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Regisseur über Salpeter-Abbau in Chile„Natürlich war das Ausbeutung“

Robert Krieg hat mit „Weißes Gold“ einen Dokumentarfilm über seine Hamburger Vorfahren gemacht. Die haben sich an Naturvorkommen in Chile bereichert.

Der Salpeterabbau in Chile hat verwüstete Landschaften hinterlassen: Szene aus dem Dokumentarfilm „Weißes Gold“ Foto: Bert Oosterveld/Krieg & Nolte
Interview von Wilfried Hippen

taz: Herr Krieg, in „Weißes Gold“ verarbeiteten Sie Ihre eigene Familiengeschichte. Ihre Vorfahren Herman Fölsch und Henry Sloman waren Hamburger Kaufleute, die in Chile ihr Vermögen mit Salpeter gemacht haben. Ist dies der Film, den Sie immer machen wollten?

Robert Krieg: Schon als Kind hat mich interessiert, was meine Vorfahren in Chile getrieben haben.Und im Hintergrund schwebte mir immer vor, nach Chile fahren und mich da auf ihre Spuren zu begeben.

taz: Was haben Sie bei Ihren Recherchen über ihren Urgroßvater Herman Fölsch erfahren?

Krieg: Er war damals schon das, was man heute einen Start-up-Unternehmer nennt. Er ist im Jahr 1866 mit 21 Jahren nach Südamerika gegangen und hat dann als 27-Jähriger zusammen mit seinem Freund Frederico Martin sein eigenes Unternehmen zur Gewinnung von Chilesalpeter gegründet.

Bild: privat
Im Interview: Robert Krieg

geboren 1949, ist Soziologe, Autor und Filmemacher. Seit 1983 hat er Dokumentarfilme in Europa, Lateinamerika und dem Nahen Osten gemacht. Seit 2009 schreibt er für die Zeitschrift Graswurzelrevolution

taz: Haben die beiden auch Knochen der Einwohner gesammelt?

Krieg: Nein, aber der Zeitgeist hat natürlich das Gedankengut der beiden beeinflusst. Und natürlich hat mich auch das Thema Extraktivismus interessiert – also die Frage, ob meine Familie sich an den Naturvorkommen in Chile bereichert hat. Und dies ist ein Fakt, denn damals war es üblich, dass man Rohstoffe ausgebeutet und nach Europa gebracht hat. Und Salpeter war als Naturdünger für die aufkommende Agarindustrie und als Bestandteil von Schießpulver in Deutschland sehr wichtig.

taz: Sie haben auf Ihrer Filmreise nach Chile noch Menschen getroffen, die im frühen 20. Jahrhundert in den Salpeterminen beschäftigt waren, und darunter ist ein Mann besonders eindrucksvoll, an dessen Gesicht man ablesen kann, dass er sein Leben lang sehr hart gearbeitet hat. Und er sagt, dass er schon als Kind in die Mine gegangen ist.

Krieg: Ja, Kinderarbeit war damals üblich. Aber auf Fotos sieht man auch den Stolz der Kinder, zur Arbeiterschaft zu gehören. Natürlich war das Ausbeutung. Das wird schon dadurch deutlich, dass die Bezahlung zum großen Teil durch eigene Münzen der Minen stattfand. Die blieben dann im Kreislauf, weil man damit nur Sachen in den Läden der Minen kaufen konnte.

taz: Ist „Weißes Gold“ auch stilistisch in ihrer Filmografie etwas Besonderes?

Filmvorführung und Ausstellung

„Weißes Gold“ wird am 19.1. um 15 Uhr im Rahmen der Ausstellung „Weißes Wüstengold – Chile-Salpeter und Hamburg“ im MARKK Museum am Rothenbaum gezeigt. Nach dem Film gibt es ein Gespräch mit Robert Krieg.

Krieg: Ja, weil ich hier die Form des Reiseessays gewählt habe und selber durch den Film führe. Das habe ich bei meinen anderen Filmen nie gemacht.

taz: Macht man bei den Dreharbeiten zu einem Reisefilm nicht auch Entdeckungen, mit denen man vorher nie gerechnet hat?

Krieg: Ja, so ist es gewesen. So sind wir bei der letzten Salpetermine, die noch in Betrieb war, in einem kleinen Lokal auf eine riesige Sammlung von historischen Fotos und Dokumenten gestoßen. Die Wüste ist dort so trocken, dass die Dinge nicht vergammeln. Da gab es sogar noch Schecks, die vor über 100 Jahren von meinem Vorfahren Henry Sloman unterzeichnet wurden. Und auf solche Funde sind wir auf Schritt und Tritt gestoßen.

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