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Rechtsextremismus in BrandenburgGewalt mit Tradition

Hitlergruß und Totschlag: Rechtsextreme Gewalt hat in Brandenburg eine lange Geschichte, die von militanten Neonazis bis in heutige AfD-Kreise führt.

Nicht nur modisch in den 90ern hängengeblieben: Rechte in Brandenburg Foto: Christophe Gateau/dpa

Seit den 1990er Jahren ist Brandenburg als ein Hotspot rechter Gewalt bekannt, auch wenn es schon zu DDR-Zeiten eine stark ausgeprägte rechtsextreme Szene gab. Besonders bekannt wurde ein exemplarischer Fall gut einen Monat nach der Wiedervereinigung, als in Eberswalde am 25. November 1990 ein Mob von 50 Neonazis Jagd auf Ausländer machte.

10 Neonazi-Skinheads schlugen und traten den ehemaligen angolanischen DDR-Vertragsarbeiter Antonio Amadeu auf dem Bürgersteig mit einem Baseballschläger und Sprüngen auf den Kopf zusammen. Zivilpolizisten beobachteten den Angriff, griffen aber nicht ein. Amadeu wachte nicht wieder auf und starb wenig später im Krankenhaus, er hinterließ eine schwangere Freundin.

Der Verein Opferperspektive zählt mit Amadeu 23 Todesopfer rechter ­Gewalt zwischen 1990 und 2008, ebenso sieht der Verein Anhaltspunkte dafür, den Mord eines „Querdenkers“ an seiner Frau, seinen drei Töchtern und sich selbst als rechte Tat ein­zuordnen. Vor allem die Taten bis 2008 sind nur die Spitze der Eisbergs alltäglicher rechtsextremer Gewalt in Regionen, die von organisierten Neonazis oder auch rechten Jugendcliquen dominiert werden und in denen heute meist die AfD stark ist.

Nach unten treten

Die Gewalt richtet sich meist gegen als „ausländisch“, links, arm, wohnungslos oder sonst wie „minderwertig“ wahrgenommene Personen. Der implodierte DDR-Staat hinterließ ein Machtvakuum, das eine rechte Jugendbewegung mit Baseball­schlägern, Stahlkappenschuhen, Messern und Gaspistolen ausfüllte. Die ­Gewalt entlud sich häufig äußerst brutal und an alltäglichen Orten, wie Bahnhöfen, Bushaltestellen und Kneipen.

Nachdem die Polizei ab den 2000er Jahren repressivere Ansätze der Gegenwehr fuhr, ebbten die Gewaltexzesse in Anzahl und Qualität ab. Nachdem es im Zuge der Fußball-Heim-WM 2006 eine Diskussion über No-go-Areas für Nichtdeutsche gab, bekam diese später als Baseballschlägerjahre bezeichnete Zeit mehr Aufmerksamkeit. Neonazi-Strukturen erfuhren Repression, Gewaltexzesse wurden weniger, lokal organisierte sich auch antifaschistische Gegenwehr sowie Gedenken an Opfer rechter Gewalt.

Gesellschaftlich wirken die Baseballschlägerjahre bis heute nach: Gab es damals vielerorts in Schulen und Jugendclubs einen rechten Mainstream, sind es heute teils Kinder der Täter von damals, die auch heute lokal rechtsex­treme Hegemonie schaffen. Rechte Vorfälle gibt es in Brandenburg, wenn auch die Stärke der Gewalt abgenommen hat, noch immer viele. Zuletzt machte vor allem eine Schule in Burg Schlagzeilen, nachdem Lehrer teils Zustände wie in den neunziger Jahren angeprangert hatten – Hitlergruß, Hakenkreuze, rechtsextreme Sprüche.

In Südbrandenburg gibt es zudem eine gefährliche Mischung aus Neonazis, organisierter Kriminalität, rechten Unternehmern mit mittelständischen Betrieben und wegschauenden Sicherheitsbehörden und Gerichten, die mild gegen rechte Straftäter urteilen. Rechte sind hier teilweise unwidersprochen Teil der Mitte des Gesellschaft, wer widerspricht, eckt an.

Flügelkämpfe in der AfD

All dies ermöglicht der AfD ideale Entfaltungsbedingungen. Viel Hoffnung setzt die extrem rechte Partei auf anstehende Kommunalwahlen und die Brandenburger Landtagswahl im September 2024. Die AfD stand in Brandenburg zunächst unter dem Einfluss von Alexander Gauland, der trotz seiner langjährigen CDU-Mitgliedschaft die völkisch-nationalistische Strömung der Partei protegierte.

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Der ehemalige Falschirmjäger Andreas Kalbitz mit neonazistischer Vergangenheit wurde Nachfolger von Gauland als Landesvorsitzender der AfD Brandenburg – für den völkischen Flügel war er wichtiger Strippenzieher bis zu seinem Parteiausschluss. In einem Machtkampf ließ der mittlerweile ausgetretene Parteivorsitzende Jörg Meuthen den Flügel-Strippenzieher wegen seiner neonazistischen Vergangenheit rauswerfen.

Trotz seines Rausschmisses ist Kalbitz noch immer Teil der AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag. Zudem besucht er gerne AfD-Veranstaltungen, prinzi­piell tut er so, als würde er noch zur Partei gehören, zumal er immer betont hat, dass er früher oder später in die Partei zurückkehren will. Entsprechend wird Kalbitz noch immer Einfluss in der AfD Brandenburg nach­gesagt – die derzeitige Landes­vorsitzende Birgit Bessin gilt als enge Vertraute.

Innerrechter Machtkampf

Kalbitz’ Macht ist mittlerweile aber auch brüchig: Für die anstehende Landtagswahl im Herbst 2024 gibt es eine Kampfkandidatur gegen Kalbitz’ Verbündete Birgit Bessin. Der ebenfalls vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Fraktionsvorsitzende Hans-Christoph Berndt will ebenfalls als Spitzenkandidat antreten, das brandenburger Bundesvorstandsmitglied Hohloch unterstützt die Kampfkandidatur.

Inhaltlich sind die Kandidat* innen kaum unterscheidbar: Während Bessin die Kalbitz-Kandidatin des völkisch-nationalistischen Flügels ist, ist Berndt nicht weniger extrem: Er gründete den rechtsextremen Verein „Zukunft Heimat“, der seit 2015 gegen Flüchtlinge mobilisiert und als Musterbeispiel der Vernetzung zwischen der AfD und rechtsextremen Organisationen gilt.

Nachdem im April in Burg (Spreewald) Leh­re­r*in­nen in einem Brandbrief von der rechtsextremen Hegemonie an ihrer Schule berichteten, griffen auch alte Mechanismen aus den Baseballschlägerjahren wieder: Diejenigen, die auf die Probleme aufmerksam machen, gelten vielen als das eigentliche Problem und als Nestbeschmutzer. Die ehemalige Bürgermeisterin Ira Frackmann (CDU) schimpfte etwa auf Facebook, die Lehrer hätten „durch ihre Verhaltensweise eine Gemeinde und eine Schule, ja sogar eine ganze Region in Misskredit“ gebracht. So etwas kläre man nicht vor der Presse.

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2 Kommentare

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  • Ich staune, dass dieser Artikel auskommt, ohne die SPD zu nennen.

    Brandenburg ist typisches SPD-Land. Seit 1990 hat die SPD durchgehend die Regierungskoalitionen angeführt.

    Schon Manfred Stolpe hat in den 90ern abgewiegelt.

    Die SPD hat mehrfach mit der Linkspartei koaliert.

    Bewegt hat sich nichts.

    • @rero:

      Interessanter Punkt. Scheinbar sind klassische SPD-BratwurstKaffeeKuchen-Veranstaltungen im Kampf gegen Rechts gar nicht so wirkungsvoll. Und möglicherweise darf sich der Wirkungskreis der SPD nicht auf das Parlament beschränken, sondern sollte um die Lebensrealität der Menschen ergänzt werden.