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Rechtsextreme Chatgruppe in BerlinBeängstigend und befreiend zugleich

Kommentar von Susanne Memarnia

Je mehr von dem rechtsextremen Dreck bekannt wird, desto besser. Die Wahrheit ist zwar bitter, aber die Politik kann ihr nun nicht länger ausweichen.

Rechte Strukturen bei der Polizei: neuer „Einzelfall“ nun auch in Berlin Foto: dpa

J etzt hat also auch Berlin seine rechtsextreme Chatgruppe. Wie das ARD-Magazin Monitor am Donnerstag berichtet, schrieben sich 25 PolizistInnen einer Berliner Wache über drei Jahre lang Nachrichten mit teils krass rassistischer Hetze. Das ganze Feld rechtsextremer Klischees wurde offenbar bedient: der „große Bevölkerungsaustausch“ durch Flüchtlinge, ungebremster Hass auf Linke, primitivste Gewaltphantasien gegen „Ausländer“. Offen gesagt: Nach NRW, Hessen und all den andere Polizeiskandalen der letzten Zeit kann dies niemanden verwundern. Die „Einzelfälle“ sind inzwischen so zahlreich, dass man schier den Überblick verlieren kann.

Das ist auf der einen Seite zutiefst beängstigend: Der Alptraum, in dem sichtbar Andersdenkende und -aussehende schon immer lebten und in dem die Polizei nicht dein Freund ist sondern der (bewaffnete und mächtige) Feind, ist Wirklichkeit. Und zwar regelmäßig. Es gibt eben nicht nur einen Polizisten oder zwei, so dass man berechtigter Weise von Ausnahmen sprechen könnte, wie es Politik und Polizeiführungen und -gewerkschaften immer tun. Der Fehler steckt „im System“, das zeigt auch dieser Fall. Selbst wer nicht so denkt wie seine rechtsextremistischen KollegInnen, hält die Klappe. Nicht einmal der Chef der Truppe, der offenbar auch davon wusste, hat dem Treiben ein Ende gemacht.

Auf der anderen Seite sind solche Enthüllungen aber auch ermutigend: Es waren schließlich zwei Berliner PolizistInnen, denen die Sache so stank, dass sie die Chatprotokolle „geleakt“ und Monitor bereitwillig Auskunft geben über den rassistischen Alltag auf ihrer Wache gegeben haben. Es gibt sie also (immerhin), die demokratisch gesinnten Ordnungshüter – auch wenn sie aus Angst vor dem Korpsgeist ihrer KollegInnen anonym bleiben wollten.

Und auch wenn Polizeiskandale sonst meist nicht von internen Whistleblowern aufgedeckt werden sondern im Zuge von Ermittlungen: Es gibt Grund zur Hoffnung. Denn je mehr von dem Dreck ans Licht kommt, desto größer wird offenbar die Bereitschaft von Menschen darüber zu sprechen – seien sie Opfer von rassistischer Polizeigewalt oder eben Zeugen.

Jeder Skandal ermutigt Betroffene und Zeugen zu reden

So ist es jedenfalls in der allgemeinen Debatte über (Alltags-)Rassismus und Diskriminierung in der Gesellschaft: Die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema in den letzten Monaten ermutigt immer mehr BPoC (Black and People of Colour) von ihren Erfahrungen zu berichten und sich nicht mehr alles gefallen zu lassen. Und sie ermutigt Angehörige der weißen Mehrheitsgesellschaft sich mit den eigenen Rassismen und Vorurteilen kritisch auseinander zu setzen.

Und mit jeder neuen Enthüllung über rassistische Strukturen in der Polizei rückt unweigerlich der Augenblick näher, wo auch Politik und Polizeiführungen nicht mehr mit Ausflüchten kommen können. Die Wahrheit ist hässlich. Aber wir alle – auch die bürgerliche Mitte, die ihre Ordnungshüter bislang so sehr verteidigt – müssen ihr endlich ins Gesicht schauen.

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Redakteurin taz.Berlin
Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Antirassismus.
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5 Kommentare

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  • Wer kommt mir denn da ins Haus, wenn ich im Notfall 110 wählen muss???

  • Erst noch mal nachgeschaut..

    ist eine Ausformung des „Wir-Gefühls“ einer Eigengruppe.....

    .... auch wenn sie aus Angst vor dem Korpsgeist ihrer KollegInnen anonym bleiben wollten.....



    Das ist für mich das Entscheidente.



    Alles geht in Deckung, Politik, Polizei, die Gräben werden tiefer und besser abgestützt.



    Solange dieses mit dem Fisch vom Kopf her...nicht geändert wird und das Thema v. nächsten überlagert wird. Alles wie gehabt.

  • Die Fähigkeiten der Konservativen und Liberalen, der Realität auszuweichen, sind geradezu grenzenlos. Das können so ziemlich alle Menschen bestätigen, die sich in die Klimaproblematik eingearbeitet haben:



    "Never underestimate the power of denial."



    -- Ricky Fitts, "American Beauty"

  • Was Berlin betrifft ist seit 30 Jahren so, mich wundert es nicht. Irgendwann kommt auch StA und der Rest der Justiz an die Öffentlichkeit!

  • "aber die Politik kann ihr nun nicht länger ausweichen" ???

    Realität: Sie kann und sie wird!