Regierungskrise in Kolumbien: Fünf Millionen Pesos in Bar
Gegen das engste Umfeld von Kolumbiens Präsidenten Petro wird ermittelt. Es geht um illegales Abhören und Bargeldkoffer in Privatwohnungen.
Ende Mai erschien in der Wochenzeitschrift Semana ein Interview. Darin berichtete die Ex-Kinderfrau von Petros Kabinettschefin Laura Sarabia, dass sie gegen ihren Willen in einen Kellerraum nahe des Präsidentschaftspalasts gebracht und verhört worden sei. Sie habe sich sogar einem Lügendetektortest unterziehen müssen. Das alles, weil man sie verdächtigte, einen Koffer mit Bargeld aus der Wohnung gestohlen zu haben. Laura Sarabia, 29 Jahre alt, eine Woche vorher noch mit Riesen-Porträt in der Zeitung El País gefeiert, stand auf einmal ganz anders im Rampenlicht. 7.000 Dollar sollen in dem Koffer in ihrer Wohnung gewesen sein, sagt sie. Sie habe den Diebstahl angezeigt.
Die Beamtenaufsichtsbehörde kündigte Untersuchungen gegen die Kabinettschefin an, angeordnet von der Staatsanwaltschaft. Präsident Petro tobte auf Twitter: Die Aufsichtsbehörde versuche einen „weichen Staatsstreich“, die Staatsanwaltschaft begehe Hausfriedensbruch. Zur Einordnung: Die Leiterin der Aufsichtsbehörde und der Generalstaatsanwalt kommen aus der ultrarechten Vorgänger-Regierung.
Dann taucht ein weiterer Name auf, wie Laura Sarabia aus dem Herzen des Petro-Umfelds: Armando Benedetti, Botschafter in Venezuela und vorher Wahlkampfmanager von Petro. Es kommt heraus: Benedetti wusste schon Wochen vor Veröffentlichung des Semana-Interviews von der Geschichte. Sarabia hatte ihn kontaktiert und um Hilfe gebeten, weil ihre Ex-Kinderfrau mit Journalist:innen redete. Woraufhin Benedetti die Ex-Kinderfrau per Charterflug nach Venezuela ausflog und ihr eine Anstellung bei sich anbot.
Illegales Abhören
Noch kurioser: Der renommierte Investigativjournalist Daniel Coronell machte bald darauf bekannt, dass Semana einen wichtigen Teil der Geschichte weggelassen hatte. Denn die Kinderfrau Marelbys Meza hatte vor ihrem Job bei der Kabinettschefin schon im Haushalt von Benedetti gearbeitet – bis er sie verdächtigte, dort 5 Millionen Pesos in bar (derzeit etwas über 1.000 Dollar) gestohlen zu haben. Auch damals musste die Frau an den Lügendetektor – und fiel durch. Nach vier Jahren musste sie das Haus Benedetti verlassen. Trotzdem empfahl Benedetti die Frau an Laura Sarabia weiter.
Die Kabinettschefin von Petro hat ihre Politik-Karriere einst im Büro von Benedetti begonnen, als er noch Senator war. Heute – und nach einigen sexistischen Aussprüchen Benedettis – weiß das ganze Land, dass ihr Verhältnis nicht das Beste war. Womöglich hat Benedetti Sarabia unter Druck gesetzt, die Frau einzustellen. Und woher kommt so viel Bargeld in Privathäusern?
Doch die Geschichte geht weiter. Anfang Juni bestätigte der Generalstaatsanwalt, dass die Kinderfrau und eine Putzfrau im Hause Sarabia von einer Spezialeinheit der Polizei illegal abgehört wurde. Es sollte geklärt werden, ob die beiden Mitglieder des Golf-Clans waren, des größten Verbrecherkartells des Landes.
Am 2. Juni erscheint die Quartals-Meinungsumfrage, in der die Beliebtheit von Präsident Petro auf Rekordtief abgesackt ist. Am Mittag zieht Petro per Regierungserklärung seine Kabinettschefin und seinen Botschafter „zeitweise“ aus der Regierung zurück, damit sich die Situation klären könne. Benedetti veröffentlicht daraufhin einen mit Eigenlob gespickten Rücktrittsbrief.
Jede Menge Ermittlungen
Dann wird er gänzlich zur Hauptfigur des Skandals: Semana veröffentlicht Tonaufnahmen, in denen Benedetti von seiner Arbeit im Petro-Wahlkampf spricht. Wenn stimmt, was er dort sagt, hat er dabei das Limit der erlaubten Wahlkampfspenden weit überschritten. Das Ganze garniert Benedetti im Mitschnitt mit einem: „Ohne mich, verdammte Scheiße, hätten sie niemals gewonnen.“ Benedetti sagt, die Audios seien manipuliert.
Mittlerweile haben die Staatsanwaltschaft, die Beamtenaufsichtsbehörde und die Wahlaufsichtsbehörde Untersuchungen eingeleitet. Für kommenden Dienstag sind Sarabia und Benedetti dort wegen der Wahlspenden einbestellt.
Und es könnte schlimmer kommen: Die Anklagekommission des Repräsentantenhauses ermittelt jetzt ebenfalls. Sie besteht aus 18 Abgeordneten, bei denen das Regierungsbündnis keine klare Mehrheit hat. Sie muss über eine Anklage entscheiden – und von ihr könnte die Zukunft des Präsidenten abhängen.
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