Rechtsextremismus in Deutschland: BKA-Chef warnt vor Terror-Strukturen
Holger Münch befürchtet das Entstehen neuer Gruppen nach NSU-Vorbild. Justizminister Maas will mit seinen Länderkollegen über die steigende rechte Gewalt reden.
BERLIN rtr/epd/dpa | BKA-Präsident Holger Münch hat angesichts zunehmender Gewalt gegen Flüchtlinge vor dem Entstehen rechtsextremer Untergrundgruppen nach NSU-Vorbild gewarnt. Die Polizei brauche „schnelle Ermittlungsergebnisse und Urteile, um die Dynamik der rechtsextremen Straftaten zu unterbrechen“, sagte Münch der Bild am Sonntag. Sonst könnten sich schlimmstenfalls terroristische Strukturen bilden, wie es sie mit der NSU-Gruppe bereits gegeben habe.
Das BKA habe „die rund 500 Täter von Straftaten gegen Asylunterkünfte aus dem letzten Jahr analysiert“, sagte Münch. 70 Prozent der ermittelten Täter seien vorher nicht wegen politisch motivierter Delikte aufgefallen. Sie kamen laut Münch überwiegend aus der Umgebung der Unterkünfte und standen nicht unter Alkoholeinfluss.
Der BKA-Chef warnte zudem vor selbsternannten Bürgerwehren, die Recht und Gesetz in die eigene Hand nehmen wollen: „Wir machen uns Sorgen. Bei den sogenannten Bürgerwehren müssen wir genau hinschauen, wer da wie tätig wird.“ In rechtsextremen Internetforen gebe es seit Silvester so viel Kommunikation wie nach dem Anschlag von Paris mit 130 Toten. Dort werde zur Notwehr aufgerufen mit dem Ziel, in der Bevölkerung hoffähig zu werden. „Ich warne davor, solchen Aufrufen zu folgen“, betonte Münch.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat seine Länderkollegen zu einem Spitzentreffen eingeladen, um über die rasant wachsende rechtsextreme Gewalt zu beraten. Er wies auf die Brandanschläge auf Flüchtlingsheime hin und schrieb: „Ich möchte mit Ihnen gemeinsam darüber beraten, wie wir fremdenfeindliche Straftaten besser verhindern, rascher aufklären und konsequenter ahnden können.“ Als Termin ist der 10. März vorgesehen – drei Tage vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
Zusätzlich legt Maas dem SPD-Parteivorstand bei der Klausur am Sonntag und Montag im brandenburgischen Nauen ein vierseitiges Papier vor, mit dem sich die Parteispitze unter der Überschrift „Demokratie stärken – Kampf gegen Rechts“ positionieren soll. Darin enthalten ist die Forderung nach 12.000 zusätzlichen Polizisten und gegebenenfalls weiteren Staatsanwälten. Vorgeschlagen wird, Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften zu rechter Gewalt einzurichten, Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund statistisch besser zu erfassen und Radikalisierungen im Strafvollzug entgegenzuwirken.
Leser*innenkommentare
noevil
Wenigstens wird sie, die rechte Gewalt, jetzt endlich nicht mehr von naiven (oder gar böswilligen?) Politikern und ihren ausführenden Armen kleingeredet und verharmlost oder womöglich totgeschwiegen. Vielleicht kapiert man bei den Vertretern der Staatsmacht allmählich die schlimmste und zerstörerischste Gefahr für die Demokratie und auch für ihre eigene Existenz. Auch wenn das nur ein sehr sehr kleiner Trost ist, angesichts der lange nicht ernst genommenen Untaten aus grenzenloser Dummheit, Überheblichkeit, Menschenverachtung und Rassismus.
Das Ganze hat einen überaus bitteren Beigeschmack.
1714 (Profil gelöscht)
Gast
@noevil Na warten wir mal ab...