Rechtsextreme Demonstrationen in Berlin: Nazis haben weniger Zulauf
2016 gab es in Berlin deutlich weniger rechtsextreme und asylfeindliche Kundgebungen als im Vorjahr. Der verbliebene Kern radikalisiert sich weiter.
Eine gute Nachricht: Die Zahl rechtsextremer Straßenproteste hat im letzten Jahr deutlich abgenommen. Wie das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz), das im Auftrag des Senats das rechte Demonstrationsgeschehen dokumentiert, am Mittwoch mitteilte, fanden 2016 nur noch 173 extrem rechte und asylfeindliche Demonstrationen statt. 2015 hatte es noch 234 solcher Veranstaltungen gegeben.
Gleichzeitig gibt es bei den Veranstaltungen eine sowohl inhaltliche als auch räumliche Verschiebung: Während 2014 und 2015 noch vor allem in den östlichen Randbezirken gegen den Bau neuer Flüchtlingsunterkünfte protestiert wurde, fanden 2016 die meisten Demonstrationen im Regierungsviertel statt und richteten sich allgemeiner gegen die Asylpolitik der Bundesregierung. „Aus ‚Nein zum Heim‘ ist ‚Merkel muss weg‘ geworden“, fasst Kilian Behrens vom apabiz diese Entwicklung zusammen. Unter diesem Motto fanden 2016 vier große rechtsextreme Aufmärsche in Mitte statt, deren Teilnehmerzahl sich allerdings von rund 2.000 im März auf etwa 600 im November stark verringerte.
Verbale Radikalisierung
Dabei zeigte sich eine für fast alle rechtsextremen Veranstaltungen geltende Entwicklung: Der dauerhafte Schulterschluss mit Menschen außerhalb des organisierten rechtsextremen Milieus, der die asylfeindlichen Demonstrationen der letzten drei Jahre ausgezeichnet hatte, gelingt immer seltener. Zurück bleibt etwa bei den weiterhin wöchentlich stattfindenden Bärgida-Kundgebungen ein harter Kern, der sich immer drastischer ausdrückt: „Wir beobachten eine deutliche verbale Radikalisierung bis hin zum offenen Aufruf, bewaffnete Bürgerwehren zu gründen“, sagt Vera Henßler vom apabiz.
Die AfD-Basis war 2016, abgesehen von Wahlkampfständen, kaum auf der Straße anzutreffen. Offenbar wird die Energie bisher vor allem in den Aufbau der parlamentarischen Strukturen gesteckt, möglicherweise vermeiden die Parteimitglieder aber auch bewusst asylfeindliche Kundgebungen, bei denen fast immer auch einschlägig bekannte Neonazis anwesend sind.
Nur im Treptow-Köpenicker Ortsteil Altglienicke fanden 2016 noch regelmäßige Kundgebungen gegen die dort geplante Asylunterkunft statt, die seit ihrer Fertigstellung allerdings ebenfalls verebbten. Für Aufmerksamkeit sorgte dort die Teilnahme der CDU-Abgeordneten Katrin Vogel, die sich damit gegen die damals noch von ihrer eigenen Partei geführte Senatsverwaltung stellte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag