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Regierung wegen Gaspreisen unter DruckDie Angst vor dem eiskalten Herbst

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Die hohen Gaspreise belasten Millionen VerbraucherInnen. Sparen hilft schon eine Menge – aber die Koalition muss Geringerverdienende unterstützen.

Kein Tauwetter in Sicht Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

A nnalena Baerbock fürchtet Volksaufstände, Robert Habeck wird schon auf seiner Sommerreise beschimpft und ausgebuht. Das Gespenst der französischen Gelbwesten müssen die grünen Spitzenpolitiker und die Ampelkoalition gar nicht bemühen, aber die Angst vor dem eiskalten Herbst ist berechtigt. Dann werden sich in den Briefkästen von Millionen GaskundInnen Forderungen der Versorger finden, die ihre Rechnungen locker verdoppeln, verdrei- oder gar vervierfachen werden. Rechnungen mit politischer und sozialer Sprengkraft.

Wer soll das bezahlen? „You will never walk alone“, überstrapazierte SPD-Kanzler Olaf Scholz in der vergangenen Woche ein Fußball-Lied – und nannte nicht die ganze Wahrheit. Die Umlage, die Gaskunden ab Oktober zahlen sollen, damit die Versorger nicht in die Knie gehen, liegt nämlich wohl nicht bei 200 bis 300 Euro für eine vierköpfige Familie im Jahr, wie Scholz sagte. Es dürften locker 1.000 bis 1.200 Euro sein, folgt man den Ankündigungen von Wirtschaftsminister Habeck. Und diese Summe kommt noch auf bereits vollzogene oder angekündigte Preissteigerungen der Versorger obendrauf.

Eine Wohngeldreform mit Heizkostenzuschuss plus Kündigungsschutz für klamme Mieter, wie sie der Kanzler ab kommenden Jahr zur Entlastung angekündigt hat, kommt viel zu spät – und hilft zu ungenau. Aber: Kräftige Wohltaten für die BürgerInnen sind in einem Haushalt, wie ihn sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorstellt, nicht vorhanden. Das klingt nach Koalitionskrach.

Schnöde, aber am wichtigsten, um sich gegen Putin und seine zynische Zitterpolitik beim Gas zu stemmen: Energie sparen. Es ist ermutigend, wie viele Unternehmen schon angekündigt haben, ihren Gasverbrauch radikal zu drosseln. Und auch viele Privatiers haben längst reagiert: Heizung runter, nicht so viel warm duschen! Nur wenn genug Gas vorhanden ist, muss der Staat nicht zu noch härteren Mitteln wie der Rationierung greifen.

Subventionen treffen die Falschen

Deshalb führt auch der Vorschlag, die Gaspreise zu deckeln, in die Irre. Selbst die Idee, einen Grundverbrauch pro Person oder 80 Prozent des Verbrauchs des vergangenen Jahres zu subventionieren, könnte die Falschen treffen– soll derjenige belohnt werden, der im vergangenen Jahr besonders lange warm geduscht hat?

Ergo: Die Preise für die klimaschädliche Energie müssen rauf. Und: Das muss ausgeglichen werden, um Bedürftige – und das sind Millionen – zu schonen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die Hausnummer genannt, mit der Haushalte mit einem Jahreseinkommen bis zu 40.000 Euro entlastet werden sollten: Sie sind längst besonders stark durch die Inflation belastet – und benötigen sicher 100 Euro pro Person und Monat, um einigermaßen über den Herbst und Winter zu kommen. Und zwar schon bald. Die Heizperiode beginnt in etwas mehr als zwei Monaten.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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9 Kommentare

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  • Hier fließt das beim kälter Duschen eingesparte Gas hin:

    "Es fließe auch viel Gas aus Deutschland nach Frankreich ab, "weil die französischen Gaskraftwerke ebenfalls auf Hochtouren laufen, um den Atomausfall zu kompensieren".



    www.heise.de/tp/fe...94495.html?seite=2

  • So, so, die Gaspreise explodieren. Wann tun Preise das? Genau, wenn das Angebot der Nachfrage nicht standhält. Verknappt man also das Angebot künstlich, z.B. durch unbedachte, vorschnelle, um nicht zu sagen populistische und Effekte haschende Sanktionen, zieht das selbstverständlich eine Preissteigerung nach sich. Doch nicht nur diese Sanktionen allein. Die neu zu beschaffenden Mengen an Gas müssen nun zum gestiegenen Preis besorgt werden, von Lieferanten, welche sich bei näherem Hinsehen als deutlich zwielichtig erweisen und das Gas auch noch mit katastrophal umweltschädlichen Methoden fördern, von den exorbitanten Lieferkosten ganz zu schwiegen. (Abhängigkeiten 2.0?) Und wenn man dann noch nicht einmal in der Lage ist, die möglicherweise zu Verfügung stehenden Liefermengen "anzulanden" (Eine Pipeline stünde ja zur Verfügung, wird aber sinnentleert in doppeltem Sinne boykottiert) und weiterzuleiten, ist nur noch verzweifeltes Kopfschütteln seitens der wirklich Betroffenen angesagt. Das Politikerlamento vom kalten Winter samt der Energiespartipps und -aufforderungen sowie Solidaritätsappelle sind einfach nur noch zynisch, sollen doch nichts mehr, als angebliche Mitbetroffenheit suggerieren und vom Politikversagen ablenken.

    • @Trabantus:

      Glauben sie wirklich Putin würde das Druckmittel Gas ohne Sanktionen nicht nutzen? Würde man die Sanktionen fallen lassen wären es eben die Waffenlieferungen an die Ukraine oder der Umstand, dass man die russische Invasion verurteilt, Nawalny unterstüzt, die Krim nicht als russisches Territorium anerkennt, ... Wie weit also sollte man Werte und Prinzipien aufgeben um sich diesen Diktator gewogen zu machen?

      • @Ingo Bernable:

        Die Frage ist halt ob man einer "Abhängigkeit" abschwört und einer neuen sich so offen und unüberlegt zuwendet.

        Natürlich kann man gerne "Werte" und "Prinzipien" vertreten, dann sollte man aber weder mit USA, noch den Emiraten/Saudies kuscheln. Sonst ist das mit den "Werten" und "Prinzipien" sooo ich weiß nicht....

        Somit entweder oder? Ansonsten bitte neue Erklärungen suchen, die Wörter "Werte" und "Prinzipien" sind da nicht die besten Schlagwortgeber...

        • @Daniel Drogan:

          "Somit entweder oder?" Alles oder nichts. Wenn schon, denn schon. Wenn wir Putin sanktionieren, dann aber auch die Saudis, die USA, ... sonst macht man sich ja 'ungaubwürdig'! 'Doppelmoral!!!' Und weil wir uns nicht von wirklich jedem anderen Land in der Welt distanzieren können um damit unter Beweis zu stellen, dass es uns mit Werten und Prinzipien aber auch wirklich ernst ist, lassen wir es lieber gleich ganz bleiben und machen auch mit Kriegsverbrechern und Völkermördern weiter uneingeschränkt Geschäfte. Ich halte von dieser Logik nicht sehr viel weil sie konkret eben so gar nichts verbessert. Klar kann man auch an den USA einiges kritisieren und vieles davon auch zu recht, aber realistisch gesehen sind graduelle Verbesserung und einen zumindest teilweise prinzipienorientierte Politik immer noch besser als von vornherein amoralisch zu agieren.

          • @Ingo Bernable:

            Nein ich würde statt mit jedem Geschäfte zu betreiben, eher den anderen Weg gehen. Je nach Ausprägung (ihr "graduell" etwas anders) akzeptiert man von allen eben nichts. Was bringt es mir mich mit den Amerikanern unter die Decke zu legen, welche mich tagtäglich ausspäht, Fracking für Gas benutzt, foltergefängnisse hat, Kriege zur Machtsicherung und -ausweitung durchführt. Zu keinem zeitpunkt als diese Punkte aufkommen oder bis heute, haben wir je darüber nachgedacht, hey, sollen wir die Amerikaner vielleicht sanktionieren? Es steht nicht mal zur Debatte, DAS ist das was ich kritisiere!

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    " ... aber die Koalition muss Geringerverdienende unterstützen."



    Muß er nicht. Er muß dafür sorgen, daß jeder von 40 Std. Arbeit die Woche ohne SOZE in Würde leben kann.

    • @82286 (Profil gelöscht):

      Und Geringverdienende können nicht in diese Kategorie fallen? Schauen's sich einfach mal um...

  • „Ergo: Die Preise für die klimaschädliche Energie müssen rauf. Und: Das muss ausgeglichen werden, um Bedürftige – und das sind Millionen – zu schonen“

    Die Preise für Energien machen nicht Deutschland oder die Deutsche Politik oder die Grünen. Sparen müssen alle, nicht nur die Nicht-Bedürtigen. Sonst werden die Preise für Energie genauso steigen, wie die Mieten (die für Bedürftige auch immer übernommen werden, egal wie hoch)