Rechtsextreme in der Bundeswehr: Nur ein Bußgeld für den Hitlergruß
Die Bundeswehr ahndet rechtsextreme Vorfälle nicht konsequent. Wer bekennt, dass er „Kameraden vergasen“ möchte, kann den Zugang zu Waffen behalten.
Das geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zu rechtsextremen Vorkommnissen in der Bundeswehr hervor. Darin führt die Regierung 170 Verdachtsfälle mit 175 Tatverdächtigen für das Jahr 2018 auf. Zum oben benannten Fall erläutert sie: „Der aktuelle Stand der Ermittlung lässt den Schluss zu, dass die Äußerungen nicht primär ideologisch, sondern zur gezielten Provokation seines unmittelbaren dienstlichen Umfelds in Folge einer nicht ermöglichten Versetzung getätigt wurden.“
Wie man darauf kommen kann? Der Soldat habe schließlich weitere beleidigende und disziplinarrechtlich relevante Ausdrücke verwendet, die jedoch „keinen unmittelbaren Bezug zu rechtsradikalem Gedankengut aufweisen“, so die Begründung. Konkrete Beispiele für solche Äußerungen: „Hätte ich Mumpeln im Gewehr, würde ich alle abschießen“, und „Ich weiß, wo er wohnt, und wenn ich hier nicht mehr bin, zünde ich sein Haus an“. Na denn.
Anlass der Kleinen Anfrage war der Anfang des Jahres veröffentlichte Jahresbericht des Wehrbeauftragten des Bundestags. Darin geht es auf gerade mal 2 von insgesamt 126 Seiten um rechtsextremistische Umtriebe beim Bund. Deswegen wollte die Linksfraktion genauer wissen, was sich hinter den im Bericht summarisch erwähnten „meldepflichtigen Ereignissen“ verbirgt. Das Ergebnis ist ein recht bizarres Panoptikum.
So erfährt man einiges über den Musikgeschmack mancher Soldaten, deren präferierte Gruppen einschlägige Namen tragen: „Sturmwehr“, „Stahlgewitter“, „Division Germania“, „Faustrecht“, „Weiße Wölfe“ oder „Landser“ („Opa war Sturmführer bei der SS“).
Disziplinarbuße von 800 oder 1.000 Euro
Berichtet wird auch von einer Abschiedsfeier Ende Mai 2018 in der Graf-Haeseler-Kaserne im saarländischen Lebach. Gegen einen Zeitsoldaten, der dort über eine Musikanlage das Lied „SS marschiert ins Feindesland“ abgespielt haben soll, wurde ein Uniformverbot verhängt. Auch wurde ihm die Ausübung des Dienstes verboten. Entlassen wurde er allerdings bislang nicht. Die Ermittlungen dauern an.
Das gilt auch für den Fall eines Berufssoldaten, dessen Frau sich im April 2018 besorgt bei der Polizei im niedersächsischen Uslar gemeldet hatte: Ihr Mann habe mehrere Waffen, Magazine, Bajonette, Messer sowie Waffenteile und Munition im Haus gelagert. Tatsächlich wurden die Beamten fündig. Neben diversen Waffen und Munition fanden sie bei ihm auch „zwei Gegenstände mit Hakenkreuzsymbolen, indizierte Tonträger und VS-Material“.
Höchst beunruhigend: Laut Regierungsangaben hat der Soldat immer noch Zugang zu Waffen. Es gibt etliche weitere Fälle, bei denen es stark verwundert, dass beschuldigte Bundeswehrangehörige weiterhin Zugang zu Waffen haben oder auch nach wie vor als Vorgesetzte im Dienst sind.
Immer wieder tauchen in der Aufzählung der Regierung Vorfälle auf, in denen Soldaten den „Hitlergruß“ gezeigt und „Sieg Heil“ oder „Heil Hitler“ gegrölt haben sollen. Bemerkenswert sind die unterschiedlichen Folgen für die Beschuldigten. Denn nicht in allen Fällen, in denen die Ermittlungen die Vorwürfe bestätigt haben, erfolgte die Entlassung. Bisweilen beließ es die Bundeswehr auch bei einer Disziplinarbuße von 800 oder 1.000 Euro.
„Strenger Verweis“
Gerade mal zu einem „strengen Verweis“ führten die Äußerungen eines Zeitsoldaten, der zu einem Kameraden gesagt hat: „Halt dein Scheiß-Kanakenmaul, sonst dreh ich dir den Gashahn auf!“
Ulla Jelpke, Linksfraktion
Auch die regelmäßige Teilnahme an Treffen der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger brachte dem betreffenden Berufssoldaten nur einen Verweis ein – obwohl die Bundeswehr ein offizielles Kontaktverbot zu dem äußerst rechtslastigen Traditionsverband verhängt hat.
Die im Bericht des Wehrbeauftragen aufgeführten 170 „meldepflichtigen Ereignisse“, zu denen jetzt die Bundesregierung detailliertere Angaben gemacht hat, sind nur ein Teil der besorgniserregenden Vorkommnisse in der Bundeswehr. So bearbeitet der Militärische Abschirmdienst (MAD) derzeit insgesamt 428 Verdachtsfälle mit Bezügen zum Rechtsextremismus, davon stammen alleine 204 aus 2018.
Auf vier heruntergerechnet
Insgesamt nahm der MAD im vergangenen Jahr 270 Verdachtsfälle auf. Bei den bereits abschließend bearbeiteten Vorgängen stufte er nur viermal die beschuldigten Soldaten als extremistisch ein. „In allen vier Fällen des Jahres 2018 führte die langjährige Mitgliedschaft der jeweiligen Personen in rechtsextremistischen Organisationen zur Einstufung als Extremist“, heißt es dazu in der Antwort der Bundesregierung. „Drei dieser Extremisten wurden bereits entlassen, bei dem vierten ist eine Entlassung beabsichtigt.“
Für die Linkspartei ist das keine befriedigende Auskunft. „Die Zahl neofaschistischer Soldaten auf vier herunterzurechnen ist schon ein Kunststück“, sagt die Linkspartei-Abgeordnete Ulla Jelpke. „Der MAD verharmlost das Nazi-Problem in der Bundeswehr systematisch.“
Tatsache sei demgegenüber, dass gleich dutzendfach Ultrarechte in der Bundeswehr ihren Dienst leisten würden. „Und wenn sie erwischt werden, kommen sie nicht selten mit harmlosen Verweisen davon“, kritisiert Jelpke. „Angesichts der Vernetzung von Nazis in den Sicherheitsbehörden nur von ‚Einzelfällen‘ zu reden, ist nichts anderes als eine gefährliche Problemverharmlosung“, so die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Ihre Forderung: „Es muss endlich klargestellt werden: Faschisten und Rassisten müssen aus der Bundeswehr schnell und konsequent entfernt werden.“
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