Regierungskrise in Kroatien: In Zagreb tun sich Abgründe auf
Ein strauchelnder Konzern könnte das Land in eine Wirtschaftskrise stürzen. Eine Regierungskrise hat der Gigant Agrokor bereits ausgelöst.
Der ganze Vorgang hätte als rein parlamentarisches Spektakel wohl nur die in Kroatien gewohnten Folgen, Neuwahlen auszuschreiben und alles beim Alten zu belassen. Diesmal geht es jedoch um die wirtschaftliche Basis des Landes. Denn den Hintergrund der Krise bildet der Streit über den ins Straucheln geratenen Lebensmittelriesen Agrokor, der 60.000 Mitarbeiter beschäftigt und zu dem 72 Firmen gehören. Der Konzern steht für 15 Prozent des kroatischen Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Die Schuldenlast der Firma beläuft sich jetzt auf über 6 Milliarden Euro, was fast einem Jahresumsatz der Firma entspricht. Bräche Agrokor zusammen, kollabiert das gesamte Wirtschaftssystem. Und damit die Machtbasis der bisherigen Regierungspartei HDZ.
Denn der Konzern wurde während der 90er Jahre unter dem ersten Präsidenten des unabhängigen Kroatiens, Franjo Tuđjman, aus dem Volkseigentum des sozialistischen Jugoslawiens geformt. Der Chef von Agrokor, Ivica Todorić, war einer der Günstlinge, der im Zuge dieser Art von Privatisierung ganze Landstriche und Firmen zu symbolischen Preisen erwerben und so den Konzern formen konnte. Finanzminister Zdravko Marić war ein Spitzenmanager dieses größten kroatischen Unternehmens, bevor er letztes Jahr in die Regierung wechselte.
Misstrauensantrag gegen den Minister
Die neue Regierungskrise war ausgelöst worden, als die Minister des Koalitionspartner Most es ablehnten, den Minister gegen einen Misstrauensantrag in Schutz zu nehmen. Most-Begründer Petrov warf Plenković und Marić vor, ihre schützende Hand über die Korruption und Unfähigkeit des Managements zu halten. Im Gegenzug entließ Plenković nicht nur die Most-Minister, er forderte Petrov auch auf, als Parlamentspräsident zurückzutreten. Dieser Misstrauensantrag scheiterte jedoch am Widerstand der sozialdemokratischen Opposition.
Die Hauptgeldgeberin des Konzerns, die russische Sberbank, will Agrokor zwar noch mal Kredite (300 Millionen Euro) gewähren, sie will jedoch an der Unternehmensführung teilhaben. Die Schulden von Agrokor bei der Sberbank belaufen sich auf 1,3 Milliarden Euro. Agrokor ist nach Meinung der Opposition nun abhängig vom guten Willen der russischen Sperbank und Kroatien damit von Präsident Wladimir Putin. „Das ist alles großer Mist“, sagt Ante. Er bangt allerdings mehr um die Gewährung des Kredits, den er für sein Café benötigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“