Regierungsbildung in Islamabad: Ein schwacher Premierminister
In Pakistan wollen die Muslimliga und die Volkspartei wieder eine Koalition bilden. An der Spitze steht ein alter Bekannter: Shehbaz Sharif.
„Beide Parteien haben die nötige Stärke, um die Regierung zu bilden“, sagte der 35-jährige PPP-Vorsitzende Bilawal Bhutto Zardari. Und dass trotz Protesten. Shehbaz Sharif versprach, gemeinsam mit seinem Koalitionspartner das Land aus allen politischen und wirtschaftlichen Krisen zu führen.
Die größte Gruppe der gewählten Abgeordneten sind jetzt jedoch Unabhängige, die der Gerechtigkeitspartei (PTI) des inhaftierten Ex-Premiers Imran Khan nahestehen. Sie durften aber nicht als PTI-Mitglieder kandidieren. Die Wahlkommission hatte erst kurz vor dem Urnengang beschlossen, die PTI von den Wahlen auszuschließen und damit auch ihr Wahlsymbol, einen Cricket-Schläger, von den Wahlzetteln verbannt. Die Symbole sind eine wichtige Orientierung für Wahlberechtigte, die nicht lesen können.
Trotzdem sind 93 der 266 Abgeordneten PTI-nahe Unabhängige. Das PTI-Verbot führte dazu, dass sich die Muslimliga unter Führung der einflussreichen Sharif-Familie mit 75 Sitzen zur Siegerin kürte. Anders als noch vor der Wahl vermutet, soll nicht der ältere Bruder und bereits mehrfache Premier Nawaz Sharif, sondern der jüngere Shehbaz Regierungschef werden. Er war schon von April 2022 bis August 2023 Premier einer Koalition jener zwei Parteien, die auch jetzt wieder zusammen die Atommacht regieren wollen. Shehbaz Sharif war damals Nachfolger des durch ein Misstrauensvotum gestürzten Ex-Cricketstar Imran Khan worden.
Khan hatte die Gunst des Militärs verloren
Shehbaz Sharif gilt im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Nawaz (74), der schon mehrfach Regierungschef war, als schwacher Premier. Erst vor wenigen Wochen war er aus dem Exil zurückgekehrt und von früheren Korruptionsvorwürfen freigesprochen worden. Eine Regierung von PML und PPP scheint für das mächtige Militär akzeptabler als eine von Imran Khan. Doch die PPP wollte Nawaz Sharif nicht als Premier haben.
Zur Sicherung ihrer Macht haben die Generäle schon früher dafür gesorgt, dass ihnen nicht passende Kandidat:innen nicht zu Wahlen antreten durften. Khan hatte die Gunst des Militärs verloren, ist aber in der Bevölkerung beliebter als die alte Garde der Familien Sharif und Bhutto-Zardari.
Um regieren zu können, „müssen die beiden Parteien noch eine Mehrheit im Parlament erringen“, sagt der Südasienwissenschaftler Muhammad Farhan Zaheer. Das dürfte mit Unterstützung unabhängiger Kandidat:innen gelingen, sagte Zaheer der taz. Schon kurz nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse gab es Meldungen, dass dies bereits geschehe.
„Das militärische Establishment will eine schwache Koalitionsregierung, und es sieht so aus, als würden sie genau das bekommen“, meint die Analystin Madiha Afzal. Dabei hätte das Land freie und faire Wahlen gebraucht, um wieder Stabilität herzustellen. Doch das Resultat sei nun Chaos.
Die Unzufriedenheit über die alte Garde wächst
In der Bevölkerung mache sich Unzufriedenheit breit. Manche interpretieren das starke Abschneiden von PTI-Politikern als Unabhängige als einen Wendepunkt. Es sei „nicht mehr business as usual“, sagt etwa Michael Kugelman vom Wilson Center in Washington D.C.
Der PTI-Sprecher Raoof Hasan erklärte, dem Volk sei das Mandant in einer „schändlichen Operation“ gestohlen worden. Die PTI geht zudem von massivem Wahlbetrug aus, nachdem die Auszählung der Stimmen verzögert wurde. Dieser Verdacht wird dadurch bestätigt, dass ein hochrangiger Beamter Wahlbetrug eingestand.
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