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Regierung beschließt StationierungDeutsche Patriots für die Türkei

Raketen und 400 deutsche Soldaten werden an die türkisch-syrische Grenze verlegt. So will es die Bunderegierung. Der Nutzen ist zweifelhaft.

Umstrittener Einsatz: Granaten können mit den deutschen Raketen gar nicht abgefangen werden. Bild: dapd

GENF taz | Das Bundeskabinett hat am Donnerstag grünes Licht für die Stationierung von 24 Abwehrraketen des Typs Patriot (PAC-3) der Bundeswehr erteilt. Damit verbunden ist die Stationierung von bis zu 400 deutschen Soldaten an der türkisch-syrischen Grenze ab Januar nächsten Jahres. Die endgültige Entscheidung über den neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr soll am Freitag nächster Woche im Bundestag fallen.

Der militärische Sinn dieses Einsatzes bleibt unklar. Die Patriot-Raketen seien „ein reines Defensivsystem“ und ihre geplante Stationierung diene „ausschließlich dem Schutz des Nato-Partners Türkei gegen syrische Angriffen, unter anderem mit Chemiewaffen“, betonten Bundesaußenminister Guido Westerwelle und Verteidigungsminister Thomas de Maizière in einer gemeinsamen Erklärung.

Bislang hat es lediglich vereinzelte Granatenangriffe syrischer Streitkräfte gegen mutmaßliche Stützpunkte syrischer Rebellen auf türkischem Boden gegeben. Gegen solche tieffliegende Granaten können die PAC-3 überhaupt nichts ausrichten. Sie eignen sich lediglich zur Abwehr von höherfliegenden Drohnen, Marschflugkörpern, Flugzeugen sowie von Mittelstreckenraketen mit Reichweiten bis zu 1.000 Kilometern.

Warum die syrischen Streitkräfte, die trotz massiver militärischer Überlegenheit nicht mit den Rebellen im eigenen Land fertig werden, derartige Waffen gegen die Türkei einsetzen und damit einen Krieg mit der Nato provozieren sollten, bleibt völlig schleierhaft.

Bundeswehr-Patriots keine große Hilfe

Für diesen Fall wären die 24 Patriot-Raketen der Bundeswehr auch keine große Hilfe. Denn mit Reichweiten von maximal 68 Kilometern könnten sie nur einen kleinen Teil der über 900 Kilometer langen türkisch-syrischen Grenze gegen gegnerische Flugobjekte sichern.

Durch die Zerstörung von Raketen mit Chemiewaffen an Bord würden die Soldaten der deutschen Patriot-Staffeln die Zivilbevölkerung in Syrien und in der Türkei in tödliche Gefahr bringen, weil die hochgiftigen Substanzen dann je nach Windlage über beiden Ländern niedergehen würden.

Westerwelle und de Maizière erklärten, mit dem Mandat für die Stationierung der Patriots „ausgeschlossen“ sei eine deutsche Beteiligung an der Einrichtung oder Überwachung einer möglichen Flugverbotszone über syrischem Territorium. Doch genau für ein solches Szenario machten die Patriots militärisch tatsächlich Sinn, wie die türkische Zeitung Milliyet bereits Mitte November unter Berufung auf US- und türkische Militärs berichtete.

Dabei geht es um die Schaffung einer Pufferzone auf der syrischen Seite durch die türkische Armee und die Absicherung dieser Zone gegen syrische Luftangriffe. Zunächst könnten damit die über 100.000 Flüchtlinge mindestens teilweise auf syrischem Boden untergebracht werden. Zweitens hätten die syrischen Rebellen ein befreites Gebiet und könnten ebenfalls aus der Türkei abziehen. Drittens könnte die türkische Armee Grenzregionen, die im Moment von syrischen Kurden und der PKK kontrolliert werden, „säubern“.

Mit logistischer Unterstützung der USA soll laut Milliyet die türkische Luftwaffe auch die Kontrolle des Luftraums über der Pufferzone übernehmen. Die deutschen Patriots wären in diesem Szenario dann dafür da, die türkische Luftwaffe gegen syrische Angriffe zu schützen.

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8 Kommentare

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  • SD
    Stimme der Demokratie

    Raus aus der NATO mit der Türkei!

  • S
    seppu

    @Theodor

     

    Wenn Sie sich schon auf die Geschichte berufen:

    Nazi- Deutschland hatte im Gegensatz zu Syriens Assad NICHT mit militärischer, vom Ausland unterstützter, Opposition zu kämpfen.

    Erst NACH Abschluss des Hitler-Stalin Pakts hat die Wehrmacht „zurückgeschossen“, also den Angriffskrieg begonnen!

    Erst NACH den Blitzsiegen in Europa erfolgte der Überfall auf die Sowjetunion.

    Wo um alles in der Welt sehen Sie Parallelen zur syrischen Politik ???

    Bitte, bitte informieren Sie sich doch erst mal, BEVOR Sie derartigen Unfug in die Welt setzen.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Zweiter_Weltkrieg

    http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-sowjetischer_Nichtangriffspakt

  • H
    Holger

    Ein Großteil der Kommentatoren hier scheint in Assad verliebt zu sein und möchte offenbar dessen Terror durch Wegschauen auch noch unterstützen - ich kann allen diesen Assad-Freunden nur raten, von jetzt ab persönlich für den Tod der vom Assad-Regime abgeschlachteten Kinder einzustehen.

  • NH
    nach hinten

    Wenn das mal nicht nach hinten los geht.

     

    Aber schon interessant, wie solch wesentliche Vorgänge heutzutage still und leise durch gewunken werden.

  • MH
    Martin Hendrich

    Der Sinn des Patriot-Einsatzes ist offensichtlich. Allerdings werden Parlament und Öffentlichkeit gezielt belogen. Offiziell dienen sie zur Verteidigung des NATO-Partners Türkei gegen Syrische Angriffe (wobei die Wahrheit ist, dass die Türkei seit vielen Monaten intensiv militärische Angriffe auf Syrien aus ihrem Territorium unterstützt, und Angriffe auf die Türkei keinen Sinn für Syrien machen - sie wären extrem kontraproduktiv für syrische Interessen).

    Für die Halbfachleute im Parlament werden dann wohl Rules of Engagement und OPLAN der NATO vorgelegt, die eine Beschränkung auf reine Verteidigung vorspiegeln. Damit kann beruhigt abgenickt werden, und man muss nicht die Amis vergrätzen. Diese Rules of Engagement können dann - wenn die deutschen Einheiten vor Ort stationiert sind, getrost vergessen werden:

    "Once the Dutch (more in a second), Germans, and Americans send their Patriot systems to Turkey, one or more of these countries can choose at any time to "re-flag" their contingent so that they operate under national control. So, if the US decides that it wants its Patriots to engage Syrian planes and missiles that are aimed at Syrian targets, it can choose to do so even if NATO has a restrictive OPLAN (operations plan). I have had interesting conversations with sailors about ships being under NATO command until it becomes inconvenient, the ships become re-flagged as not under NATO command, do what they have to do, and then re-flag. Again, I am curious about the OPLAN that NATO has or will be writing, as the devil is a bit more in the details despite what SACEUR may be saying about "defensive" orientations." http://saideman.blogspot.ca/2012/12/nato-patriots-missiles-oh-my.html

  • S
    schwarzrot

    Ist doch Klasse wenn die schon mal da unten stationiert sind wenn Israel und USA den Iran angreifen...

  • T
    Theodor

    "Warum die syrischen Streitkräfte, die trotz massiver militärischer Überlegenheit nicht mit den Rebellen im eigenen Land fertig werden, derartige Waffen gegen die Türkei einsetzen und damit einen Krieg mit der Nato provozieren sollten, bleibt völlig schleierhaft" - ein sehr seltsamer, unfassbar dummer Satz. Soweit ich mich erinnere, hat mal so vor ca. 73 Jahren ein kleines Land in der Mitte Europas der ganzen Welt den Krieg erklärt, dafür gab es auch keinen rationalen Grund.

     

    Wie man so offen geschichtsvergessen sein, ist mir vollkommen schleierhaft.

  • P
    pkoop

    Ohne UNO-Mandat ist es ein Kriegseinsatz:

     

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    ohne UNO-Mandat ist es einfach nur ein Kriegseinsatz deutscher Soldaten zusammen mit Sunniten und Salafisten gegen Alawiten. Mit Flugabwehrraketen kann man jedenfalls keine verirrten Granaten "einsammeln". Mir ist sehr unwohl bei dem Gedanken, dass deutsche Soldaten zusammen mit Sunniten und Salafisten Waffenbrüderschaft feiern.