Rechtslage bei Coronamaßnahmen: Was der Bundestag tun könnte
Der Bund kann vorschreiben, wie die Bundesländer die Pandemie bekämpfen sollen. Ein Alleingang der Kanzlerin ist aber nicht möglich.
![Angela Merkel sitzt auf einem Talkshow-Sessel und spricht Angela Merkel sitzt auf einem Talkshow-Sessel und spricht](https://taz.de/picture/4767883/14/27111123-1.jpeg)
Die Drohung ist ernst zu nehmen. Wenn die Bundesländer weiterhin die notwendigen Maßnahmen gegen die dritte Welle verweigerten, könne der Bundestag auch das Infektionsschutzgesetz ändern – so Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Talkshow von Anne Will.
Bisher sind die Länder für die Lockdown-Politik weitgehend allein verantwortlich. Das Infektionsschutzgesetz zählt zwar 17 zulässige Maßnahmen auf (§ 28a), aber ob diese zum Einsatz kommen, entscheiden die Landesregierungen per Verordnung.
Um eine einigermaßen einheitliche Linie zu verfolgen, versuchen sich die Länder in regelmäßigen Bund-Länder-Konferenzen abzusprechen. Deren Beschlüsse sind aber reine Empfehlungen. Die Kanzlerin ist bei diesen Konferenzen zwar dabei und bereitet diese oft auch vor. Sie kann den Ländern aber keine Vorgaben machen.
Wenn die Bundesregierung Lockdown-Regelungen mit bundesweiter Verbindlichkeit beschließen wollte, könnte der Bundestag im Infektionsschutzgesetz eine Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung einfügen. Für eine derartige Änderung wäre aber die Zustimmung des Bundesrats erforderlich. Die ist wohl kaum zu erhalten, denn dann würden die Länder ihre Steuerungsmöglichkeiten ganz aus der Hand geben. Auch Merkel und Innenminister Horst Seehofer (CSU) streben wohl keine Verordnungs-Ermächtigung für die Bundesregierung an.
Eine andere Idee
Vielmehr wollen Merkel und Seehofer, dass der Bundestag die erforderlichen Lockdown-Regeln direkt im Infektionsschutzgesetz regelt. Die bisher eher vagen Vorgaben in Paragraph 28a könnten dann durch ein präzises Programm ersetzt werden. Dort würde dann stehen, welche Maßnahme bei welchem Inzidenzwert zu ergreifen ist und welche Voraussetzungen für welche Öffnungsmaßnahme erforderlich sind.
Auch für eine derartige Änderung des Infektionsschutzgesetzes wäre die Zustimmung des Bundesrats erforderlich. Dies klingt aufwendig, doch wenn der politische Wille da ist, können Bundestag und Bundesrat binnen einer Woche ein neues Gesetz beschließen. Merkel ging im Gespräch mit Anne Will auch davon aus, dass eine Beteiligung des Bundesrats erforderlich ist. Allerdings genügt im Bundesrat eine Mehrheit der Länder. Das heißt, nicht jedes einzelne Land muss zustimmen. Die Regelungen würden dennoch in ganz Deutschland gelten. Jede Änderung (wegen neuer Mutanten oder besserer Impfstoffe) müsste dann aber wieder vom Bundestag beschlossen werden.
Innenminister Seehofer hat nun noch eine dritte Möglichkeit ins Spiel gebracht. Statt das Infektionsschutzgesetz zu ändern, könnte der Bundestag auch ein eigenes Gesetz beschließen, eine Art Corona-Gesetz. Hierfür wäre die Zustimmung des Bundesrats nicht erforderlich. Diese Variante könnte zumindest als ultimative Drohkulisse genutzt werden. Aber eigentlich kann die Bundesregierung kein Interesse daran haben, ihre Politik gegen eine Mehrheit der Länder durchzusetzen. Denn die härtesten Verbote nützen wenig, wenn Landesbehörden und Landespolizei vor Ort nicht richtig kontrollieren.
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