Rechtsextreme im KSK: Armee auf Bewährung
Die Verteidigungsministerin will beim Kommando Spezialkräfte aufräumen. Das Problem Rechtsextremismus betrifft aber die gesamte Bundeswehr.
E in Sturmgewehr AK-47, Tausende Patronen, kiloweise Plastiksprengstoff mit Zünder, ein SS-Liederbuch, Zeitschriften für ehemalige Angehörige der Waffen-SS, mehrere Thor-Steinar-Shirts. Was bei einem KSK-Soldaten Mitte Mai gefunden wurde, beschrieb Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) als „neue Dimension“. Sie setzte eine Arbeitsgruppe ein, deren Ergebnisse sie nun präsentierte:
Das Kommando Spezialkräfte bekommt ein Ultimatum gestellt, und eine besonders mit Rechtsextremismus aufgefallene Kompanie wird gleich aufgelöst. Die Ministerin tut etwas, das muss man anerkennen. Irritierend ist, mit welcher zur Schau getragenen Selbstverständlichkeit nun angeblich das große Aufräumen beginnt. Seit seiner Gründung 1996 ist das KSK immer wieder aufgefallen. Der Kommandeur, der eine antisemitische Rede lobte.
Der Hauptmann, der im Stile eines rechten Freikorpslers einem kritischen Soldaten als „Feind im Innern“ drohte – und befördert wurde, bis er sich schließlich als Anhänger der rechtsextremen Identitären Bewegung herausstellte. Huldigungen der Wehrmacht. Dass nun befürchtet wird, im KSK vermisste 85.000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff könnten für Anschläge genutzt werden, ging fast schon unter.
Pistolen, Gewehre und Patronen sind in der Bundeswehr schon viele verschwunden. Sie tauchten immer wieder bei Rechtsextremen auf, etwa dem Offizier Franco A., der ein Doppelleben als syrischer Flüchtling führte und Terroranschläge geplant haben soll. Oder dem früheren Fernspäher und SEK-Polizisten Marko G., dem Chef der Preppergruppe Nordkreuz. Bei den Behörden ist leider nicht viel Bemühen zu erkennen, wirklich herauszufinden, wie das passieren konnte.
MAD-Chef spricht nun von „Netzwerken und Strukturen“
Teil der Reform-Arbeitsgruppe ist der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber. Anfang 2019, kurz nach der Veröffentlichung erster Recherchen zum Netzwerk des KSK-Soldaten „Hannibal“, hat er vor dem Verteidigungsausschuss noch referiert, dass schon seine Großmutter „Prepper“ gewesen sei, schließlich habe auch sie Konserven im Keller gelagert. Aber die Prepper, um die es hier geht, horten nicht nur Gulascheintopf, sondern Munition und Sprengstoff.
Sie haben keine Angst, dass ihnen das Klopapier ausgeht, sondern sie wollen an einem Tag X gegen Geflüchtete kämpfen oder haben noch weitergehende Vernichtungsfantasien. Bislang hat man von Tauber kein Wort dazu gehört, dass er die Lage vielleicht ein bisschen unterschätzt haben könnte. Der eigentlich für die Extremismusabwehr zuständige Militärische Abschirmdienst ist ebenso wenig als Frühwarnsystem aufgefallen, wenn man mutmaßliche Warnungen vor Durchsuchungen mal beiseitelässt.
Stattdessen sagte der MAD-Chef Ende 2018: Es gebe keine rechtsextremen Netzwerke in der Bundeswehr. Und 2019: Es gebe Vernetzung, aber kein Netzwerk. In dieser Woche sprach er dann von „Netzwerken und Strukturen“. Die Rechtsextremisten sind aber nicht erst kürzlich mit Ufos aus der hohlen Erde in die Bundeswehr geflogen. Es gibt gute Gründe für Kramp-Karrenbauer, jetzt das KSK in den Mittelpunkt zu rücken.
Die Misstände dort sind so eklatant, dass man handeln muss, und die Einheit wirkt einigermaßen überschaubar. Das Problem mit den Staatsfeinden in Uniform reicht jedoch weit darüber hinaus. Verteidigungsministerin und militärische Führung müssen jetzt wirklich durchgreifen. Sie müssen Rechtextremisten schneller als bisher aus der Truppe entfernen. Sie müssen den Korpsgeist bekämpfen, der dafür sorgt, dass Hitlergrüße übersehen und Rechtsrock überhört wird.
Und vor allem: Sie dürfen nicht reflexartig in eine Abwehrhaltung springen, wenn jemand etwas schildert, was nicht sein darf, aber leider sein kann. Es geht um mehr als nur eine Problemeinheit. Nicht allein das KSK ist jetzt auf Bewährung, sondern die gesamte Bundeswehr.
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