neoliberale.

    Mit der neuen rechten Strömung wird es nicht anders laufen.

    Und wer wirklich auf eine Verbesserung der materiellen Gegebenheiten hofft, wird auch von ihnen enttäuscht werden.

    Fazit: It's the economy, stupid.

  • Ich habe den Artikel auch gelesen. Was ich in diesem Text vermisse ist die Rolle von Frauen (insb. der zwei berühmten Podcasterinnen), die innerhalb des Artikels des Zeit-Magazins eine viel größere Rolle einnehmen, als diese Entwicklung nur auf Yarvin zu reduzieren. Ich halte das für wichtig, weil sie die verbreitete Perspektive unterlaufen, an der Stärkung und Stütze patriarchaler Strukturen wären nur Männer beteiligt. Hier spielen aber reichweitenstarke Podcasterinnen, Künstlerinnen etc. eine ebenso wichtige Rolle.

  • Sebastian Moll , , USA Korrespondent

    Darf ich mal ganz eitel darauf hinweisen, dass ich über diesen "Trend" vor zwei Jahren in dieser Zeitung berichtet habe



    taz.de/Hippe-Neore...ork-City/!5939891/

    • @Sebastian Moll:

      Danke dafür, der ist ja tausend mal besser als der Artikel in der Zeit.

  • Jetzt schon der zweiten Artikel zu einer Geschichte im ZEIT Magazin. Irgendwie ein seltsamer Aufhänger.

    Dabei ist das Phänomen ja nicht uninteressant, die taz hat es doch schon selbst erlebt, als Identitäre dort "zivilen Ungehorsam" kopierten.

  • Wenn man sich selbst als Intellektuellen bezeichnet oder darauf pocht, andere mögen dies tun, wird alles zur Pose.



    Wenn man dann schon durch eine Zigarette zum Provokateur wird es albern.



    Was soll diese Bewegung für eine Auswirkung haben? Die, dass alle Orientierungslosen hinterherhecheln, wie sie das bei jeder Mode tun?

  • Mich erstaunt, dass die Autorin ernsthaft erstaunt ist. Warum sollte rechts gleich antiintellektuell sein? Genau wie auf der Linken gab es auch auf der Rechten schon immer intellektuelle Vordenker. Warum die Rechten in den Augen nicht weniger, auch nicht abgehängter und intellektueller Menschen in der Wahrnehmung cooler geworden sind, hat auch mit linker Uncoolness und nicht zuletzt mit dem immense Erfolg linker Bewegungen wie den 68er zu tun: Sie haben ohne jede Frage die Gesellschaft offener und inklusive gemacht, wurden aber gleichzeitig durch ihren Erfolg zum diskursbestimmenden Mainstream. Coolness wächst schon immer aus dem provokanten „dagegen“; womit will man eine Generation provozieren die noch für alles Verständnis hat? Am ehesten mit dem Bekenntnis zum Unverständnis bzw. dem ehrlichen Rassismus von dem die Autorin sprach.

    • @Fran Zose:

      Ich glaube, dass mit "Antiintellektualismus" im Artikel gemeint war, dass die Konservativen in den USA im Gegensatz zu Europa eher zum Misstrauen gegen Intellektuelle tendieren.

      Eine ähnliche Tendenz gab es z.B. auch im Spanien unter Franco.

    • @Fran Zose:

      Man kann es sogar anders sagen: sobald eine Seite "Mainstream" ist, braucht es oft mehr intellektuelle Anstrengung, sich dagegen zu stellen. In manchen Medien bin ich erschüttert, auf welchem Niveau "linke" Argumentation stattfindet, da muss man nur "Cum-Ex" oder "Amazon" schreiben, um Einbrecher oder Drogenhändler zu verteidigen und die Zustimmung ist immens....