Rechtsextreme betreibt Öko-Versand: Umweltschutz gleich Volksschutz
In Schleswig-Holstein betreibt eine Rechtsextreme mehrere Öko-Versandhandel im Internet. Neben Baumwollsocken gibt es auch Tränengas und rechte Literatur.
Naturbekleidung, Ökoputzmittel, Stoffwindeln und Ernährungsberater. Im breiten Angebot des Internetversands von Bente Strauch findet sich fast alles für eine ökologisch-bewusste Lebensgestaltung. Die Namen ihrer Versandhandelsseiten klingen harmlos: "Kind & Natur. Versandhandel für Naturwaren rund ums Kind", "Vorsorgen und Überleben. Der "Versand für besondere Lebenslagen", "Kinderland-Verlag" und "Umwelt & Aktiv Versand".
In der Öffentlichkeit ist Strauch sehr darauf bedacht, nicht als rechts engagiert aufzufallen. Bei der verbotenen rechtsextremen "Heimattreuen Deutschen Jugend" war sie aktiv. Das ökonomische Interesse gehe bei der Internetgeschäftsfrau mit einem politischen Interesse einher. "Diese Verknüpfung hat eine lange Tradition in der Szene – auch bei den Frauen", betont Kenzo. Für Strauch gelte: Umweltschutz gleich Heimatschutz gleich Volksschutz.
Aus Martensrade, nicht weit von Kiel, betreibt die Krankenschwester mit dunklen Haaren ihre Internetgeschäfte. "Da hinten wohnt die", sagt ein Anwohner. Recht wortkarg gibt sich auch eine Nachbarin. "Nett", mehr möchte sie zu der Familie nicht sagen. In der kleinen schleswig-holsteinischen Gemeinde sind die Bewohner sehr zurückhaltend. Sitzt hier doch auch die Verlagsgruppe "Lesen & Schencken" des rechtsextremen Verlegers Dietmar Munier. Einer der größeren Arbeitgeber vor Ort, heißt es.
"Umweltschutz ist nicht grün"
Strauch und Munier kennen sich. Der Verfassungsschutz stellte fest, das "Lesen & Schenken" rechtsextreme Bezüge aufweist. Der Versand "Umwelt & Aktiv" von Strauch ist eng mit dem Zeitungsprojekt gleichen Namens aus Traunstein vernetzt. Ein Link zu dem Versand findet sich auf der Webpräsenz des Magazins "Umwelt & Aktiv" aus dem bayrischen Städtchen, das mit den Slogan wirbt: "Umweltschutz ist nicht grün".
Seit 2007 erscheint das Magazin, für das Christoph Hofer presserechtlich verantwortlich zeichnet. Vor Jahren war er niederbayrischer NPD-Bezirksvorsitzender. Dass der mehrfachen Mutter dieser Geschäftszweig anvertraut wurde, dürfte auch ihrem Engagement bei der bis zum Verbot 2009 fast im Geheimen agierenden "Heimattreuen Deutschen Jugend" geschuldet sein. Einst war sie Familienkreis-Regionalbeauftragte der im Kieler Vereinsregister eingetragenen Gruppierung. Als Autorin fiel Strauch in dem vierteljährlich erscheinenden Magazin nicht besonders auf.
Im Hintergrund möchte bei dem Projekt "Umwelt & Aktiv" auch Berthild Haese bleiben. Diese Frau zieht es vor, unter einem Pseudonym zu schreiben. Die internen Mails der NPD, die der taz im Februar zugespielt wurden, offenbaren, dass sie die leitende Redakteurin "Laura Horn" ist. Am 28. Oktober 2000 schrieb Haese der sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Gitta Schüßler, dass sie Artikel "mit dem Pseudonym 'Laura Horn' unterzeichne".
Etliche Mails belegen, dass bei dem Magazin nicht bloß ein Verantwortlicher eine NPD-Funktion innehatte. Sie zeigen vielmehr, dass ein langjähriger NPD-Kader wie Haeses Ehemann Peter eng redaktionell eingebunden ist. Sie bittet ihn öfters, Texte zu überarbeiten. "Könntest Du dies lesen", fragt sie am 2. Dezember 2010. Fünf Tage später fordert sie erneut: "Mein lieber Mann, würdest du bitte anliegenden Artikel kritisch durchlesen". Im Haus der Haeses in Eggenfelden fand am 14. Januar 2011 zudem ein Redaktionstreffen statt.
Haese und Strauch, sagt Kenzo, outeten sich bewusst nicht als rechte Frauen, um so mit ökologischen Themen gesellschaftliche Akzeptanz zu finden. Mit "Umwelt & Aktiv", so heißt es schon in der Satzung des Trägervereins "Midgard e.V.", soll auch auf "bestehende Umweltorganisationen" Einfluss genommen werden. Unter Klarnamen schreibt Haese viele Leserbriefe zu ökologischen Fragen.
"Bauer mit Leib und Seele"
Strauch bemüht sich auf eine andere Art und Weise um gesellschaftlichen Zuspruch. Beim Schwimmverein "Wiking Kiel von 1939 e.V." engagiert sie sich zusammen mit ihren Kindern. Im Januar 2010 nahm sie an den "Bestenkämpfen" als "Kampfrichter zur Ausbildung" teil. Für ihre Versandhadel soll sie auch an ihrer Arbeitsstelle im Lubinus Clinicum, wo sie als Krankenschwester arbeitet, geworben haben. Der Betriebsrat wurde informiert, ebenso die Klinikleitung. Strauch tat ihre politische Tätigkeit bisher als "Jugendsünde" ab.
Bei ihrem "Kind & Natur Versand" findet sich neben Baumwollsocken und einem Wickelsystem auch einschlägige Literatur zu Brauchtum und Runenlehre. Außer Handmühlen bietet sie bei "Vorsorgen und Überleben" auch Pfeffergel und Tränengasspray an. Über den "Umwelt & Aktiv Versand" können nicht bloß Ökoprodukte bestellt werden, sondern auch szenetypische Literatur.
Darunter - Baldur Springmann: "Bauer mit Leib und Seele". Nach seinem Rauswurf bei den Grünen wegen "Blut-und-Boden-Positionen" wurde der 2003 verstorbene Bauer zur rechten Öko-Ikone. Strauch verkauft auch andere fragwürdige Bücher wie "Die Nahkampfschule" oder "Combat-Schießtechniken".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja