Regisseurin über Romy Schneider Film: „Romy wurde unendlich geliebt“
Zu früher und zu großer Ruhm waren das Problem der großen Schauspielerin, sagt Emily Atef, die „3 Tage in Quiberon“ gedreht hat.
taz: Frau Atef, in Ihrem Film zeichnen Sie Romy Schneider als jemanden, der große Schwierigkeiten hatte, sich vor Öffentlichkeit und Medien zu schützen. Wieso war sie so?
Emily Atef: Ich vermute, dass es mit ihrem zu frühen, zu großen Ruhm zusammenhängt. Sie ging mit 14 Jahren von der Schule ab, die Kindheit wurde ihr quasi gestohlen. Plötzlich war sie nur noch mit Erwachsenen umgeben, machte einen Film nach dem anderen. Und damals waren Kinder mit 14 noch viel kindlicher als heute! Sie hatte nie die Möglichkeit, sich einfach mal mit einer Freundin zu langweilen, spazieren zu gehen, kleine Jobs zu übernehmen, eben ganz normale Teeniedinge. Sie sagte selbst, dass sie zum Beispiel überhaupt kein Gefühl für Geld habe – während der drei Tage in Quiberon hatte sie elf Millionen Franc Schulden.
Wie konnte das passieren?
Sie hatte immer Menschen um sich herum, die das alles für sie geregelt haben, kümmerte sich selbst um nichts. Ihre Mutter Magda Schneider, der Vater war ohnehin abwesend, hat ihr das Übernehmen von Verantwortung nicht beigebracht – natürlich nicht, weil sie bösartig war. Romy wollte ja gern drehen, wollte nicht mehr zur Schule gehen.
Aber ihre Mutter hätte meines Erachtens sagen sollen: Du drehst den Film in den Sommerferien und gehst ansonsten weiter zum Unterricht. Und dann wurde Romy sofort unendlich geliebt von der Öffentlichkeit, sie wurde das Maskottchen der Nation, der gesamten deutschsprachigen Region. Wie sollte sie verstehen, wer ihre Freunde sind, wem sie vertrauen kann?
Hat dieser fehlende Selbstschutz einen Einfluss auf ihre Qualität als Schauspielerin, kann sie sich vielleicht besser öffnen?
Ich weiß es nicht. Jeder Schauspieler bringt etwas mit – und auch die mit einer ganz normalen, gesunden Kindheit können diese Durchlässigkeit haben. Romy Schneider hatte jedenfalls tatsächlich ein angeborenes Talent. Auch in vielen Filmen, die ich gar nicht gut finde, ist sie immer authentisch.
Die „Sissy“-Filme habe ich zum Beispiel erst vor ein paar Monaten das erste Mal gesehen – in Frankreich, wo ich aufwuchs, hatte ich Romy vor allem durch ihre späteren Filme kennengelernt. Doch sogar als „Sissy“ hat sie mich überraschenderweise enorm berührt, als 15-Jährige – man fühlt ihre Trauer, die Aufregung und die Freude, sie ist wahrhaftig.
Wie haben Sie die drei Tage in Quiberon rekonstruiert?
Emily Atef wurde 1973 in Westberlin geboren, ist in den USA, Frankreich und England zur Schule gegangen. In Berlin studierte sie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie. Sie ist Schauspielerin, Regisseurin und Autorin und arbeitet seit 2002 für TV und Kino.
Ich hatte die Fotos aus den Büchern und dem Netz, und Robert Lebeck und seine Frau gaben mir auch die restlichen Bilder, im Ganzen 580 Stück. Und ich habe das Originalinterview des Stern-Reporters Michael Jürgs gelesen. Beide, Lebeck und Jürgs, konnte ich mehrmals treffen, bevor Lebeck starb. Robert Gwisdek, der Jürgs spielt, sprach ebenfalls mit ihm. Auch das Vorbild für Romys Freundin Hilde habe ich getroffen – sie hat mir erlaubt, einen fiktiven Freundinnencharakter zu konstruieren.
Eine rein fiktive Figur zu haben, die ich einsetzen konnte, wie ich wollte, war Gold wert. In dem Hotel in Quiberon, wo ich bei der Recherche viel Zeit verbrachte, arbeiten noch zwei Menschen, die Romy damals kennengelernt hatten – ein Concierge und der Diätkoch. Der konnte mir Anekdoten erzählen – in Frankreich damals diätisch zu kochen, ohne Sahne, Salz und Butter, das war eine Katastrophe!
Und daraus haben Sie die Geschichte entwickelt?
Die Herausforderung war, das alles wegzupacken und eine neue Fiktion zu kreieren – ich wollte ja nicht genau das Gleiche wie die Fotos herstellen oder das Interview nachstellen. Ich wollte verschiedene Schichten in drei Tagen erzählen: Etwas über Romy, aber auch etwas über Freundschaft zwischen einer normalen Person und einem Star, über die Überforderung einer Mutter, über die Medien und über Manipulation und Ethik – der Journalist Jürgs macht ja am Ende eine Wandlung durch.
Hängt das provokative Verhalten von Jürgs, das Sie im Film beschreiben, mit einem respektloseren Umgang von Männern mit Frauen zusammen oder mit einem anderen Verständnis, das er als Journalist von seiner Arbeit hat?
Er war damals fast zehn Jahre jünger als sie, das spielt auch eine Rolle. Und ich habe ihn im Film zu einem größeren Antagonisten gemacht, als er in Wirklichkeit war – das Interview ist schon krass, so etwas habe ich noch nie gelesen. Er war sehr ehrgeizig, er wollte die Story, der Stern war eine wichtige Zeitung. Vor allem im zweiten Interview geht er sehr weit, versucht aber auch, Romy ein bisschen zu ermutigen. Und am Ende geht es ihm schlecht mit seinem Verhalten, er beginnt, über seine Art des Interviewführens nachzudenken – auch, weil er eben doch von Romy berührt ist. Für mich ist sie keinesfalls ein Opfer.
Aber mit 35 ist er kein Berufsanfänger mehr – wieso versucht er überhaupt, sie durch verletzende Fragen zu provozieren, anstatt ihr mit Verständnis und Mitgefühl zu begegnen? Sie ist doch keine Politikerin, der man etwas Bestimmtes aus der Nase ziehen will …
Er ist ein männlicher Journalist, ich glaube, dass Journalistinnen, so wie viele Frauen ohnehin, ein größeres Mitgefühl haben und wissen, dass man die Menschen nicht kriegt, wenn man sie fertigmacht. Ich habe den Eindruck, dass in der deutschen Presse damals jedoch fast nur Männer über sie geschrieben haben, übrigens auch noch viel schlimmere Sachen. Es gab eben viel weniger Journalistinnen.
Dennoch: Ist es sinnvoll, sich jemanden zum Feind zu machen, von dem man etwas erfahren möchte?
Er hat ja ein unglaubliches Interview herausbekommen – natürlich auch, weil sie sich eben erklären wollte, sagen wollte, dass sie nicht Sissy, sondern „eine unglückliche 42-jährige Frau“ ist. Nach diesen drei Tagen haben die beiden tatsächlich eine Freundschaft entwickelt, sie hat ihn später oft nachts angerufen.
Auch nach dem Tod ihres Sohnes hat sie Lebeck und Jürgs eingeladen, die noch mal ein paar Tage mit ihr verbrachten. Das Interview, das er bei dieser Gelegenheit mit ihr geführt hat, hat er dem Stern nicht gegeben – sie sei einfach zu traurig und kaputt gewesen, sagte er. Trotzdem: Im Originalinterview, auf dem mein Film basiert, beginnt er manche Fragen tatsächlich mit Beleidigungen.
„3 Tage in Quiberon“. Regie: Emily Atef. Mit Marie Bäumer, Birgit Minichmayr u. a. Deutschland 2018, 115 Min.
Und was sagt er heute dazu?
Ich glaube, er empfindet es anders – er hat ihr auch viel Zuspruch gegeben, hat versucht, an ihren Kampfeswillen und Mut zu appellieren. Für ihn waren die Fragen, auch die nach „Hure oder Madonna“, okay – die Menschen würden schließlich so denken. Er selbst war damals auch kein wirklicher Romy-Schneider-Fan. Er war anfangs, das sieht man auch auf Robert Lebecks Bildern ganz gut, nicht locker, er war nicht nonchalant – doch sie schafft es irgendwie, ihn zu knacken. Es war eben die Zeit, aber auch die Zeitung.
Vielleicht würde sich Romy heutzutage ihre Bewunderung und Aufmerksamkeit durch permanentes Twittern einholen?
Ich kann mir Romy in den heutigen Medien gar nicht vorstellen! Was man jedoch immer fühlt, ist ihr extremes Bedürfnis, ein Zuhause haben zu wollen, für ihre Kinder da sein zu wollen – und dass sie das nicht schafft. Sie hat weder gelernt, ihr Privatleben zu schützen, noch sich selbst zu distanzieren. Sie sagte im Interview einmal: Wenn ich nicht drehe, werde ich verrückt. Eben weil sie nichts anderes kennt, sie braucht die Liebe der – übrigens ebenfalls ausschließlich männlichen – Regisseure, der Presse, aber auch die Liebe des Publikums. Wenn sie das nicht mehr hat, fehlt ihr etwas.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trump und Krypto
Brandgefährliche Bitcoin-Versprechen