Reform nach „Neuland“-Fleisch-Skandal: Siegel soll glaubwürdiger werden
Die Organisation für tiergerechtere Haltung verschärft ihre Richtlinien. Damit schließt sie endlich ein Schlupfloch für Betrüger.
Bei Bioprodukten war so eine systematische Warenflusskontrolle schon lange vorgeschrieben, bei Neuland dagegen nicht. Und genau diese Lücke ermöglichte erst den Etikettenschwindel, der im April 2014 bekannt wurde: Dem größten Hähnchenfleischlieferanten wurde vorgeworfen, jahrelang Tiere aus Industrieställen umdeklariert zu haben. Außerdem räumte ein Vertriebschef von Neuland ein, dass er nichtzertifizierte Hühnchen und Lämmer bezogen habe. Der Verein verlangt zum Beispiel Auslauf und Betriebe mit vergleichsweise wenigen Tieren.
Solche Verstöße sollen durch Inspektionen der Göttinger Kontrollstelle GfRS verhindert werden, die der Neuland-Verein beauftragt hat. Sie muss alle Betriebe mindestens einmal jährlich unangemeldet überprüfen. Auch andere Regeln hat der Verein verschärft. Bedingungen wie das Verbot, Schweinen die Schwänze zu kürzen, sind „K.-o.-Kriterien“. Wenn diese verletzt werden, darf die betreffende Warenpartie nicht mehr als Neuland-Ware vermarktet werden. Zulässige Anträge auf Ausnahmen etwa zum Bezug von Jungtieren prüft künftig eine spezialisierte Kontrollkommission.
Diese Schritte führten zur „Stärkung der Glaubwürdigkeit des gesamten Projektes“, sagte Hubert Weiger, Chef der Umweltorganisation BUND, die wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und der Tierschutzbund zu den Trägerverbänden von Neuland gehört. Sie wollten das Siegel erhalten, denn „für uns ist Neuland nach wie vor die Blaupause für die Agrarwende in der Tierhaltung“, wie AbL-Chef Martin Schulz erklärte.
Der Vorfall hat Neuland, das einen kaum messbaren Marktanteil hat, aber weit zurückgeworfen: Die Zahl der teilnehmenden Landwirte ist Dettmers Angaben zufolge seit Ende 2013 um 12 Prozent auf 146, die Zahl der Schlachterfachgeschäfte sogar um rund 40 Prozent auf 40 gesunken.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen