Regierungskrise in Kolumbien: Die Zerstörung der eigenen Regierung
Kolumbiens linker Präsident Petro entpuppt sich bei einer live übertragenen Kabinettssitzung als selbstherrlicher Patriarch. Er kanzelt MinisterInnen ab.
![Kolumbiens Umweltministerin Susana Muhamad bei einer Rede Kolumbiens Umweltministerin Susana Muhamad bei einer Rede](https://taz.de/picture/7523207/14/37638914-1.jpeg)
Das war nach ihrer tränenerstickten Wortmeldung in der Kabinettssitzung: „Als Feministin kann ich nicht mit Armando Benedetti an einem Tisch sitzen.“ Benedetti ist Petros neuer Kabinettschef und Ex-Wahlkampfmanager. Ihm werden Korruption sowie sexuelle und häusliche Gewalt vorgeworfen. Seine Äußerungen zeigen keine Sensibilität für die Problematik.
Ähnlich wie Muhamad hatte sich Francia Márquez geäußert. Die erste Schwarze Vizepräsidentin des Landes, Gleichstellungsministerin und preisgekrönte Umweltaktivistin, klagte, dass die neue Außenministerin Laura Sarabia sie respektlos behandelt habe. Sie kritisierte „diese Leute in diese Regierung zu bringen“. Andere am Tisch pflichteten ihr bei. Petro sagte über Benedetti: „Er hat Magie.“ Statt die beiden aus der Schusslinie zu nehmen, hievt er sie trotz Skandalen auf immer höhere Posten.
Kolumbiens erste linke Regierung steckt in ihrer größten Krise. Schuld daran ist die Idee des Präsidenten, erstmals eine Kabinettssitzung live im TV zu übertragen. Damit wollte er mehr für Transparenz sorgen und Minister:innen zur Rechenschaft ziehen, deren Ressorts das Wahlprogramm nicht erfüllten.
Macho-Sprüche ziehen sich durch die Sitzung
Was das Publikum über mehr als fünf Stunden sah, schockierte. Denn in Kolumbien verpackt man Kritik normalerweise hinter Respektbekundungen. Petro legte ohne Begrüßung los und watschte dann verbal Kabinettsmitglieder ab. Dazwischen Exkurse über den Einfluss der Araber auf der spanischen Halbinsel, Suppenrezepte, Grundkurs kolumbianische Geschichte, Bemerkungen über Kokain und Whisky. Dazu Sexismus und Altherrenwitze.
Petro hatte im Wahlkampf die würdige Behandlung von Minderheiten und Frauen versprochen wie auch sexistische und patriarchalische Strukturen aufzubrechen. Jetzt zogen sich Macho-Sprüche durch die Sitzung. Die hatte offenbar keine Tagesordnung und endete ohne Beschlüsse. Die Minister:innen und Behördenleiter:innen saßen wie angewachsen auf ihren Stühlen. Klar wurde: Durchs Kabinett verlaufen tiefe Gräben. Man bezichtigte sich der Korruption und Lüge. Auch wurde klar, dass es keine gemeinsame Strategie für den Umgang mit der jüngsten Gewaltwelle in Catatumbo gibt. Von dort flohen 48.000 Menschen.
Schon kurz danach gab es die ersten Rücktritte. Sonntagmorgen wurde dann bekannt, dass Susana Muhamad gehen will, noch bevor Petro alle Kabinettsmitglieder und leitende Beamte per X zum Rücktritt aufforderte. Die Regierung ist sich selbst der größte Gegner, heißt es in den Medien. Doch Petro will Kabinettssitzungen auch weiterhin live übertragen.
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Textes haben wir Gustavo Petro fälschlicherweise Gustavo Santos genannt. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Jetzt kommen die Erneuerbaren
Die Ära Atomkraft ist endlich vorbei
Plagiatsvorwurf gegen Robert Habeck
Schneller als sein Jäger
Berufsverbot für Klimaaktivistin
Zulassung zum Referendariat wird untersagt
Liberaleres Abtreibungsrecht
Keine Reform von Paragraf 218
Experte zu Wirtschaftspolitik à la Merz
„Die Union präsentiert uns nur Scheinlösungen“
Geiseldeal in Nahost
Hamas bricht den Deal