Regierungsbildung in Frankreich: Ein Kabinett der letzten Chance
Frankreich hat wieder eine Regierung, doch die Opposition möchte sie so schnell wie möglich wieder stürzen.

Lecornu war bei einem ersten Versuch der Regierungsbildung gescheitert und musste zurücktreten, wurde dann aber von Macron erneut mit der Bildung eines Ministerkabinetts beauftragt. Da ein Teil der bisherigen Regierungsparteien zuvor angekündigt hatte, dass sie nicht mehr mitmachen wollten und da auch weder die linke noch rechtspopulistische Opposition zum Einlenken bereit war, reduzierte sich für Lecornu die Auswahl der parteipolitischen Anwärter auf einen Ministerposten.
Für ihre Kompetenz bekannte Leute fand Lecornu hingegen außerhalb der Parteien in der zivilen Gesellschaft und Wirtschaft. So wird der bisherige Vorsitzende der staatlichen Bahn SNCF, Jean-Pierre Farandou, Arbeits- und Sozialminister. Der neue Innenminister Laurent Nuñez war bisher Polizeipräfekt von Paris. Und der neue Erziehungsminister Edouard Geffray ist ein Spitzenbeamter aus dem Bildungssektor.
Die neue Ministerin für Umwelt- und Klimafragen bringt als ehemalige WWF-Präsidentin ökologische Fachkenntnisse mit. Und der vormalige CEO der Ladenkette Super U, Serge Papin, ist in dieser Regierung als Minister für den Handel, den Tourismus, das Gewerbe und laut offizieller Bezeichnung auch für die Kaufkraft zuständig.
Minister mit politischem Gewicht
Im neuen Kabinett sitzen auch eine Reihe von Bisherigen mit politischem Gewicht: Justizminister Darmanin, Außen- und Europaminister Jean-Noël Barrot, Landwirtschaftsministerin Annie Genevard, Wirtschafts- und Finanzminister Roland Lescure, Kulturministerin Rachida Dati; Amélie de Montchalin bleibt für den Staatshaushalt, die derzeit zentrale Aufgabe, verantwortlich. Und Catherine Vautrin wechselt vom Gesundheits- und Sozialministerin zur Verteidigung.
Sieben der als Minister oder Staatssekretäre Bestätigten oder neu Nominierten kommen aus der konservativen Partei Les Républicains (LR), die eigentlich eine weitere Regierungszusammenarbeit mit den Macronisten am Samstag abgelehnt hat. LR-Parteichef, Ex-Innenminister Bruno Retailleau, ist wütend, er hat angekündigt, sie würden ausgeschlossen und könnten sich nicht mehr auf LR berufen.
Betroffen wäre dabei namentlich Kulturministerin Dati, die mit Unterstützung von LR und der Macronisten im März Bürgermeisterin von Paris werden will. Am Samstag gab es innerhalb von LR wegen der Frage der Regierungsbeteiligung Streit. Dass sich mehrere Persönlichkeiten der Partei über Retailleaus Beschluss hinwegsetzen, ist ein Beleg für die existierende Spaltung.
Linke will Misstrauensantrag vorbereiten
Geschlossen bleibt hingegen die Linke in ihrer Ablehnung einer Mitarbeit. La France insoumise will unverzüglich einen Misstrauensantrag gegen die Regierung Lecornu einreichen. Die Sozialisten und Grünen möchten ihm offenbar noch eine letzte Chance geben, falls er bereit wäre, glaubwürdige Zugeständnisse bei der Umsetzung der Rentenreform zu machen.
Das rechtspopulistische Rassemblement national (RN) dagegen will wie LFI den baldmöglichsten Sturz der Regierung, und danach Neuwahlen oder noch lieber den Rücktritt von Präsident Macron. Dieser überlässt die Innenpolitik ganz seinem Regierungschef, er reiste am Montag nach Ägypten. Lecornu soll am Dienstag nach einem ersten Ministerrat seinen Staatshaushalt für 2026 vorlegen und vor den Abgeordneten eine Rede mit seiner Regierungserklärung halten.
Mit einer regierungsfähigen Mehrheit kann er nicht rechnen. Der Sturz durch ein Misstrauensvotum ist bloß eine Frage des Termins. Noch mehr als bei seinen Vorgängern Michel Barnier und François Bayrou sind die Tage dieser Regierung von Beginn weg gezählt.
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