Rechtslastiger Ex-Verfassungsschutzchef: Noch ein Merkel-Gegner vom Amt
Hamburgs ehemaliger Innensenator Heino Vahldieck (CDU) macht bei der „Merkel muss weg“-Kampagne mit. Dort sind auch Neonazis dabei.
Erst vor wenigen Tagen hatte der Hamburger Verfassungsschutz (VS) dieser Facebook-Gruppe attestiert, zunehmend „rechtsextremistisch“ zu sein. „Dieser Facebook-Gruppe gehören nicht nur bekannte Rechtsextremisten an, sie schreiben dort auch eigene Beiträge“, erklärte der VS.
Schon nach den ersten Kundgebungen gegen Merkel in der Innenstadt hatte das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR) auf die rechtsextremen Verstrickungen hingewiesen. Nicht bloß Demo-Organisator Thomas „Togger“ Gardlo hat eine rechtsextreme Vergangenheit und trainiert die „Identitäre Bewegung“ (IB).
In den Reihen der Anti-Merkel-Fans standen vermeintliche Wutbürger, IBler, NPD-Kader mit AfD-Anhängern und -Funktionsträger zusammen gegen die Asyl- und Einwanderungspolitik auf der Straße. Felix Krebs vom HBgR weist darauf hin, wer Mitglied dieser Internetgruppe werden möchte, müsse aktiv beitreten oder die Hinzufügung durch Dritte autorisieren.
Vahldieck hat sich den Ruf als harter Hund erworben
In der Hamburger Politik hatte sich der jetzt 63-jährige Vahldieck von 1986 bis 2002 als CDU-Innenpolitiker den Ruf eines harten Hundes erworben. In der CDU-Schill-Koalition wurde der Verwaltungsjurist 2002 unter Innensenator Ronald Schill Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz. Mit dem „gnadenlosen Richter“ Schill einte ihn ein markiges Durchgreifen gegen vermeintliche Chaoten, Dealer und Gesindel.
Sechs Jahre später machte der zum CDU-Bürgermeister aufgestiegene Christoph Ahlhaus, der damals Mitglied der schlagenden studentischen Verbindung „Turnerschaft Ghibellinia“ in Heidelberg war, Parteifreund Vahldieck zum Innensenator. Kurz darauf rückte der ihm unterstellte Verfassungsschutz die Besetzer des Gängeviertels in die Nähe des Linksextremismus. Von „linksextremistisch beeinflussten Künstlerprojekten“ und dem „linksextremistisch beeinflussten Netzwerk ‚Recht auf Stadt‘“ wurde im Bericht 2009 schwadroniert.
Bei der Bürgerschaftswahl 2011 trickste sich Vahldieck in Erwartung eines Wahlsieges von Olaf Scholz (SPD) in die Bürgerschaft zurück. Als Innensenator kannte er frühzeitig die komplizierten Wahlzettel, die wegen des neuen Wahlrechts notwendig wurden. Bewusst kandidierte er auf dem aussichtslos scheinenden CDU-Listenplatz 31 – denn der stand ganz oben auf der zweiten Seite des Wahlzettels und wurde deshalb von vielen offenbar schlichten Gemütern angekreuzt.
„Ganz oben bringt mehr Aufmerksamkeit“, gab Vahldieck nach der Wahl grinsend zu – Parteifreunde hingegen nannten sein Vorgehen offen „eine Schweinerei“, der Hamburger Verfassungsrechtler und ehemalige CDU-Abgeordnete Ulrich Karpen kritisierte, Vahldieck habe sich mit „Herrschaftswissen einen Startvorteil verschafft“.
Nach nur zehn Monaten legte er dann zum Jahresende 2011 sein Bürgerschaftsmandat nieder und wurde Geschäftsführer der städtischen Bike&Ride-Betriebsgesellschaft – als Ex-Amtsleiter besaß er ein Rückkehrrecht in die Verwaltung oder in Öffentliche Unternehmen.
Sympathien für Ungarns Autokraten Viktor Orban
Politisch äußert er sich weiterhin gerne – auf seiner Facebookseite. Dort bekundet er Sympathien für die aus der Union ausgeschiedene AfD-Freundin Erika Steinbach oder Ungarns Autokraten Viktor Orban. Bereits 2016 schrieb er „time to say goodbye“ und rief auch zum „Aufstand zum Widerstand gegen Merkel“ auf. Eine Ausgrenzung der AfD hält er für falsch und den „Kampf gegen rechts“ für „verlogen“.
Diese Aktivitäten eines „reaktionären CDU-Mitglieds wäre an sich keine Aufmerksamkeit wert, sagt Krebs. Doch bei der Nähe von Sicherheitsbehörden und rechtem Milieu müsste diese Beziehungen „alarmierend“ sein. „Als ehemaliger Geheimdienstchef und Innensenator dürfte Herr Vahldieck nicht nur immer noch über viele Kontakte verfügen“ sagt Krebs, „sondern auch über erhebliches, vertrauliches Wissen über die extreme Rechte, wie auch ihre Gegner.“ Und er fragt: „Wird Vahldieck jetzt zum Beobachtungsobjekt seines ehemaligen Amtes?“
Wohl nicht. Ein Sprecher räumte auf Anfrage der taz zwar ein: „Die Mitgliedschaft in der Facebook-Gruppe ist natürlich ein Hinweis auf Sympathie gegenüber der Kampagne“, vor der das Landesamt für Verfassungsschutz erst kürzlich gewarnt hatte. Sie allein sei jedoch „kein hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkt“, Einzelpersonen zu den „als rechtsextremistisch eingestuften Organisatoren“ hinzuzurechnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen