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Regierungsbildung nach Österreich-WahlÖVP, SPÖ und Neos wollen es jetzt miteinander versuchen

Der extrem rechte FPÖ-Chef Herbert Kickl wird nun wohl doch nicht der nächste Kanzler werden: Die Zweit- bis Viertplatzierten haben sich auf Koalitionsverhandlungen geeinigt.

Für ÖVP-Parteichef Christian Stocker ist das Kanzleramt zum Greifen nahe Foto: Georg Hochmuth/dpa

Wien dpa | In Österreich zeichnet sich fast fünf Monate nach der Wahl nun doch eine Regierung ohne den Wahlsieger, die rechte FPÖ von Parteichef Herbert Kickl, ab. Die konservative ÖVP, die Sozialdemokraten (SPÖ) und die liberalen Neos einigten sich auf Koalitionsverhandlungen, wie sie Bundespräsident Alexander Van der Bellen mitteilten. Der zeigte sich zuversichtlich: Er sehe jetzt nicht nur Kompromissbereitschaft, sondern auch einen Fokus auf das gemeinsame Ziel, teilte er mit.

„Wir sind in der Zielgeraden, wir sind noch nicht ganz am Ziel“, sagte Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. Sie betonte, dass es um eine proeuropäische Regierung gehe.

ÖVP, SPÖ und Neos waren bei den Nationalratswahlen am 29. September in der Wählergunst auf den Plätzen zwei, drei und vier gelandet. Rein rechnerisch erhielten sie zusammen gut 56 Prozent der Stimmen. Wahlsieger war aber die FPÖ mit allein 28,8 Prozent.

Extreme Rechte lamentieren von „Verlierer-Ampel“

Die drei Parteien hatten 2024 schon eine gemeinsame Regierung sondiert. Die Liberalen waren nach wochenlangen Gesprächen im Januar aber aus den Verhandlungen ausgestiegen. SPÖ und ÖVP setzten daraufhin die Gespräche fort, konnten sich aber nicht einigen.

Kickl versuchte danach vergeblich, eine Einigung mit der zweitplatzierten ÖVP zu finden. Die FPÖ sprach nun von einer „Verlierer-Ampel“, die „hinter den Kulissen an diesem größten Wählerbetrug der jüngeren Politikgeschichte“ gearbeitet habe. Kickls Partei hatte sich für eine Neuwahl ausgesprochen – Umfragen zufolge hätte sie dabei gute Chancen, noch mehr Stimmen auf sich zu vereinen.

ÖVP und SPÖ hoffen auf sichere Mehrheit mit Neos

ÖVP und SPÖ haben zusammen eine knappe Mehrheit von einer Stimme im Parlament. Sie wollten sich aber auf eine sichere Mehrheit verlassen können und holten deshalb diese Woche die Neos wieder mit ins Boot.

Die Liberalen berichteten von vertrauensvollen Kontakten. „Neos sind daher mit ÖVP und SPÖ übereingekommen, Gespräche für die Bildung einer Koalition und die Erarbeitung eines Programms zu beginnen“, schrieben sie auf ihrer Webseite. Knackpunkt ist noch, dass die Neos-Mitglieder einen Koalitionspakt zustimmen müssen. Die Mitgliederversammlung soll Ende kommender Woche stattfinden.

„Vor uns liegen große Herausforderungen“, schrieb ÖVP-Chef Christian Stocker auf der Plattform X mit dem Hashtag Koalitionsverhandlungen.

„Österreich wieder auf Kurs bringen“, schrieb die SPÖ von Parteichef Andreas Babler auf X.

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4 Kommentare

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  • Warum es jetzt klappen könnte? Weil die ÖVP die FPÖ-Option nicht mehr hat und damit drohen könnte. Oder innerparteilich jemand in jene Richtung stänkern könnte. Vielleicht alles bis jetzt sogar geplant so, damit die ÖVP-Spitze sicherer im Sattel sitzt.



    Hauptsache, ein gutes Programm holt sich auch mal das Geld von den Schwerreichen, saniert damit Haushalt und Soziales, die ÖVP kann währenddessen präsentieren und die Neos digitalisieren den Laden.

  • Noch eine Runde. Ob die Össis nochmal eine Regierung kriegen? Mal sehen, wer jetzt den begehrten Innenminister bekommt.

  • Naa. Bin gespannt wie lang das wohl halten wird...

  • Gute Nachrichten aus Österreich. Ich hoffe, die Koalitionäre verstehen (gerade mit Blick auf die scheidende Ampel in Deutschland), dass sie nicht nur die Richtung festlegen, sondern später auch liefern müssen. Sonst werden die Rechten bei der nächsten Wahl nicht mehr aufzuhalten sein.