Rechtes Netzwerk um „Hannibal“: MAD-Mitarbeiter freigesprochen
Peter W. stand im Verdacht, den Ex-KSK-Soldaten André S. vor Durchsuchungen gewarnt zu haben. Jetzt zog die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurück.
Der Vorfall, um den es vor dem Landgericht Köln geht, liegt drei Jahre zurück: Im September 2017 trafen sich der heute 44-jährige Peter W. und ein damaliger Soldat des Kommando Spezialkräfte (KSK) in einem Hotel in Sindelfingen. Der Soldat heißt André S., nennt sich auch Hannibal, er ist eine Auskunftsperson des MAD. Er erzählt Peter W. von Prepper-Chats, die er betreibt, über den Verein Uniter, den er gegründet hat und der heute als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft ist. Der MAD-Mitarbeiter fragt ihn auch nach Franco A., einen weiteren Bundeswehrsoldaten, der bald vor Gericht steht, weil er als syrischer Flüchtling getarnt, ein Attentat geplant haben soll.
Doch an diesem Tag im September soll André S. eine wichtige Information von Peter W. erhalten haben: Eine Warnung, dass das BKA ihn und zwei weitere KSK-Soldaten durchsuchen werde. So geht es aus der Anklageschrift hervor.
In erster Instanz konnte im vergangenen Jahr zweifelsfrei geklärt werden, dass André S. vorbereitet war, als die Ermittler kamen. Er hatte einen Laptop und möglicherweise weitere Datenträger beiseite geschafft. Bis heute ist unklar, ob so wichtige Informationen verschwunden sind. Den Vorwurf aber, dass Peter W. ihn über die Ermittlungen informiert habe, sah das Gericht nicht als erwiesen an und sprach ihn frei. Die Staatsanwaltschaft Köln ging dagegen vor. Ende Oktober 2020 begann der Prozess in zweiter Instanz.
Knapp ein Dutzend Zeugen wieder ausgeladen
Peter W. erschien in Ausgehuniform vor Gericht. Bislang war er intern lediglich versetzt worden, ein Disziplinarverfahren ruht seit Jahren. Der MAD teilt der taz nun auf Anfrage mit, man habe zunächst die juristische Entscheidung abgewartet und die sei nun für die Behörde bindend. Heißt auch dort Freispruch: W. muss keine disziplinarrechtlichen Konsequenzen mehr fürchten.
Das Gericht bemühte sich um Antworten, befragte die beiden anderen KSK-Soldaten, die ebenfalls durchsucht worden waren. Die aber erinnerten sich nur an wenig. Die Staatsanwaltschaft konnte nichts Neues vorbringen. Ursprünglich sollten insgesamt 13 Zeugen geladen werden, doch weil niemand aus erster Hand wissen konnte, wer André S. Quelle war, sahen die Prozessbeteiligten davon ab.
Für die entscheidende Wendung sorgte der Angeklagte selbst. Er berichtete, André S. habe ihm 2017, Monate vor der Durchsuchung, von einem Kontakt zur Bundesanwaltschaft erzählt. Der Ermittlungsbehörde also, die die Durchsuchungen von S. veranlasste. 2018 soll André S. das in einer MAD-Befragung präzisiert haben, sprach wohl von einem Kontakt in Berlin. „Die Tragweite dessen ist mir erst später aufgefallen“, gab Peter W. vor Gericht zu Protokoll. Ein Leck bei den Ermittlern?
André S. prahlt viel, mit geheimen Informationen, mit Verbindungen zu Sicherheitsbehörden. Vieles von dem, was André S. sagte, bewahrheitete sich nicht. Hier vor Gericht will er gar nichts sagen: Er war der einzige, der vom entscheidenden Treffen mit Peter W. hätte erzählen können, meldete sich erst krank und ließ dann ausrichten, er werde ohnehin nichts aussagen, was ihn selbst belasten würde.
Es wird noch verworrener: Fragt man die Bundesanwaltschaft nach dem vermeintlichen Leck, will sie kürzlich durch Medienberichte zum ersten Mal davon gehört haben. Der MAD kommentiert den Vorgang nicht. Peter W. aber berichtet von Gesprächsrunden von MAD, Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft, in denen es genau darum ging. Von all dem war in der ersten Instanz nichts zu hören. Das Gericht verzichtet darauf, die Geheimdienstvermerke von 2017 und 2018 als Beweise einzufordern, BKA-Ermittler und Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft als Zeugen zu laden. Stattdessen stoppt die Staatsanwaltschaft an dieser Stelle den Prozess.
Auf Anfrage der taz teilt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit, eine „von jedem vernünftigen Zweifel freie Gewissheit“, dass der Angeklagte die Geheimnisse verraten habe, sei nicht mehr zu erzielen gewesen. Die Berufung habe keine Aussicht auf Erfolg mehr gehabt.
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