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Rentenpolitik in DeutschlandDie Besten sterben sowieso zu früh

Die Rente mit 63 wird von der CDU heftig kritisiert. Bis zu 50 Abgeordnete könnten gegen den Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles abstimmen.

Wird eine Flut von Rentnern zukünftig Deutschland überrollen? Bild: dpa

BERLIN dpa | Die Entwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) für eine Rente mit 63 steht beim Koalitionspartner Union unvermindert in der Kritik. CDU-Vize Thomas Strobl drohte am Wochenende damit, das Projekt zu torpedieren.

„Wenn die Rente mit 63 missbraucht wird, um eine Welle von Frühverrentungen zu ermöglichen, dann können wir nicht zustimmen“, sagte Strobl der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS). Es sei zudem verabredet worden, dass nur bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit auf die erforderlichen 45 Beitragsjahre angerechnet werden dürfen.

Die schwarz-rote Bundesregierung will es Versicherten mit 45 Beitragsjahren ermöglichen, mit 63 Jahren ohne finanzielle Abschläge in Rente zu gehen. Nahles rechnet dadurch mit 50 000 zusätzlichen Frührentnern. Dies sei eine Größenordnung, die Deutschland als reiches Land gut verkraften könne, sagte sie Anfang März.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sieht denn auch keinen Bedarf für Änderungen: „Ich gehe davon aus, dass der Gesetzentwurf von Andrea Nahles zur Rente mit 63 im wesentlichen unverändert im Bundestag angenommen wird“, sagte sie der FAS. Die Bevölkerung sei dafür.

Der Wirtschaftsflügel der Union machte aber weiter Druck. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, kritisierte im Focus, im Gesamt-Rentenpaket fehlten bislang Anreize, freiwillig länger zu arbeiten.

Die Rente mit 70 ist auch eine Überlegung

Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, Christian von Stetten, beteuerte in dem Magazin Vertragstreue. „Aber der Generationenvertrag steht über dem Koalitionsvertrag.“

Seit Wochen gibt es in der Unionsfraktion Bestrebungen, dass der Bundestag über die einzelnen Teile des Rentenpakts - Rente mit 63, Mütterrente, Erwerbsminderungsrente - getrennt abstimmt.

Nach einem Spiegel-Bericht von Anfang Februar gab es dafür auch Unterstützung bei den Grünen. Dann könnten etwa 50 Unionsabgeordnete gegen die Rente mit 63 stimmen, hieß es damals. Auch die FAS nannte jetzt wieder diese Zahl.

Wirtschaftsverbände fürchten von der Rente mit 63 eine Verschärfung des Fachkräftemangels. Der Präsident des Verbands der Familienunternehmer, Lutz Goebel, monierte im Focus: „Wir verlieren die besten Leute. Das ist vor dem Hintergrund unserer Demografie schlichtweg Wahnsinn.“

Der Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Klaus Zimmermann, sagte: „Wer nicht unbezahlbar hohe Beiträge oder drastisch gekürzte Renten will, muss das Volk auf das einzige Mittel einschwören, das wirklich hilft. Und das ist eher die Rente mit 70.“

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2 Kommentare

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  • Diese Rente mit 63 für Menschen mit 40 bis 45 Beitragsjahren ist das Lächerlichste, was es gibt.

     

    50000 von 80000000 werden also davon profitieren. Klasse! Und wer ist das?

    Diejenigen, die in staatsgleichen Betrieben wie Daimler, Thyssen, Krupp etc gearbeitet haben und sowieso eine fette Rente zu erwarten hätten, wenn sie mit 63 mit Abschlägen gehen würden. Lächerlich.

     

    Die SPD wirkt noch merken, dass der Anteil der gutsituierten Facharbeitern in diesen Betrieben weiter sinken wird dank der Rationalisierung und ihre Wähler verschwinden werden.

  • Das ist genau der richtige Weg zu einem perfekten Sozialstaat.

     

    Mindestlohn, Mietpreisbremse, kostenlose Kitaplätze, 30-Stunden-Woche und Rentenreform werden viel in der Bevölkerung bewirken.

     

    Bei der Rentenreform sollten die Höhen der Renten berücksichtigt werden. Viele Rentner haben wenig zum Leben und viele sind Aufstocker.

     

    Was meinen Sie, wie viele allein erziehende Mütter werden für die kostenlosen Kitaplätze immer dankbar sein. Außerdem könnte das zu einer Erhöhung der Geburtenrate in Deutschland – auch wenn anfänglich nur marginal – beitragen.

     

    Mindestlohn ist unverzichtbar in einem Sozialstaat. War auch allerseits politisch erwünscht.

     

    Die Sozialdemokraten haben es richtig verstanden, warum sie so viele Wählerstimmen nach der letzten Legislaturperiode verloren haben. An der Durchsetzungskraft bei sozialen Themen hat es damals gefehlt, - im Gegensatz zu jetzt.

     

    Man darf nur nicht stehen bleiben. Es ist erst der Anfang. Es gibt viele weitere Themen und die gemachten Vorschläge können immer, auch wenn später, noch sozialer gestaltet werden.

     

    Auch die Mietpreisbremse kann noch sozialer werden. Zum Beispiel in Berlin muss sie flächendeckend gelten. Stellt man gegenüber die Höhe der Mieten gegenüber den Lohnen in Berlin, so haben Menschen in der Hauptstadt am wenigsten zum Leben, in bundesweitem Durchschnitt. Es stellt keinen Eingriff in die Eigentumsrechte verfassungsrechtlich dar. Außerdem sowieso dient die Mietpreisbremse dem Wohle der Allgemeinheit. Und das ist ganz im Sinne eines Sozialstaates. Abgesehen davon, alle Politischen Parteien haben sich, vor oder nach der letzten Bundestagswahl, für die Einführung der Mietpreisbremse ausgesprochen.