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Regierungserklärung zu CoronamaßnahmenOhne Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede

Bei der Bundestagsdebatte ist Merkel nüchtern wie immer. Zwischen Union und FDP werden Gräben sichtbar, die nicht nur mit dem Virus zu tun haben.

Die Bundeskanzlerin während der Regierungserklärung zu den Coronamaßnahmen am Donnerstag im Bundestag Foto: Fabrizio Bensch/reuters

Berlin taz | Angela Merkel hat es gerne sachlich. Genauso tritt sie am Donnerstag im Bundestag auf. Die Zahl der Intensivpatienten, so die Kanzlerin, habe sich in kurzer Zeit verdoppelt. Die Gesundheitsämter könnten 75 Prozent der Infektionen nicht mehr nachvollziehen. Risikogruppen abzuschirmen, wie es die Kassenärztliche Vereinigung vorschlägt, sei keine Alternative, weil die Gruppe zu groß sei und auch Jüngere schwer erkranken.

Daher sei der jetzige halbe Lockdown „geeignet, erforderlich und verhältnismäßig“. Es ist die erwartbar kühle Erörterung, in der die Fortschritte bei präventiver Testung und die europäische Impfstoffinitiative gewürdigt werden. Keine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede.

Es ist genau dieser Ton, der die AfD-Fraktion schon nach Sekunden aus der Fassung bringt. Die Rechtspopulisten brüllen Merkel fast nieder. Als sie auch die Ermahnung von Wolfgang Schäuble stören, sagt der knapp: „Wenn Sie den Präsidenten unterbrechen, kriegen Sie gleich Ordnungsrufe.“ Danach sinkt das Zwischenrufniveau auf Normalmaß. Merkel hebt sogar einmal den Zeigefinger, was ihr sonst selten unterläuft.

Das ist ein Hinweis darauf, wie nervös die Lage auch die sonst kühle Kanzlerin macht. Ihr emotionalster Satz lautet: „Der Winter wird schwer. Aber er wird enden.“ Als Merkel sagt, dass „Verschwörung und Hass nicht nur die Demokratie beschädigen, sondern auch den Kampf gegen das Virus“, applaudiert auch die Linksfraktion.

AfD wittert Morgenluft

Die AfD wittert angesichts des verständlichen Verdrusses bei Gastronomie und Kultur über den November-Lockdown Morgenluft. Alexander Gauland erneuert seine Idee, gesonderte Einkaufszeiten für Senioren und Risikogruppen zu schaffen, will Kultur und Restaurants offen lassen und verweist auf die Kollateralschäden der Anti-Corona-Maßnahmen.

Gauland mischt geschickt kritische Einwände gegen den Lockdown, etwa den Hinweis, es gäbe keine Belege dafür, dass Theater Infektionsherde seien, mit populistischen Evergreens. Merkel installiere mit einem „Notstandkabinett“ eine „Corona-Diktatur auf Widerruf“, die Medien würden die arglose Bevölkerung „mit Kriegspropaganda“ in sinnlose Angst und Schrecken versetzen. Ein anderer AfD-Redner suggeriert, dass die Regierung bald die Wahlen abschaffen werde.

Wie Linksfraktion und Grüne kritisiert auch FDP-Chef Christian Lindner, dass der Bundestag nur nachträglich debattieren kann, was Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder entschieden haben. Erst die Debatte im Parlament, danach die Entscheidung wäre besser. Damit macht er einen Punkt: Gerade weil die Maßnahmen anders als im Frühjahr zu Recht kontroverser debattiert werden, sollte das Parlament mehr mitentscheiden. Das hat auch Schäuble schon angemahnt, zu Merkels Missvergnügen.

Lindner fragt, welche langfristige Strategie es nach dem November gibt, und kritisiert die Schließung von Restaurant und Hotels, Fitnessstudios und Kultur als Aktionismus. Das bringt Ralph Brinkaus, den Fraktionschef der Union, auf die Palme. Brinkhaus ist ein moderater Redner. Jetzt wird er laut und gestikuliert. Die Pandemiebekämpfung „als Aktionismus zu bezeichnen, ist für einen Liberalen unwürdig“, wirft er Lindner vor, „Ihre Vorgänger hätten sich dafür geschämt“.

Entfremdung zwischen FDP und Union

Brinkhaus zieht einen großen Bogen: Es sei eine historische Aufgabe, zu zeigen, dass effektive Coronabekämpfung in der Demokratie möglich sei, nicht nur in einem System wie China. Als er an Solidarität mit Schwächeren appelliert, die der Pandemie zum Opfer fallen können, klatschen auch Grüne und manche Linke.

Die Linksfraktion fordert mehr soziale Unterstützung und präzisere Begründungen für die Maßnahmen. Die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt unterstützt Merkels Maßnahmen hingegen grosso modo. Jedoch fordert sie, dass das Parlament künftig über Pandemiebekämpfung befinden muss.

Der Ton ist bei Linken und vor allem den Grünen – anders als bei der FDP und der AfD sowieso – sachlicher und maßvoller. Der Zank zwischen Lindner und Brinkhaus, zweien aus Nordrhein-Westfalen, wo FDP und CDU zusammen regieren, zeigt eine Entfremdung zwischen FDP und Union. Die hat nicht nur mit Corona zu tun und wird mit dem Virus nicht verschwinden. Erkennbar ist zudem, wer sich über die Grenzen von Regierung und Opposition hinweg störungsfrei versteht: Grüne und Union.

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7 Kommentare

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  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - kopf greift

    “ "Lindner fragt, [....] und kritisiert die Schließung von Restaurant und Hotels, Fitnessstudios und Kultur als Aktionismus. "







    Der Herr Brinkhaus ist aber sehr schwach. Unredlich, wie er Lindners Kritik an den Methoden zu einer Kritik an Pandemie-Bekämpfung insgesamt "hochbricht". Und dann wird er persönlich: "Das bringt Ralph Brinkhaus, den Fraktionschef der Union, auf die Palme. [....] Jetzt wird er laut und gestikuliert. Die Pandemiebekämpfung „als Aktionismus zu bezeichnen, ist für einen Liberalen unwürdig“, wirft er Lindner vor, „Ihre Vorgänger hätten sich dafür geschämt“."







    Dass China möglicherweise erfolgreich Corona eindämmt, ist für "Demokraten" wie Brinkhaus natürlich auch ein Problem. Länder wie Japan und Süd-Korea, die Pandemie auch besser können als DE, kennt er vermutlich gar nicht.“

    kurz - Ja wie? De Jung is doch aus OWL - Wiedenbrück - Biste da willste wück!



    & allet gleich neben Bielefeld & - Woll!



    Wenn nix gelingt auf dieser Welt.



    Gelingts voll - auch nicht in Bielefeld.



    & überhaupt - gleineban - sag ich mal so:



    Ralph🐴 - Der letzte Cowboy - kommt aus Gütersloh! 🐎 - Wollnichwoll! -



    m.youtube.com/watch?v=BHtkx3AUED8



    Ja Ralph - Das waren Zeiten ....… wa! 😂

  • Ich bin total frustriert. Grüne und Linke haben ihre Oppositionsrolle aufgegeben. Kritisches kommt nur noch von der FDP und AFD. Ungerne lasse ich mich aber von denen vertreten. Ich befürchte langfristig größere politische Verschiebungen und Verwerfungen als nach der letzten Fimanz- und Flüchtlingskrise.

    • 9G
      92293 (Profil gelöscht)
      @Aymen:

      die wittern wohl dass in den nächsten Monaten Wahlkampf in die Parlamente hineinschneit. Ein wenig Parlament ein wenig SM und kurz Straßenwahlkampf mit Abstand halten; wenn Anne Will und Maischberger mitschwingen, dann werden ein paar Ansätze zur Mehrheitessuche gleich mit externen Institutionellen besprochen. Normalerweise wird sowas erst nach der Wahl wieder aufgegriffen

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Die AfD wittert angesichts des verständlichen Verdrusses bei Gastronomie und Kultur über den November-Lockdown Morgenluft.""



    ==

    Kampf der Rechtsradikalpopulisten gegen Kultur und deren Mitarbeiter vor Corona:

    ""AfD will Theater sanktionieren""



    www.deutschlandfun...:article_id=406574

    ""In Leipzig wehrt sich die Freie Szene derzeit gegen einen Extremismusvorwurf der AfD, die den unabhängigen Künstlern Förder­gelder streichen will.""



    taz.de/AfD-macht-D...tutionen/!5591620/

    ""Eine Recherche von ARD und SZ dokumentiert, wie Theater, Opernhäuser und Museen von der Neuen Rechten unter Druck gesetzt und bedroht werden. Eine Chronik.""



    www.sueddeutsche.d...s-gewalt-1.4578106

    Kultur und afd ist ein Wiederspruch in sich - scheinheiliger geht es nicht mehr.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    seltsam auffällig fand ich bei dieser Debatte nur, dass die AFD sich das FDP Mäntelchen der Freiheit anzieht; eigentlich müßte denen jeder Ansatz von Restriktion zu Pass kommen. Der Länderkonsens hat nun zu der Vorgehensweise geführt die Putin im Frühjahr innerhalb von 4 Tagen erwirkt hat. Ich bin kein Mensch für Diktatur, bin es aber von den CDU Kabinetten der letzten Jahre leid, dass im Geiste des Konsens fast immer die Entscheidungen zu Gunsten der Begüterten fallen.



    Nun ist also davon auszugehen, dass Vermögende den besseren Impfstoff bekommen und vermutlich wird eine turnusmäßige Impfung sicherer sein als eine einmalige .... und wiederum wird selektioniert werden wer in dieser Gemeinschaft wertvoller ist

    • @92293 (Profil gelöscht):

      Und das schließen Sie aus exakt welchem Wortbeitrag der berichteten Debatte?

    • @92293 (Profil gelöscht):

      Nachdem es bisher überhaupt keinen wirksamen Impfstoff gibt, ist es doch müßig, zu spekulieren, was wäre wenn.