Reicher Tschetschene und Schweizer Fußball: Ohne Moos jede Menge los

Der Schwiegersohn des letzten KPdSU-Chefs Tschetscheniens wollte mit Xamax Neuchâtel in Europas Spitze vorstoßen. Nun wollen die Schweizer den Oligarchen schnell loswerden.

Nase zu und durch: Bulat Tschagajew, Tschetschene und Klubbesitzer. Bild: reuters

NEUCHATEL taz | Armes Neuchâtel. Während die Anzeigenblätter mit der landesweit höchsten Scheidungsquote (60 Prozent) aufmachen, will Bulat Tschagajew einfach nicht von seinem Erstligaverein Xamax lassen. Dabei geben die Schweizer dem tschetschenischen Mehrheitsaktionär inzwischen deutliche Zeichen, dass es reicht.

Das kleine Neuchâtel will lieber ein schrecklich schnelles Ende der einstigen Liebesaffäre als weitere Horrornachrichten. Denn inzwischen steht der vermeintliche Milliardär und Schwiegersohn des letzten KPdSU-Chefs Tschetscheniens unter dem Verdacht der Urkundenfälschung. Außerdem ist von verbotenen Doppelverträgen mit Spielern die Rede, und wegen Geldwäscheverdachts verweigern die Schweizer Banken dem Genfer Geschäftsmann sein Konto.

Und dabei hatte im Frühjahr 2011 alles so vielversprechend begonnen. 69,5 Prozent der Xamax-Aktien übernahm der Oligarch im Mai, und nach dem Abtritt des vorherigen Eigentümers Sylvio Bernasconi schien dem 99-jährigen Traditionsverein endlich das große Geld zu winken und damit der Zugang zu Spielerstars, Glamour und Champions League. Immerhin hatte Tschagajew, als er noch Sponsor von Terek Grosny war, zusammen mit Tschetscheniens Machthaber Ramsan Kadyrow Ruud Gullit als Trainer für den Hauptstadtverein verpflichtet.

Vielleicht deshalb schaute man bei der Swiss Football League nicht so genau hin: Als die Lizenz zur Schweizer Erstligateilnahme 2011/12 an Tschagajew überging, ließ man sich nicht noch einmal Garantien vorlegen. "Ein Fehler", sagt Liga-Sprecher Philippe Guggisberg heute: Inzwischen habe man diese Rechtslücke im Schweizer Profifußball geschlossen.

Entlassungen in der Kabine

Denn heute verunsichert die Schweizer nicht nur, dass Tschagajew zur Halbzeitpause gern mal mit seinen Bodyguards in die Umkleidekabine braust, um Trainer und Spieler zu entlassen. Auch die gesamte Stadionverwaltung sei vom neuen Vereinsmachthaber "brutalstmöglich" vor die Tür gesetzt worden, klagt Françoise Jeanneret, Kultur-, Sport- und Tourismus-Direktorin des stolzen Städtchens Neuchâtel.

Schon im Sommer habe das Gefeilsche um Autoverträge Zweifel an der finanziellen Solidität des Investors aufkommen lassen. Ihr Gesprächspartner - oder genauer: seine Übersetzerin - habe diese Unstimmigkeiten gern mit dem tschetschenischen Volkscharakter entschuldigt und war irritiert, dass die Liga ihm den neuen Vereinsbeinamen "Klub des Volkes" schnöde verbot.

Mittlerweile möchte man in Neuenburg gern auf den Neubürger verzichten und verweigert Tschagajew nun auch eine Aufenthaltsgenehmigung. Viermal hat die Polizei im November seine Geschäftsräume in Genf, Lausanne und Neuchâtel durchsucht.

Weihnachten ohne Kohle

Klar ist inzwischen: Die Nachweise der Bank of America, die einen Kontostand von 35 Millionen Dollar belegen sollen, sind plump gefälscht. Auch andere Indizien weisen darauf hin, dass Tschagajew nicht flüssig ist: Drei Tage vor Weihnachten war das Novembergehalt der Spieler noch nicht auf dem Konto, weiß Lucien Valloni, Chef der Schweizer Spielergewerkschaft SAFP. Und die Stadionmiete in Neuchâtel war auch noch nicht bezahlt.

Ein Konsortium von Honoratioren unter der Führung des Fifa-Direktors Walter Gagg hat nun Gespräche mit der Schweizer Liga aufgenommen - vorsorglich für die Zeit nach einem Konkurs des Vereins. Selbst den Abstieg in die Zweite Liga würde man wohl in Kauf nehmen. Ungelöst aber bleibt das Problem der hohen Gehälter für die ausländischen Stars, die Tschagajew geholt hat und die dem Verein zur Winterpause einen guten 5. Tabellenplatz erspielt haben.

Im Ligaverband aber wird weiter gegrübelt, wie man künftig solche selbstherrlichen Mehrheitsaktionäre verhindern könnte. Eine Rechtsnorm wie in der deutschen Bundesliga aber wird derzeit einhellig ausgeschlossen: die 50+1-Regelung, die den Vereinen die Aktienmehrheit über ihre Profiabteilung sichert und deren Privatbesitz verhindert, ist nicht mehrheitsfähig. "Für die Spieler ist ein reicher Mäzen nichts Schlechtes", so nüchtern Gewerkschaftsfunktionär Valloni. Wenn er denn zahlt.

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