Regierungserklärung Seehofer: Der Freistaat hat die Krise
Horst Seehofer nennt den Milliardenverlust der BayernLB ein "Debakel". Die Opposition fordert jetzt Neuwahlen. Im Landtag liegen die Nerven blank.
Schon nach einer halben Stunde hat die CSU keine Argumente mehr. Der Gewohnheit nach sollte vorne am Rednerpult jetzt der Fraktionschef sprechen. Doch da steht Georg Winter. Georg Winter aus dem Haushaltsausschuss. "Ich bin nicht der Bankexperte", meint der CSU-Politiker Winter ganz offen. "Ich habe aber acht Jahre lang die Volksschule besucht." Aus heutiger Sicht seien Fehler passiert, sagt Winter. Das mit der politischen Verantwortung müsse man aber erst einmal prüfen. Das ist die Antwort der CSU.
Gerade hat die Opposition Neuwahlen gefordert. Horst Seehofer solle die Macht zurückgeben. "Die Wähler sollten über die Zukunft ihrer Heimat neu entscheiden", erklärt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Von allen Seiten dröhnen wütende Zwischenrufe durch den Plenarsaal. An diesem Dienstag liegen die Nerven blank im bayerischen Landtag. Schuld ist die Regierungserklärung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zum 3,7 Milliarden Euro schweren Desasterinvestment der Bayerischen Landesbank bei der österreichischen Hypo Group Alpe Adria (HGAA).
"Diese Dinge sind ein Debakel", erklärt Seehofer. Es gehe um "gigantische Beträge", die man für "weitaus sinnvollere Dinge" einsetzen hätte können. "Meine Regierung hat den Einstieg bei der Bank immer für falsch gehalten", verteidigt sich der Ministerpräsident. Noch bis zum Ende seiner Amtszeit wolle er die Landesbank privatisieren. Seehofer: "Ich mag nicht einsehen, warum der Freistaat Träger einer Geschäftsbank sein soll."
Das sah seine Partei lange anders. Ranghohe CSU-Politiker gestalteten im Verwaltungsrat der BayernLB die Geschäfte der Bank nur zu gerne mit. Den Kauf der HGAA im Jahr 2007 winkten sie ohne größere Kritik durch. Doch Seehofer mag an diesem Nachmittag keine Schuldigen benennen.
Namhafte Exverwaltungsräte wie Günther Beckstein und Erwin Huber seien heute nicht mehr in politischer Verantwortung, lobt Seehofer die Selbstreinigungskraft seiner Partei. Doch Beckstein trat nicht wegen der Landesbank als Ministerpräsident zurück, sondern weil er bei der Landtagswahl Stimmen verloren hatte. Und Erwin Huber leitet aktuell den Wirtschaftsausschuss des bayerischen Landtags. Den Namen Georg Schmid erwähnt Seehofer nicht.
Schmid war 2007 im Verwaltungsrat. Heute ist er Chef der CSU-Landtagsfraktion. Es wäre spannend zu hören, wie Schmid das dem Landtag erklärt. Doch Schmid spricht nicht. Die CSU-Fraktion schickt den Abgeordneten Georg Winter.
Die Opposition macht ihrer Wut Luft. "Der Freistaat Bayern befindet sich in der schwersten politischen Krise seiner Geschichte", dröhnt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Er spricht von "politischen Nullen", von "zur Verantwortung unfähigen Politikern". Er sagt: "Die Versager tragen ein Logo mit drei Buchstaben: CSU."
Die bayerische Regierung habe sich bei den Rettungsverhandlungen zur HGAA von Österreich über den Tisch ziehen lassen. Finanzminister Georg Fahrenschon müsse zu den Vorwürfen Stellung nehmen, er habe einen kritischen Prüfbericht zum HGAA-Kauf abmildern lassen. "Wenn die Vorwürfe stimmen, ist er als Finanzminister nicht mehr tragbar", erklärt Rinderspacher.
Die Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) ermahnt Rinderspacher, er sei zu hart zur Regierung: "Es geht hier immer noch um Menschen", meint Stamm. SPD und Grüne werfen der Präsidentin vor, sie habe sich parteiisch geäußert. Die Sitzung wird für ein Treffen des Ältestenrates unterbrochen.
Im neuen Jahr wird sich ein Untersuchungsausschuss mit dem HGAA-Debakel befassen. Horst Seehofer kündigt an, seine Regierung werde den Ausschuss unterstützen. "Wir haben eine Aufklärungs- und Informationspflicht", sagt Seehofer.
Der Opposition ist das zu wenig. Sie will, dass die Verursacher politische Verantwortung übernehmen. "Das ist der bayerischen Bevölkerung zu wenig", meint der Fraktionschef der Freien Wähler zu Seehofers Erklärung. Wenn man wie Seehofer von einer rückhaltlosen Aufklärung spricht, müsse man mehr bieten.
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