Regisseur Dieter Wedel gestorben: Der König von St. Pauli ist tot
Als Fernsehregisseur war Dieter Wedel für große Produktionen bekannt. Zuletzt machten Vorwürfe von sexualisierter Gewalt gegen ihn Schlagzeilen.
Berlin taz/dpa | Regisseur Dieter Wedel ist tot. Er starb am 13. Juli in einem Hamburger Krankenhaus, so ein Sprecher des Landgerichts München I. Bei dem Gericht war ein Verfahren gegen den Regisseur anhängig, der sich mit einer Vergewaltigungsanklage konfrontiert sah. Da Wedels genaues Geburtsjahr unklar ist, könnte sein Alter 82 oder 79 Jahre betragen.
Dieter Wedel war vor allem seit den achtziger Jahren bekannt für aufwendige mehrteilige Fernsehproduktionen wie „Wilder Westen inclusive“ (1988), dessen Etat seinerzeit 20 Millionen Mark betrug und bis heute das teuerste Fernsehspiel für den Westdeutschen Rundfunk ist. Weitere Produktionen waren „Der große Bellheim“ (1992), „Der Schattenmann“ (1995), „Der König von St. Pauli“ (1998), „Die Affäre Semmeling“ (2002).
Begonnen hatte Wedel in den sechziger Jahren als Hörspielredakteur bei Radio Bremen. Er wechselte kurze Zeit später zur Fernsehspielabteilung des NDR. Sein erster großer Fernsehfilm „Gedenktag“ (1970) erzählte vom Volksaufstand vom 17. Juni 1953. In den achtziger Jahren inszenierte er am Hamburger Thalia-Theater unter anderem William Shakespeares Tragödie „Macbeth“.
Von 2002 bis zum Sommer 2014 leitete Wedel die Nibelungenfestspiele in Worms, war dort zunächst Regisseur, später Intendant. Von 2015 war er zudem Intendant der Bad Hersfelder Festspiele. Nachdem mehrere Schauspielerinnen ihm in Zusammenhang mit der #MeToo-Debatte sexualisierte Gewalt vorgeworfen hatten, trat Wedel im Januar 2018 zurück.
Die Schauspielerin Jany Tempel, die angibt, von Wedel vergewaltigt worden zu sein, hat sich nach dem Tod des Regisseurs „völlig perplex“ gezeigt, so ihr Anwalt Alexander Stevens. Er sprach Wedels Angehörigen sein Beileid aus, betonte aber, dass er davon ausgehe, dass der Prozess gegen Wedel eröffnet und dieser auch verurteilt worden wäre.
Prozess sollte wohl bald stattfinden
Das Landgericht München I hatte am Mittwoch eigentlich mitteilen wollen, ob und wann es zum Prozess gegen Wedel kommen sollte. Die Staatsanwaltschaft hatte Wedel schon im März vergangenen Jahres wegen eines Vorwurfs aus dem Jahr 1996 angeklagt. Tempel gibt an, Wedel habe sie damals in einem Münchner Luxushotel vergewaltigt – ein Vorwurf, den Wedel bestritten hat.
Seine Mandantin hoffe, dass sich nach Wedels Tod nun mehr Frauen aus der Defensive wagen – „und ihre Geschichte erzählen“, sagte Anwalt Stevens. Tempel war zuletzt sogar kurzzeitig in den Hungerstreik getreten, um dagegen zu protestieren, dass das Gericht sich mit seiner Entscheidung über eine Verfahrenseröffnung so lange Zeit ließ.
Die Vorwürfe gegen Wedel waren Anfang 2018 bekannt geworden. Damals beschuldigten drei Schauspielerinnen – darunter Tempel – ihn im „Zeit-Magazin“, sie in den 90er Jahren sexuell bedrängt zu haben.
Der Fall wurde der bekannteste in der deutschen #MeToo-Debatte, die 2017 ins Rollen gekommen war. Unter dem Hashtag #MeToo posteten vor allem Frauen in sozialen Netzwerken millionenfach ihre Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen.
Leser*innenkommentare
Taztui
Nun ist er tot. Friede seiner Asche. Die Verzögerungstaktik des Landgerichts München hatte durchaus seine Berechtigung. Prozess und Urteilsfindung waren aufgrund des Alters von nicht mehr realistisch. So bleiben der Allgemeinheit die Spesen und ein letzte große Inszenierung erspart. Klar, den vermeintlichen Opfern hilft das wenig, aber die werden sich jetzt medial äußern können, ohne dass eine gerichtliche Überprüfung droht.
Ulrike57
@Taztui Wieso reden Sie von "vermeintlichen Opfern"? Wollen Sie damit sagen, dass die Opfer die Vergewaltigungen erfunden haben?