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heute in hamburg„Rechte der Arbeitnehmer angegriffen“

privat

Dirk Schwarzer, 47, Aktivist bei Attac in Hamburg. Er engagiert sich vor allem in den Bereichen Soziales und Gewerkschaft.

taz: Herr Schwarzer, was passiert gerade in Frankreich?

Dirk Schwarzer: Seit etwa zwei Jahren werden im Namen der Wettbewerbstätigkeit neoliberale „Reformen“ durchgesetzt, wie es schon in Deutschland oder in Griechenland der Fall war. Auch wir von Attac Hamburg machen bei diesen Protesten mit. Unter François Hollandes Regierung wurden die Schutzgesetze für Arbeitnehmer*innen angegriffen. Sein Nachfolger Emmanuel Macron macht mit diesen neoliberalen Maßnahmen weiter, mit Steuer­erleichterungen und der Senkung der öffentlichen Ausgaben.

Und dagegen gibt es Proteste?

Ja, es ist einer größten sozialen Kämpfe in Europa. Der Widerstand ist in Frankreich relativ stark. Es gibt da eine gewisse Tradition, aber es liegt auch daran, dass es ein frontaler Angriff auf das Arbeitsrecht und auf Gewerkschaften ist. Erst am Dienstag waren mehrere Hunderttausend Menschen in ganz Frankreich auf der Straße.

Was hat der Protest mit Deutschland zu tun?

Man kann natürlich von hier nicht direkt wirken, man kann aber eine Gegenöffentlichkeit schaffen. Macron wird von der Bundesregierung und den großen Medien unterstützt, die das Bild vom dynamischen französischen Präsident verbreiten. Dem wollen wir entgegenwirken. Wir wollen erreichen, dass alle Gesetze, die das Arbeitsrecht einschränken, aufgehoben werden.

Und das will die Bundesregierung nicht?

Nein, sie ist eine treibende Kraft des Sozialabbaus in ganz Europa. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat 2015 gesagt, es wäre gut, wenn Frankreich zu Reformen gezwungen werde. Bei uns aber haben diese „Reformen“ die Arbeitslosigkeit nicht abgeschafft, sie wurde nur in vielen Minijobs prekär verteilt. Das setzt jetzt die anderen Länder in Europa unter Druck. Davon profitieren natürlich die extremen Rechten – der Front National und die AfD sind große Gewinner dieser Geschichte.

Was gibt es denn für Alternativen?

Die Unternehmen haben per se sehr viel Macht, deshalb brauchen die Arbeiternehmer*innen Rechte. Statt diese abzuschaffen, sollte man im Sozialen, Bildung und Umwelt investieren. Wir halten es für möglich, allein in Frankreich eine Million Arbeitsplätze im Bereich Klima zu schaffen. Für die Finanzierung wollen wir im Gegensatz zu Macron eine gerechte Steuerpolitik, die sich progressiv nach dem Einkommen richtet und nicht einfach pauschal ist, wovon nur die Reichsten profitieren.

Interview Adèle Cailleteau

„Widerstände in Frankreich gegen Macrons Politik“: Diskussion mit Dirk Schwarzer von Attac Hamburg und einem Mitglied von La France Insoumise, 19 Uhr, Werkstatt 3, Nernstweg 32–34

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