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Report zu KernenergieAtomstrom weltweit auf dem Rückzug

Der Anteil von Kernenergie am globalen Strommix sank im vergangenen Jahr auf 9,2 Prozent. Die Investitionen fließen derweil in andere Energiequellen.

In Frankreich sank die erzeugte Menge an Atomstrom im Jahr 2022 ­unter das Niveau von 1990 Foto: Sarah Meyssonnier/reuters

Freiburg taz | Die weltweite Erzeugung von Atomstrom ist im Jahr 2022 um 4 Prozent auf 2.546 Milliarden Kilowattstunden (Terawattstunden, TWh) gefallen. Damit hatte die Kernspaltung nur noch einen Anteil von 9,2 Prozent am globalen Strommix – der niedrigste Wert seit 40 Jahren. Photovoltaik und Windkraft kamen im ­selben Zeitraum auf einen Anteil von 11,7 Prozent.

Diese Zahlen stammen aus dem World Nuclear Industry Status Report 2023, den der in Paris ansässige Atomenergieberater Mycle Schneider am Mittwoch zusammen mit seinem internationalen Team vorstellte. Die in diesem Jahr 549 Seiten umfassende Datensammlung ist das ausführlichste einschlägige Dokument, das jährlich publiziert wird. Finanziell unterstützt wird der Report von wechselnden Sponsoren, wie Stiftungen und Unternehmen oder Verbänden der Ökostromwirtschaft, aber auch aus öffentlichen Mitteln.

Die einzelnen Länder werden darin akribisch analysiert. In Frankreich sank die erzeugte Menge an Atomstrom im Jahr 2022 ­unter das Niveau von 1990. Nachdem das Land im Jahr 2005 seinen Spitzenwert mit mehr als 430 TWh Atomstrom erreicht hatte, kam es 2022 wegen zahlloser Kraftwerksausfälle nur noch auf 279 TWh.

Der schlechte Zustand der Reaktoren treibt den Atomkonzern EDF immer weiter in die roten Zahlen. Angesichts seiner Nettoverschuldung von 70 Milliarden US-­Dollar musste der Konzern komplett ver­staatlicht werden, um einen Bankrott abzuwenden.

In Großbritannien ist unterdessen die Zahl der Reaktoren weiter auf nur noch 9 gesunken – das sind abermals 2 weniger als noch vor einem Jahr. Mit inzwischen 36 abgeschalteten Atommeilern steht das Land international auf Platz zwei hinter den Vereinigten Staaten (41 stillgelegte Blöcke) und noch vor Deutschland (33 Blöcke). Weltweit wurden in den vergangenen Jahrzehnten schon 212 Leistungsreaktoren stillgelegt, doch erst 11 Standorte sind so weit zurückgebaut, dass sie aus der atomrechtlichen Aufsicht entlassen werden konnten.

Erneuerbare haben Atomkraft überholt

Längst wird weltweit erheblich mehr in erneuerbare Energien investiert als in die Atomkraft. Im Jahr 2022 hätten die Investitionen in erneuerbare Stromkapazitäten (ohne die Wasserkraft) einen neuen Rekord von 495 Milliarden US-Dollar erreicht, so der Report. Das sei das 14-Fache dessen, was in den Bau von Atomreaktoren floss.

In China habe die Photovoltaik im Jahr 2022 mit 423 TWh erstmals die Atomkraft (397 TWh) überholt. In der EU übertrafen Sonne und Wind mit zusammen 624 TWh nicht nur erstmals die Atomkraft (613 TWh), sondern auch die Stromerzeugung aus Erdgas (557 TWh) und Kohle (447 TWh).

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5 Kommentare

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  • Na siehste! Jeht doch! Wattse immer alle hamm mit ihrm rumjemeckere übern Atomausstiech! Datt is ehn Selbstläufa! Zu teua datt Zeuch und vorde Haustüre willstet och nich habn!

  • Der geringe Anteil von Atomstrom weltweit ist keine Neuigkeit und nicht weiter verwunderlich weil 1990-2010 nach Tschernobyl kaum noch neu gebaut wurde. Das Thema Klimaschutz war bekannt aber nicht wichtig, so dass die fossile Stromproduktion als das kleinere Übel erschien.

    Zumindest außerhalb Deutschlands hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt dass fossile Stromerzeugung beendet werden muss, Wind+Sonne den fossilen Anteil zwar ein wenig reduzieren helfen, es aber ohne massiven Ausbau der Kernenergie keinen Ausstieg aus der fossilen Stromerzeugung geben wird.

  • Das sind wirklich gute Nachrichten!



    Danke für diesen erfreulichen Bericht in unerfreulichen Zeiten.



    Es ist gut, zu sehen, dass sich Vernunft allmählich durchsetzt.



    Natürlich trägt die Tatsache, dass sich Wind- und Sonnenergie im Gegensatz zu Atomstrom in absehbarer Zeit rechnen, zum Erfolg der Regenertiven bei.



    Das mag für China der entscheidende Grund sein, doch wichtig ist das Ergebnis, das Hoffnung macht.

  • Alles recht und schön. Bitte mal eine Auflistung der größten 10 Industrieländer und dann wieviel Gigawatt (nicht GWh) die AKWs dort leisten. Das China im Ausbau von Photovoltaik vorne liegt und auch bei Windkraft ist klar. Aber, gerade China baut und plant zig Atomkraftwerke und hunderte (!) Kohlekraftwerke weil sie eben immer Strom benötigen. Wind- und Sonnenkraft kann immer nur unterstützend wirken.

    • @Der Cleo Patra:

      Hinzu kommt ja noch, das vor wenigen Tagen 22 Nationen ihre Absicht bekundet haben, die Atomstromkapazität zu verdreifachen und zu den Unterzeichnern gehörten noch nicht einmal Länder wie China, die auch ohne dieser Absichtserklärung noch neue Atomkraftwerke bauen werden