piwik no script img

Renate Künast über AfD-Shitstorm„Diese Kreise wollen zerstören“

Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne) ruft zur Demonstration gegen die AfD auf. Von Rechten wird sie daraufhin mit Hasskommentaren bombadiert.

Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne) Foto: dpa
Interview von Plutonia Plarre

taz: Frau Künast, Sie haben auf Facebook zur Teilnahme an der Demonstration gegen die AFD am Sonntag aufgerufen. Wie waren die Reaktionen?

Renate Künast: Es folgten Kommentare in einem Ausmaß, wie ich es bisher noch nicht erlebt habe. 2016 habe ich nach einem Auftritt in einer Talkshow zum Thema sexuelle Übergriffe in der Kölner Silvesternacht rund 300 Hassposts bekommen; jetzt sind es weit über 2.000. Es wurde auch viel geteilt. Insgesamt würde ich sagen, das Ganze hatte eine Reichweite von 400.000 Leuten.

Was ist Inhalt der Hasskommentare?

„Hasskommentar“ ist fast untertrieben. Ich werde als Hure bezeichnet; es wird mir gewünscht, vergewaltigt zu werden. Ich soll das Land verlassen, weil ich so hässlich sei, und Claudia Roth [grüne Bundestagsvizepräsidentin; d. Red.] gleich mitnehmen. Das sind sehr brutale Äußerungen, die gezielt gegen Frauen gehen.

Im Interview: 

Renate Künast

62, sitzt seit 2002 für die Berliner Grünen im Bundestag. Von 2001 bis 2005 war sie Ministerin für Landwirtschaft.

Was schließen Sie daraus?

Ich glaube, dass diese Szene eines besonders nicht verträgt: dass Frauen selbstbewusst ihre Frau stehen. Mein Eindruck ist, dass sich die Rechte neu organisiert, auch digital.

Was wissen Sie über die Verfasser?

Beim Teilen oder Retweeten gibt es Leute, die sich konkret zur AfD bekennen. Der Übergang ist fließend. In den Timelines stößt man auch oft auf Pegida-­Leute. Man sieht, dass diese Kommunikationsnetzwerke quer durch die Bundesrepu­blik verlaufen und wie sehr mit Emotionen gearbeitet wird.

Was werden Sie tun?

In einigen Fällen werde ich Strafanzeige erstatten, wenngleich ich nicht vorhabe, mein Team über Gebühr mit dem Lesen dieses Schrotts zu strapazieren. Diese Leute formulieren ja zum Teil drum herum. Das zeigt, dass sie die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Beleidigung und Aufruf zur Gewalt kennen.

Warum haben Sie ausgerechnet zu der Gegendemo am Sonntag aufgerufen? Es gibt ja viele solcher Demos.

Ich bin oft auf Demos und Gegendemos. Diesmal will die AfD aber zum Brandenburger Tor ziehen. Es geht darum, zu verhindern, dass sie das öffentliche Bild okkupieren. Der Hass, den die AfD propagiert, nimmt ja immer mehr zu. Man muss sich nur mal angucken, was die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel im Plenum des Bundestags alles loslässt. Dadurch, dass diese Leute jetzt im Parlament sind, erlebt man richtig, was die AFD vorhat.

Nämlich?

Niedermachen, zersetzen. Mit ihren knallharten abwertenden Aussagen wollen diese Kreise die Gesellschaft zerstören. Deshalb ist die Gegendemonstration so wichtig.

Was wünschen Sie sich für Sonntag?

Eine riesige Demo, wo man hinterher sagt, man konnte sich in der Innenstadt kaum retten vor der Musik der Clubs. Es gibt ja viele unterschiedliche Aufrufe. Es wäre schön, wenn die vielen Gegendemonstrationen nicht verläppern, sondern in einer imposanten Veranstaltung vor dem Reichstag münden würden. Es geht nicht nur darum, die Meinung zu zeigen, sondern auch, dass wir viele sind. Dass wir uns bestimmte Entwicklungen nicht gefallen lassen und dagegen kämpfen. Das gilt für den Sonntag, aber auch für jede Situation im Alltag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Ich denke das liegt an der Polarisierung. Sicher erhalten auch AfD Mitglieder eine Menge Hasskommentare.

     

    Frau Künast ist eine Stimme der Vernunft aber auch sie tappt in die Falle sich als Opfer zu gerieren. Die Wahrheit ist, dass der Ton insgesamt rauer wird.

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    AFD - Shitstorm. Woher weiß die denn, dass es AFD-Mitglieder oder Sympathisanten waren mit den Hasskommentaren? Und vermutet die es nur? Mutmaßungen breit treten ist Populismus.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Genau:

    "Und diese Leute sitzen im Bundestag. Die Anfänge sind lange vorbei. Noch eine "Kölner Silvesternacht" oder Ähnliches, und die stehen bei 20 Prozent. Der Damm ist bereits gebrochen."

     

    dieses haben die politischen Entscheidungsträger noch nicht kapiert und dies ist hochgefährlich.

    Einfach ignorieren, demonstrieren und aussitzen, hilft nicht.

    Die Farbe "braun" wird uns noch mächtig um die Ohren fliegen, wenn sich politisch nichts tut.

  • am besten gehen wir davon aus , dass die 6 mio afd wähler sowie die 4 mio nicht vollkommen abgeneigten sittlich unmündig sind . das wärmt uns , begradigt die front incl . schützengraben . schliesslich haben wir alles richtig gemacht , selbst die kanzlerin vermag keinen fehler erkennen . und schauen entspannt nach amerika , wo das morgen traditionell schon heute ist .

  • Bitte Berliner, geht ALLE zu der Gegendemo gegen die AfD.

     

    Das darf es in Deutschland nicht (schon ) wieder geben, dass Rechte sagen, wo es langgeht.

     

    Bitte geht hin.

  • Wer hier in den Kommentaren in der taz jetzt noch sagt, mit der AfD "MUSS" geredet werden, die AfD hätte Argumente – hat meines Erachtens das GG nicht gelesen, hält offenen Hass für diskussionswürdig und findet Demokratie komplett überflüssig.

     

    Das GG ist die Basis unserer Demokratie (wenn auch nur einer repräsentativen) für freie Meinungsäußerung, von der blanker Hass gegenüber anders Denkenden ausgenommen gehört. Die Würde des Menschen – besonders eines anders Denkenden – ist unantastbar UND MUSS ES AUCH BLEIBEN.

     

    Die AfD diskreditiert sich m. E. damit eindeutig selbst, und i. m. Augen hat die AfD grundsätzlich "Null" Interesse an Demokratie.

     

    Diese "Partei" ist und bleibt gefährlich! Und in meinen Augen eindeutig freiheitsvernichtend, rassistisch und schreckt auch vor (verbaler) Gewalt ihren Gegner gegenüber nicht zurück. Alles in allem für mich absolut indiskutabel.

     

    Ich bin entsetzt, dass es so viele "Leute" gibt, die "denen" ihre Stimme geben, und diese indiskutablen Verhalten und Auswüchse kritiklos hinnehmen, und offensichtlich im Stillen und ohne Flagge zu zeigen, auch noch unterstützen.

     

    Armselig.

    • @Frau Kirschgrün:

      Faschisten und so genannte Antifa, da drehe ich die Hand nicht um. Beide arbeiten mit unsauberen kruden Methoden, von denen ich mich distanziere. Es ist wie in der Weimarer Republik, in der die NSDAP und die KPD sich bis aufs Messer bekämpften. Das Resultat kennen wir leider zur Genüge.

      • @Nikolai Nikitin:

        :augenroll:

  • Richtig, die Rechte haßt vor allem emanzipierte Frauen und den Feminismus. In deren Welt ist die Frau die treuherzige Unterstützerin des deutschen Mannes, die seine Kinder austrägt und die Hemden bügelt und ansonsten die Klappe hält, während er für das Vaterland oder was auch immer kämpfen geht. Genau wie beim "Islamischen Staat". Deswegen sind Grünen-Politikerinnen auch das bevorzugte Hassobjekt der Rechten. Sie hassen Frau Künast, weil sie es wagt, ihre Meinung zu sagen und ihr Leben nicht vorrangig in den Dienst von (weißen, deutschen, national gesinnten) Männern zu stellen.

     

    Richtig, die Rechte möchte die Uhr zurückdrehen auf ein idealisiertes 1935, ein weißes Nationaldeutschland im Sinne eines "Dritten Reiches ohne Weltkrieg", in dem keiner aus der Reihe tanzt, simple Genderklischees gelten und alle ein homogenes Volk sind, in dem es keine "rotgrünversiffte Abartigkeit" mehr gibt. Mit anderen Worten, man will zeitlich zurück vor 1968, vor die Bundesrepublik, am besten auch vor das Frauenwahlrecht, und alle sollen tun, was die (männlichen) rechten Großmäuler für richtig halten, und sonst gar nichts. Die wollen einen autoritären, patriarchalischen, unfreien Staat.

     

    Daß "Drittes Reich ohne Weltkriegsniederlage" ein Widerspruch in sich ist, und daß die gewalttätige Ablehnung der "Anderen" wieder zu einer Art gezielter Menschenvernichtung führen müßte (die in Drohform via Internet ja schon angekündigt wird), das übertüncht man gerne mit einem Haufen Nationalromantik. Damit fängt man die Naiveren, die Mitläufer.

     

    Der harte Kern der Rechten wünscht sich aber durchaus auch den Krieg und die Massenvernichtung zurück, weil sie sich selbst als neues Kriegertum und als Brutalo-Elite verstehen. Diese Leute wollen nicht nur ins Jahr 1935 zurück, sondern ins Jahr 935. Wenn's hochkommt.

     

    Und diese Leute sitzen im Bundestag. Die Anfänge sind lange vorbei. Noch eine "Kölner Silvesternacht" oder Ähnliches, und die stehen bei 20 Prozent. Der Damm ist bereits gebrochen.

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Standfest blieben Frau Kunast.