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Religion in ArmenienGottessohn der Superlative

Ein Oligarch will die weltweit höchste Christus-Statue errichten lassen. Obwohl die Religion wieder eine wichtige Rolle spielt, hagelt es Kritik.

Wollen höher hinaus als Rio: Statue auf dem Corcovado Foto: Thomas Sbampato/imago

Berlin taz | Endlich könnte Armenien auch einmal ein Land der Superlative werden und dabei sogar noch Rio de Janeiro überholen. In Jerewan machen dieser Tage Pläne die Runde, das weltweit mächtigste Monument von Jesus Christus zu errichten. Eine der wichtigsten Fragen ist: Sind die Hände des Gottessohnes zu beiden Seiten ausgestreckt oder schützend auf die Brust gelegt?

Die Christus-Statue soll eine symbolische Höhe haben, 33 Meter – so viele Jahre, wie Jesus gelebt hat. Doch der Sockel soll dreimal höher sein. Das Monument mit einer Gesamthöhe von bis zu 100 Metern soll auf dem höchsten Hügel der Südkaukasusrepublik aufgestellt werden.

Seit über einer Woche läuft ein Wettbewerb für Ar­chi­tek­t*in­nen und Bildhauer*innen. Dabei handelt es sich übrigens nicht um ein staatliches Projekt. Die Idee geht auf den reichsten Mann Armeniens, Gagik Zarukjan, zurück. Er finanziert den Bau des Monumentes, das „dem armenischen Volk den Weg der Wiedergeburt und des Lichtes zeigen soll“.

„Unser Vaterland lebt in schwierigen Zeiten. Jedoch haben die Armenier*innen, die stolz darauf sind, im Jahr 301 als erstes Volk das Christentum angenommen zu haben, immer alle Schwierigkeiten mit ihrem Glauben überwunden. Es ist jetzt an der Zeit, sich wieder im Glauben zu vereinen“, sagte Zarukjan in einer Videobotschaft.

Große Sünden

Gagik Zarukjan ist der Vorsitzende des armenischen Olympischen Komitees, Topunternehmer, Multimillionär, Star unter den Oligarchen und Chef der Partei „Blühendes Armenien“, die vor der Samtenen Revolution 2018 die zweitstärkste Kraft im Parlament war.

Warum bauen Oligarchen Christus-Statuen, Kirchen oder lassen die in Armenien so wichtigen Kreuzsteine herstellen? Weil sie große Sünden auf sich geladen haben? Vielleicht. Auf jeden Fall dienen diese Aktivitäten ihrer Imagepflege. Auch Zarukjan hat bereits Kirchen gebaut und will 2022 mit diesem „Jesus-Megaprojekt“ auf sich aufmerksam machen.

Die armenische Apostolische Kirche, die zu Sowjetzeiten ein verstecktes Dasein fristete, ist heute in der Gesellschaft wieder präsent. Zumindest an den Wochenenden wird in den Kirchen im Akkord getauft. Und das Weihwasser ist teuer.

Doch ihren klaren Verstand haben die Menschen in Armenien noch nicht völlig verloren. Gegen Christus haben sie nichts, gegen seine Statue schon. Wie viel das Vorhaben kosten wird, lässt Zarukjan offen. Als ob er jemals Probleme mit Geld gehabt hätte. Bekommt er eine Baugenehmigung? Das war und ist sowieso kein Thema in Armenien. Er baut dort, wo er will. Auch die Kirche schweigt.

Zurück ins Mittelalter

„Eine Schweinerei“, kommentieren Ar­me­nie­r*in­nen auf den sozialen Netzwerken, „Herabwürdigung“ und „ein Ergebnis kranken Verstands“, heißt es dort. „Anstatt Wissenschaft und Technologie zu fördern, errichten wir eine Statue von Jesus. Armenien rutscht zurück ins Mittelalter.“

Kurzum: Die Menschen sind empört. Nicht von ungefähr. „In einem Land mit 30 Prozent Armut kann Geld gezielter eingesetzt werden, auch wenn uns dieses Geld gestohlen wurde“, schreibt ein User auf Facebook. Tausende Flüchtlinge sind wegen des Krieges 2020 gegen Aserbaidschan um Bergkarabach immer noch obdach- und perspektivlos. Diesen Menschen hilft niemand, auch Zarukjan nicht. Aber das kann ja Jesus übernehmen. Amen.

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4 Kommentare

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  • Die Christen mal wieder. Müssen überall ihre P..ssmarken setzen und ihr (vermeintliches) Revier markieren. Wenn ich schon sehe, wie Bergspitzen mit Kreuzen verschandelt werden ...

  • Ich finde die zeitgenössische journalistische Tendenz, aus ein paar Online-Kommentaren eine "Geschichte" zu stricken, so oder so recht bedenklich. Wenn dann aber noch verallgemeinert wird "Die Menschen sind empört", bewegen wir uns egal bei welchem Thema in ernsthaft problematische Gefilde. Gerade bei der TAZ sollte man doch wissen, dass was sich in den sozialen Medien zeigt selten auch nur halbwegs akkurat Mehrheitsverhältnisse abbildet. Gibt es Umfragen zum Thema? Wenigstens längere Recherchen in Stadt UND Land? Ich möchte nichtmal bestreiten, dass die Stimmung genau so klar ist wie in diesem Artikel behauptet, denn ich habe keine Daten. Der Text aber liefert auch keine. Doch wenn mehr zum Thema nicht möglich ist verlangt die journalistische Redlichkeit, wenigstens einzugrenzen: "Stimmen in den soz. Medien äußern sich (mehrheitlich?) empört". Und vll auch einzuordnen: Wer dominiert in Armenien normalerweise die soz. Medien? Liberale, Progressive? Konservative? Rechte?



    3 FB-Kommentare sind einfach unglaublich dünn, wenn dieses Thema Leser*innen hier überzeugend vermittelt werden soll.

  • "Auf jeden Fall dienen diese Aktivitäten ihrer Imagepflege."



    Ich würde es ja eher als Schw***vergleich betiteln.....das Geld was dafür verpulvert wird wäre anderswo besser aufgehoben. Kommentar bearbeitet. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation.

  • In Rio steht vielleicht die bekannteste, aber mit 30m ist sie seit 1081 bereite fünf mal überholt worden. Mit 33m kommt man auch nicht an die Spitze, denn die nimmt seit 2010 mit 36m die Statue in Świebodzin in Polen ein.