Religion in der Zukunft: Zum Lachen in die Kirche
In der Zukunft hat sich der Glaube verbessert: Niemand wird getauft, gesegnet, beschnitten oder verbrannt. Wer beten will, tut das zu Hause.
![Eine junge Frau mit einer Eiswaffel in der Hand schaut lächelnd in die Kamera Eine junge Frau mit einer Eiswaffel in der Hand schaut lächelnd in die Kamera](https://taz.de/picture/6348290/14/33098129-1.jpeg)
Wir schreiben das Jahr 2048. Das Verhältnis der Menschen zu ihren Religionen hat sich längst entspannt. Der ganze alte Krampf, mit dem wir uns über Jahrtausende gequält haben, ist endlich weg: All diese Vorschriften, was man zu tun und zu lassen hat; all das Düstere, Bedrohliche, dieser ganze ultranegative Angstkram wurde zum Teufel geschickt, wo er hingehört.
Auch die notorische Spaßbefreitheit, die dem Glauben immer innewohnte, hat ein Ende. Bei den neuen Religionen wird unheimlich viel gekichert. Wer früher zum Lachen in den Keller ging, geht heute zum Lachen in die Kirche. Alles kann, nichts muss. Bunte Cocktails und Rundlauf-Pingpong prägen die Gottesdienste jeder Glaubensrichtung.
Attraktive Angebote
Doch der Weg dahin war steinig. Mitte der 2030er Jahre war der Islamische Staat auf einmal wieder schwer im Kommen, als er zulasten seines spirituellen Markenkerns aus Morden, Vergewaltigen und Verwüsten taktisch clever auf vermittelbarere Angebote umschwenkte: die weltweite Aufhebung der Tempolimits, Brausepulver für die Kinder und eine ebenfalls global angelegte Lotterie, in der man von grillfertig marinierten Nackensteaks über Kompakt-SUVs bis hin zum Wellnessurlaub an der Ostsee alles gewinnen konnte, was der schlichten Seele ein kleines bisschen Freude bereitet.
Und selbst da, wo die Brand Recognition des good old IS, wie wir ihn fürchten und schätzen gelernt hatten, unvermindert stark aufschien, wurde ein populistisches Zuckerl für die Neugläubigen integriert:
Wer sich auf die Fahrbahn klebt, der oder dem wird die Klebhand abgehackt – da kniet die brave Gemeinde doch in Dankbarkeit und Ehrfurcht nieder. So stellen sich fromme Deutsche eine Religion vor, die dem Menschen nutzt und nicht dem Götzen.
Zwar scheiterten die Islamisten letztlich an den hohen Werbekosten, doch ihre Ideen gelten im Nachhinein als Auslöser einer umfassenden Entstaubung des Religionsbegriffs. Neben den in Liberalität frisch erblühenden alten, finden sich jetzt viele neue Glaubensgemeinschaften.
Die meisten machen irgendwas mit Tantra, Origami oder veganem Speiseeis. Man kann kommen und gehen, wie man will; niemand wird getauft, gesegnet, beschnitten oder verbrannt. Wer beten will, tut das zu Hause.
Auch mein Futurologe Zbigniew wirkt erleichtert, dass er nunmehr einen Katholizismus pflegen kann, der komplett auf neunmalkluge Ratschläge und nervtötendes Verbotsgedröhn verzichtet. „Wo der Paffe schweigt, spricht der liebe Gott zu uns“, seufzt er erlöst. 250 Jahre nach dem Ende der Aufklärung ist diese endlich doch noch bei uns angekommen.
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