piwik no script img

Rekommunalisierung der SchulreinigungBezirke sollen selbst sauber machen

Die Initiative „Schule in Not“ will die Rekommunalisierung der Schulreinigung. Die Bezirke müssten endlich anfangen, konkret zu planen.

Oft in desolatem Zustand, ob geputzt oder ungeputzt: Berliner Schultoiletten Foto: imago

Berlin taz | Schulklos gehören in den Wahlkampf. Das findet zumindest die BürgerInneninitiative Schule in Not, die am Mittwoch mit einem breiten Gewerkschaftsbündnis aus der Lehrergewerkschaft GEW, IG BAU, Verdi und DGB erneut die Rekommunalisierung der Berliner Schulreinigung gefordert hat. Konkret will die berlinweite Initiative erreichen, dass die Bezirke ihre Reinigungskräfte für die Schulen wieder selbst im Bezirksamt anstellen, statt Putzlizenzen an private Firmen outzusourcen.

Mit Blick auf den beginnenden Wahlkampf für die Abgeordnetenhauswahl im September erwarte man, „dass sich in den Wahlprogrammen der Parteien ein klares Bekenntnis zur Rekommunalisierung der Schulreinigung widerspiegelt“, sagt Susanne Kühne von Schule in Not

Sowohl die SPD als auch Grüne und Linke wollen ihre Entwürfe in den nächsten Wochen beschließen. Die SPD präferiert dabei die Schaffung eines Landesbetriebs und will die „schrittweise Einführung eines landeseigenen Unternehmens Berliner Schulreinigung“ wenigstens „prüfen“. Die Grünen hatten sich auf einem kleinen Parteitag im Dezember bereits für die Rekommunalisierung ausgesprochen.

„Rekommunalisierung kann für beides sorgen: mehr Sauberkeit und bessere Arbeitsbedingungen. Kein Grund, das auf die lange Bank zu schieben“, sagte am Mittwoch die Grünen-Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahlen Bettina Jarasch.

Im Herbst hatte die Initiative zudem unverhofft Rückendeckung von durchaus prominenter Stelle erhalten: Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte in ihrer Nominierungsrede als Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl verkündet, sich für feste, in den Bezirksämtern angestellte Reinigungsteams für die Schulen einzusetzen.

Mehrbedarf konkret ermitteln

Doch die Initiative, die inzwischen mittels Bürgerbegehren in sieben Bezirksparlamenten Beschlussempfehlungen für eine Rekommunalisierung erwirkt hat, mag sich mit Ankündigungspolitik nicht länger zufrieden geben. „Die Bezirke müssen jetzt konkret ermitteln, wie viele Stellen sie für die Eigenreinigung bräuchten“, sagt Kühne von der Initiative. Der „finanzielle Mehrbedarf“ müsse dann möglichst bereits dieses Jahr in den Haushaltsentwurf für 2022/23 eingebracht werden, „sonst wird es erneut nicht vorangehen“.

Zuletzt hatte das Bezirksamt Neukölln ein für Herbst 2021 avisiertes Modellprojekt abgelehnt, das die Bezirksverordnetenversammlung zuvor einstimmig beschlossen hatte: An zunächst vier Schulen im Bezirk sollte die Eigenreinigung erprobt werden, um erste Erfahrungswerte auch hinsichtlich von Mehrkosten zu gewinnen. Doch Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) lehnte ab, befristete Stellen und „gute Arbeit“ gingen für ihn „nicht zusammen“. Ein Scheinargument, glaubt die Initiative, die eher mangelnden Tatendurst seitens der Politik vermutet.

„Private Firmen sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“, betont am Mittwoch auch Jens Korsten, Berliner Abteilungsleiter Gebäudereinigung der IG BAU. Acht Minuten pro Klassenraum habe ein Gebäudereiniger im Schnitt zur Verfügung. Weil die Bezirke dem günstigsten Angebot in der Regel den Zuschlag geben, ist der Kosten-Leistungs-Druck immens.

Oft ohne Betriebsrat

Gespräche mit der Innung, diese Vorgaben fairer zu gestalten, sagt Korsten, seien bislang auch daran gescheitert, „dass überhaupt nur 50 Prozent der Betriebe in der Innung sind“. Zudem sei die gewerkschaftliche Organisation der prekär beschäftigten ReinigerInnen gering, was auch an der hohen Quote von Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten liege. Nur 18 Prozent der Reinigungsfirmen für Schulen hätten überhaupt einen Betriebsrat.

Wie hoch zusätzlicher Personalbedarf und Kosten für die Bezirke ausfallen könnten, hat die Initiative für Pankow erfragt. Das Bezirksamt geht demnach von 350 Stellen für 76 Schulen aus. Ob die Eigenreinigung tatsächlich teurer werde – in Neukölln rechnet das Bezirksamt zum Beispiel mit einer Verdopplung der Kosten –, könne man aber gar nicht so einfach sagen, betont Kühne. „Der Pankower Stadtrat hat uns auch gesagt, dass derzeit jedes Jahr rechnerisch 100.000 Reinigungsstunden an den Schulen fehlen.“ Diese Stunden müsse man eigentlich schon jetzt auf die laufenden Kosten draufschlagen.

Erich Mendroch, Landesfachbereichsleiter Verdi, betont, dass Erfahrungen in anderen Städten wie Bochum und Düsseldorf „durchaus positiv“ stimmten, was den finanziellen Mehrbedarf angehe. Ziel der Initiative ist, an etwa einem Viertel der Schulen pro Schuljahr schrittweise die Reinigung zu rekommunalisieren. Am 24. März ist die Schulreinigung auch Thema im Hauptausschuss. Der hatte einen Prüfauftrag an den Senat gestellt, „wie eine Rekommunalisierung der Schulreinigung durchgeführt werden kann und welche haushalterischen Auswirkungen dies hat.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!