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Renate Künast:Worte zum Abschied

■ Dem umstrittenen Innensenator weint kaum jemand eine Träne nach

Der General a.D. wird endlich zum Senator a.D. Dies ist ein längst überfälliger Schritt. Schönbohm hat nicht erkannt, daß es ein Unterschied ist, ob man den Befehl auf einem Truppenübungsplatz hat oder ein Gemeinwesen regieren und gestalten soll. Er ist eine unpolitische Person: Oft hat er sogenannte Denkanstöße gegeben, zu denen er nachher nicht mehr stand. Das Ergebnis ist die gesellschaftliche Spaltung – wie beim Thema Multikulti, das für ihn ein Kampfbegriff ist. Den Verfassungsschutz hat Schönbohm für seine politische Ansichten mißbraucht. Er hat zugelassen, daß der Verfassungsschutz immer stromlinienförmiger wurde, sich immer mehr nach dem CDU-Parteibuch richtete. Das Ergebnis ist, daß Ex- Stasi-Mitarbeiter mit seinem Segen die BRD-Verfassung schützen und Kriminelle beim Verfassungsschutz hoffähig werden. Wichtige Konzepte zur Reform des Verfassungsschutzes, die aus dem Jahr 1992 stammen, hat Schönbohm nicht umgesetzt. Auch die wirklichen politischen Gefahren hat er nicht gesehen: zum Beispiel den Rechtsextremismus, der an manchen Stellen in Berlin und Brandenburg für einige Menschen nahezu lebensbedrohlich ist. Statt dessen hat er immer Wert auf die Beobachtung der PDS gelegt.

Renate Künast ist Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus

Bei der Ernennung Schönbohms zum Innensenator hoffte der Türkische Bund, daß nach der fast schon als deutschnational zu bezeichnenden Politik des Amtsvorgängers Dieter Heckelmann ein Neubeginn möglich wäre. Doch lange Zeit unternahm Herr Schönbohm gar nichts, dann meldete er sich immer öfter zu Wort und zeichnete sich dabei durch große Oberflächlichkeiten und ein extrem konservatives Weltbild aus – zum Beispiel in seiner Äußerung, daß „die Respektierung der kulturellen Identität der ausländischen Mitbürger keinen gleichberechtigten Wettbewerb der Kulturen im Gastland“ bedeuten könne.

Dann irritierten seine Äußerung zur Auflösung sogenannter Ghettos die nichtdeutsche Bevölkerung, schließlich kam der Vorschlag der Wiedereinführung der Zuzugssperre. Bei der Abschiebediskussion zeigte er sich hart, das Einbürgerungsverfahren wurde weiter erschwert, auch die Familienzusammenführung war unzulänglich. Insgesamt hat sich die Situation für die Nichtdeutschen während der Amtszeit Schönbohms verschlechtert.

Kenan Kolat ist Geschäftsführer des Türkischen Bundes in Berlin- Brandenburg

Hätte Schönbohm sich auf die Flüchtlinge eingelassen, mit ihnen und ihren Vertretern gesprochen, wäre er früher nach Bosnien gefahren, um sich auch dort von der Bundeswehr beraten zu lassen, dann hätte er die geschützt, die unseren größten Schutz bedürfen – Menschen, die gegen ihren Willen aus ihrer Heimen vertrieben wurden, die Folter und Massaker überlebt haben und die für die Aufnahme in Berlin dankbar sind, aber dennoch leiden, weil sie nicht zurückkönnen. Die Vertreiber, die Verbrecher leben in den Häusern der Flüchtlinge, sie sind an vielen Orten noch an der Macht. Gegen sie und nicht gegen ihre Opfer muß Macht und Einfluß geltend gemacht werden. Hätte Schönbohm mit den Flüchtlingen über ihre Angst gesprochen, „die größer ist als ganz Berlin“, hätte er vielleicht über die eigene Angst sprechen können, die er als Flüchtlingskind erlebt hat und die er bis heute nicht vergessen kann. Er würde die Menschen nicht im Morgengrauen aus dem Bett holen lassen, um sie abzuschieben – womit die Erfolge unserer langjährigen psychologischen Betreuung mit einem Schlag zunichte gemacht werden.

Bosiljka Schedlich ist Geschäftsführerin des Südost-Zentrums

Mit Schönbohms Positionen zu den Themen Ausländer und Sicherheit haben wir große Probleme; als oberster Dienstherr aber war der Innensenator ein verläßlicher Partner für die Gewerkschaft ÖTV. Wir haben die Vereinbarung zur Beschäftigungsicherung im Landesdienst mit ihm abgeschlossen, der Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen war für ihn ein Garant für den sozialen Frieden. Er hat sich schützend vor die Landesbeamten gestellt, im letzten Jahr hat er ganz deutlich gemacht, daß von Berlin keine Initiative zur Kürzung des Weihnachtsgeldes ausgeht. Nach dem, was wir aus dem Bundesgebiet von seinem Nachfolger Eckart Werthebach kennen, steht zu vermuten, daß ihm Schönbohms Augenmaß fehlt.

Susanne Stumpenhusen ist Landesvorsitzende der ÖTV.

Wie ein Nilpferd

Innensenatoren kommen und gehen. Die autonomen Freiräume aber bleiben bestehen. Nun sind wir ihn endlich los, diesen militaristischen, engstirnigen Schönbohm, der eine Toleranz hat wie ein Nilpferd, das nur seinen eigenen Sumpf kennt. Meines Erachtens ist sein Rücktritt nur ein vorweggenommener Schritt, bevor die Gerichte ein endgültiges Urteil zur Räumung des besetzten Hauses Kreutziger Straße 21 im November 1997 gesprochen haben. Hier läuft noch immer ein Verfahren, das beweisen soll, daß die Räumung illegal war.

Dennoch hat Schönbohm sein erklärtes Zeil, Berlin von Besetzten Häusern zu säubern, nicht erreicht. Denn wir wissen von noch zwei besetzten Häusern. Für die BrandenburgerInnen können wir nur wünschen, daß Schönbohm die Wahl zum Vorsitzenden verliert und in die politische Bedeutungslosigkeit abstürzt.

A.B. ist ehemaliger Hausbesetzer aus Friedrichshain

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