Regierungsbildung in Österreich: FPÖ bleibt außen vor
Bundespräsident erteilt der zweitplatzierten ÖVP den Auftrag zur Regierungsbildung. Denn mit der rechtsradikalen FPÖ will bisher niemand regieren.
![Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen](https://taz.de/picture/7313593/14/Oesterreich-Regierung-Van-der-Bellen-1.jpeg)
„Ich beauftrage daher Karl Nehammer, den Vorsitzenden der zweitstärksten Parlamentspartei, mit der Regierungsbildung“, sagte Van der Bellen, der sein Vorgehen ausführlich erklärte. Damit kommt es nun zu Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und höchstwahrscheinlich einer dritten Partei, um die sonst nur hauchdünne Mehrheit abzusichern. Infrage kommen Grüne und die liberalen Neos, wobei letztere Variante als wahrscheinlicher gilt.
Zuvor hatte der Präsident die drei Großparteien zu Gesprächen aufgefordert, um ihre Positionen zu klären beziehungsweise zu verfestigen. Doch die Liste der Vorbehalte gegen die FPÖ bleibt lang.
„Sorgen um die liberale Demokratie, um Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung, mangelnde proeuropäische Haltung, Putin-Nähe, massive Sicherheitsbedenken der ausländischen Geheimdienste, spaltende Sprache, ein rückwärtsgewandtes Frauenbild, fehlende Abgrenzung zum Rechtextremismus“, zitierte Van der Bellen die ihm von ÖVP und SPÖ genannten Gründe gegen eine FPÖ-Regierungsbeteiligung.
Die inhaltlichen Gräben zwischen ÖVP und SPÖ sind tief
Nun verhandeln also ÖVP, SPÖ und die Kleinparteien. Ob es zu einer solchen Regierung kommt, ist fraglich. Die inhaltlichen Gräben sind tief, nicht erst seit dem dezidiert linkspopulistischen Kurs von SPÖ-Chef Andreas Babler.
Beobachter rechnen jedenfalls mit langen Verhandlungen, wohl bis ins neue Jahr hinein. Der von Van der Bellen ausgebremste Kickl gibt sich optimistisch und richtet seinen Anhängern auf Facebook aus: „Das mag für ganz viele von Euch wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Aber ich verspreche Euch: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Heute ist nicht aller Tage Abend.“
Fraglich ist, ob die ÖVP im Fall eines Scheiterns der Verhandlungen mit der SPÖ nicht doch eine Koalition mit der FPÖ erwägt. Einerseits, weil es viele inhaltliche Überschneidungen gibt. Zweitens, weil diese wohl zu großen Zugeständnissen bereit wäre. Und drittens, weil die FPÖ bei ansonsten drohenden Neuwahlen nur noch stärker abschneiden dürfte, womöglich zulasten der ÖVP.
Ganz vom Tisch ist eine Regierung mit der FPÖ also noch nicht. Es wäre nicht die erste: Im Bund koalierten ÖVP und FPÖ zuletzt von 2017 bis 2019 miteinander. In Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich sitzen beide gemeinsam in der Landesregierung.
Vorarlberg, wo vor einer Woche Landtagswahlen stattfanden, dürfte folgen – ÖVP und FPÖ verhandeln gerade, eine Einigung dürfte bald stehen.
FPÖ dürfte den Nationalratspräsidenten stellen
Eine andere Weichenstellung fällt bereits diesen Donnerstag: Dann nämlich tritt der neugewählte Nationalrat erstmals zusammen und wählt ein neues Präsidium. Als stimmenstärkster Partei steht der FPÖ laut realpolitischer Tradition erstmals auch der Erste Nationalratspräsident zu. Es ist die protokollarisch zweithöchste politische Position der Republik.
Die FPÖ hat dafür den langjährigen Parlamentsabgeordneten Walter Rosenkranz, 62, nominiert. Rosenkranz, zuletzt Volksanwalt, ist hochumstritten. Er gilt als stramm rechts, hat für die rechtsextreme Zeitschrift Aula geschrieben und ist Mitglied der schlagenden Burschenschaft Libertas.
Im Sammelband „150 Jahre Burschenschaften in Österreich“ listete Rosenkranz mehrere aktive Nationalsozialisten als „Leistungsträger“. Darauf angesprochen fand er keine klaren Worte zur Distanzierung von diesen Personen.
Noch offen ist, ob und mit welcher Mehrheit ihn die 183 Abgeordneten zum Präsidenten wählen werden. Die Wahl ist auch deshalb heikel, weil Nationalratspräsidenten nicht abgewählt werden können. Ein Ausscheiden aus dem Amt ist nur freiwillig möglich, andernfalls erst zum Ende der Legislaturperiode.
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