„Reichskönig“ Peter Fitzek vor Gericht: Diesmal ohne Hermelinmantel
Peter Fitzek, Scharlatan und Reichsgründer, steht vor Gericht. Er hatte eine Krankenkasse gegründet und die Versicherten abgezockt.
Dabei ist er zur Verhandlung aus der Haftanstalt Halle, wo er drei Jahre und acht Monate Haft wegen unerlaubter Bankgeschäfte absitzt, nach Dessau gebracht worden. Diesmal geht es um zwei Berufungen zu Verurteilungen am Amtsgericht, eine wegen Verstoßes gegen das Versicherungsaufsichtsgesetz, die andere wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
Reichsbürger, Esoteriker, Narzisst, Betrüger, Scharlatan: Der 51-jährige Fitzek ließe sich unter mehrere Rubriken fassen. Am Rande von Wittenberg erwarb er ein ehemaliges Krankenhausgrundstück, erklärte es zu seinem Königreich. Ein Mini-Staat im Staate, der tatsächlich ein reichliches Dutzend von der großen Bundesrepublik frustrierte Staatsbürger fand. Hunderte hingegen fielen auf die separate Währung, den „Engel“, herein oder legten Geld auf der „Reichsbank“ an. Seit Juni 2016 saß Fitzek bereits in Untersuchungshaft. Im Mai dieses Jahres wurde sein „Königreich“ zwangsgeräumt.
Sein BMW trug das Fantasiekennzeichen „Deutschland 1“, einen Führerschein, vermeintlich aus Paraguay, bastelte Fitzek sich selbst. Um das Fahren ohne Führerschein, für das er schon mehrfach zu Geldstrafen verurteilt worden war, wird es erst bei den Juli-Terminen der Berufungsverhandlung gehen. Am Dienstag spielte die Krankenversicherung „NeuDeutsche Gesundheitskasse“ die Hauptrolle, mit der Fitzek nach eigenen Worten „Ersatzstrukturen für das bestehende System“ schaffen wollte – „im Dienst an den Menschen“.
Ein Schaden von 321.000 Euro
Die Vorgeschichte beginnt 2007 mit der Gründung des Vereins „Ganzheitliche Wege“ durch Fitzek. Ihm folgte der nie rechtsfähig eingetragene Verein „Neudeutschland“, der Träger dieser „Ersatzkasse“ wurde: ein Fitzek-Ein-Mann-Betrieb. Von 2009 bis 2011 soll gutgläubigen Versicherungsnehmern ein Schaden von 321.000 Euro entstanden sein, sagt die Staatsanwaltschaft.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin wurde aufmerksam und untersagte die Geschäfte. Zentraler Punkt für eine Genehmigungspflicht dieser Aktivitäten sei jedoch der Rechtsanspruch auf Versicherungsleistungen, so ein BaFin-Mitarbeiter vor Gericht. Fitzek wusste das offenbar, bastelte an Vertragsklauseln, suchte sogar die Beratung der Finanzaufsicht.
Eine Strafe von 120 Tagessätzen zu je 35 Euro, die das Amtsgericht Dessau verhängte, wollten jedoch weder er noch die Staatsanwaltschaft akzeptieren. Seine Anhänger, von denen einige im Gerichtssaal in T-Shirts mit der Aufschrift „Königreich Deutschland“ erschienen, stört die Abzocke nicht.
Unter ihnen findet sich auch eine ehemalige DDR-Lehrerin, die im Wittenberger „Königreich“ Arbeitseinsätze geleistet hatte. Mit dem ebenso cleveren wie charismatischen Fitzek verband sie die Hoffnung auf eine gründliche Alternative zum bestehenden System. „Ich unterstütze alles, was Richtung Kommunismus geht“, verkündete sie und suchte in der Verhandlungspause Genossen, mit denen man sich „zusammentun“ könne.
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