Regierungsbildung in Brandenburg: BSW erstmals an der Macht
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke ist wiedergewählt, wenn auch erst im zweiten Anlauf. Erstmals ist das BSW Teil einer Landesregierung.
Woidkes Partei war aus der Landtagswahl am 22. September als stärkste Kraft vor der AfD hervorgegangen. Doch gleichzeitig verlor die CDU so klar, dass beide im neuen Landtag zusammen nur 44 Stimmen hätten, eine weniger als notwendig für eine Mehrheit. Grüne und Linkspartei wiederum schafften den Wiedereinzug nicht. Jenseits von ausgeschlossenen Bündnissen mit der AfD blieb so als einzige Möglichkeit eine SPD-BSW-Koalition.
Die Blumen – mal gelb-orange, mal dunkelrot – sind durchaus noch frisch, als Woidke und wenig später auch das von ihm ernannte Kabinett sie in den Händen halten. 50 Abgeordnete haben im zweiten Wahlgang in geheimer Wahl für den SPD-Mann gestimmt. Nun ist die Frage nicht, wer sich anfangs verweigerte, sondern woher die Stimmen stammen, die Woidke über jene 46 seiner eigenen Koalition hinaus bekommen hat.
Die CDU wolle sichergehen und mit einigen Stimmen Woidke unterstützen, war schon vor Sitzungsbeginn auf der Pressetribüne zu hören. Aber würde das so sein? Immerhin bewahrheiteten sich auch Mutmaßungen nicht, die AfD könnte einen Kandidaten aufstellen. Tatsächlich gibt es im Politikbetrieb des 2,6-Millionen-Landes zwischen SPD und CDU auch persönliche Sympathien. Woidke selbst, seit 2013 im Amt, sieht in seinem Wahlergebnis einen „Vertrauensvorschuss“ von der oppositionellen CDU.
Doch CDU-Fraktionschef Jan Redmann dementiert per Pressemitteilung: Es habe keine Zustimmung aus der CDU gegeben, heißt es von ihm – „Dietmar Woidke ist nach Thomas Kemmerich der zweite Ministerpräsident, der mit den Stimmen der AfD ins Amt kommt.“ Die AfD wiederum nennt die CDU „Königsmacher“.
In der SPD hatte man sich auch nach dem gescheiterten ersten Wahlgang gelassen gegeben, Abgeordnete standen plaudernd zusammen. Dabei galt das Ergebnis als Überraschung. Denn dass eine Stimme fehlen würde, war erwartbar, nicht aber mehrere: Der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf hatte angekündigt, aus Widerstand gegen ein Raketenabwehrsystem nicht für Woidke zu stimmen. „Wer die Aufstellung der Arrow 3 in Brandenburg unterstützt, kriegt meine Stimme nicht“, sagte Hornauf schon Ende November. Er deutete dabei an, andere dächten wie er. Tatsächlich fehlten Woidke eingangs mindestens 3 von 46 Stimmen.
BSW stellt erstmals Minister
Mit der klaren Mehrheit im zweiten Wahlgang erwischt Woidke nun immerhin einen noch besseren Start als sein Ministerpräsidentenkollege im benachbarten Berlin, dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU): Dem fehlte im April 2023 gleich in zwei Wahlgängen in seiner ebenfalls neuen schwarz-roten Koalition die notwendige Mehrheit. Zudem behaupteten AfD-Abgeordnete, im dritten Wahlgang für ihn gestimmt zu haben. Seither allerdings arbeitet die Berliner CDU-SPD-Koalition ohne öffentlich ausgetragenen Streit zusammen.
Im neuen brandenburger Kabinett führt das erst im Januar als Partei gegründete BSW drei von neun Ministerien und stellt damals erstmals in Deutschland Landesminister. BSW-Landeschef Robert Crumbach, ein vormaliger Arbeitsrichter, der über 40 Jahre SPD-Mitglied war, übernimmt das Finanzministerium und ist nun Vize-Ministerpräsident.
Am Nachmittag, als nach einer Pause das neue Kabinett erstmals vor den Abgeordneten sitzt, steht die Mehrheit der Koalition schon auf Anhieb: Bei der Abstimmung zum „Siebten Gesetz zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes“ gehen bei SPD und BSW alle Hände hoch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen