Rechtsextreme etablieren sich: Präsenz im Shopping-Paradies
Im schleswig-holsteinischen Neumünster eröffnen Rocker einen Laden in bester Innenstadtlage. Mit dabei ist der Neonazi Peter Borchert.
Der offizielle Mieter des Ladens und Geschäftsführer ist Christian Franz. Der Umzug in die „Holsten-Galerie“ ist nicht bloß ein Imagegewinn. „Strategisch interessanter“, erklärt er die Neueröffnung am besseren Standort. Im Impressum der Website taucht dann aber nicht Franz, sondern ausschließlich Bandido-Mitglied Matthias Stutz auf. Und es gibt ein Foto, auf dem Stutz und Peter Borchert, Mitglied des Rocker-Klubs Bandidos, lässig am Eingang des Tattoo-Studios an einer Säule lehnen. Über die beiden Rocker und deren Rolle im Geschäft reden wollte Franz auf Nachfrage der taz am Telefon nicht.
Dass eben jener Borchert eine Woche zuvor im alten Laden noch selbstverständlich ans Telefon ging – tut offenbar nichts zur Sache. Per Kurznachricht teilte Franz kurz danach mit, dass Stutz „angestellter Mitarbeiter im Bereich Shop-Management“ sei, und betonte, dass zu Borchert „keine geschäftlichen Verbindungen“ bestünden.
Borchert ist in Neumünster kein Unbekannter. Schon vor fast zehn Jahren bemühte er sich als Vizepräsident des 2010 vom schleswig-holsteinischen Innenministerium verbotenen „Probationary Chapter Neumünster“ seinen Einfluss in Neumünster auszudehnen. Heute wird sowohl im Rocker-Milieu als auch in Polizeikreisen vermutet, dass sich die Bandidos mit Borchert vor Ort wieder stärker verankern wollen. Ein Sprecher der Polizei Neumünster sagt, man habe die Neueröffnung sehr wohl im Blick und es sei auch bekannt, wer hinter dem Tattoo-Studio stecke. Derzeit sehe man aber keine Anhaltspunkte für Proteste gegen den Laden und seine Betreiber.
Borchert ist ein Rocker aus der rechtsextremen Szene. Er hatte den NPD-Landesvorsitz in Schleswig-Holstein inne, wirkte im Netzwerk der Autonomen Nationalisten mit und führte den „Club 88 the very last resort“ wesentlich mit an. Der 1996 eröffnete „Club 88“ im Neumünsteraner Stadtteil Gadeland war jahrelang ein Treffpunkt für Neonazis aus ganz Europa, bis er Anfang 2014 schloss.
Der 45-jährige Borchert verbrachte insgesamt mehr als zehn Jahre seines Lebens in Haft. Bereits als Jugendlicher wurde er wegen eines Tötungsdeliktes verurteilt. Körperverletzungsdelikte folgten. 2004 verurteilte ihn das Landgericht Kiel wegen mehrerer Verstöße gegen das Waffengesetz. Die Waffen sollen für den Kampf der militanten Neonazi-Gruppe „Combat 18 Pinneberg“ gewesen sein, so lautete die Anklage.
In Norddeutschland war Borchert außerdem einer der ersten Aktivisten der rechtsextremen Szene, die sich gleichzeitig auch im Rocker-Milieu bewegten. Prompt stand der durchtrainierte Tattoo-Träger wegen Auseinandersetzungen mit anderer Rocker-Klubs vor Gericht. Das Landgericht Kiel verurteilte ihn 2011 wegen eines Messerangriffs zu drei Jahren und neun Monaten Haft.
Borchert steht also für eine bestimmte Entwicklung, die in Neumünster bereits vor zehn Jahren einsetzte: eine Mischszene aus Rechtsextremen um den „Club 88“ und dem Rocker-Klub Bandidos. Diese beiden Milieus haben gemein, dass sie sich als „elitäre Outlaws“ inszenieren, sagt Johanna Sigl vom Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus. Die Gemeinsamkeit läge in den „gewalttätigen Männlichkeitsentwürfen“, die mit einem „Frauenhass“ einhergehe.
Auch nach dem offiziellen Aus des „Probationary Chapter Neumünster“ im Jahr 2010, dessen Chef Borchert war, hörte das Netzwerk nicht auf, weiter mit Prostitution und Drogengeschäften Geld machen zu wollen. Aus der Haft heraus soll Borchert seine Geschäfte weitergeführt haben, heiß es jedenfalls im Rocker-Milieu. Die Polizei sieht Borchert als „eine Person, die der organisierten Kriminalität zuzurechnen“ ist. Und es soll auch Borchert gewesen sein, der Stutz nach dessen Rausschmiss bei den Bandidos wieder zurückgeholt hat. Stutz, Spitzname „Lütten Man“, war anfänglich bei den Hells Angels in Hamburg. Musste diesen Rocker-Klub aber verlassen.
Mit Christian Franz betreibt Stutz in Neumünster nicht bloß das Tattoo-Studio. Am Brunnenkamp führen sie seit einigen Monaten die „Lifestylebar“, wie sie es selbst nennen: „The Edge“. Die Eckkneipe eröffneten sie am 31. November 2018. After Work Clubs und Ladies Nights werden angeboten. Der Laden soll gut laufen. Längst sei er ein Treffpunkt von Rocker-Klub-Mitgliedern, „Fans“ der Rocker und Junkies, wird zumindest im Szenemilieu getratscht.
Auch die Stadt Neumünster weiß, wer da in das Shopping-Center in bester Innenstadtlage zieht. Aber es sei eben nur ein Umzug, es handele sich bei der „Holsten-Galerie“ außerdem um einen privaten Vermieter und damit sei die Angelegenheit eine Privatsache, sagt der Sprecher der Stadt. Das kommentiere man nicht weiter.
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